Eine Handvoll Leben – Wie Frühcheneltern Selbstvertrauen gewinnen

Frühchen

 
„Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Frühchen!“ Das war die erste Gratulation, die Yvonne Lesner noch im OP-Saal entgegennahm, als in der 30. Schwangerschaftswoche ihr Sohn plötzlich zur Welt kam. Ein Frühchen! Kaum jemand beschäftigt sich mit dieser Thematik, den betroffenen Kindern und Eltern oder überhaupt diesem Begriff. So lange nicht, bis es einen selbst betrifft. Yvonne Lesner hat uns erzählt, welche Erfahrungen sie als Frühchenmama gemacht hat und welche Tipps sie Eltern mit auf den Weg gibt, die in der gleichen Situation sind.

Ab wann ist ein Baby ein Frühchen?

Ein Frühgeborenes oder auch Frühchen, ist ein Baby, das aus ganz verschiedenen Gründen zu früh das Licht der Welt erblickt bzw. erblicken musste. Genauer gesagt ist jede Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche eine Frühgeburt. Und dann gibt es noch die Extremfrühchen, die vor der 29. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen und meist unter 1.000 Gramm wiegen. Also noch nicht mal eine Handvoll Leben ausmachen.

Gründe für eine Frühgeburt

Die Gründe für eine Frühgeburt können ganz unterschiedlich sein. Probleme mit dem Fruchtwasser, eine Schwangerschaftsvergiftung, eine Plazentaablösung oder auch Vorerkrankungen der Mutter können Auslöser dafür sein. Bei einer Mehrlingsschwangerschaft ist die Wahrscheinlichkeit einer späten Frühgeburt zum Beispiel sehr hoch.

Oftmals kommt es unerwartet

Ich selbst habe mich dreißig Schwangerschaftswochen lang nicht mit dieser Thematik und den Begriffen auseinandergesetzt, meine Schwangerschaft verlief bis dato nämlich gut. Bis auf die üblichen Wehwehchen fehlte es mir an nichts. Jedoch Tage vor der 30. Schwangerschaftswoche änderte sich das rapide. Ich wurde mit einer starken Schwangerschaftsvergiftung, einem viel zu hohen Blutdruck und einem viel zu kleinen Kind in die Klinik eingeliefert und notoperiert.

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Frühchen!

Ich selbst habe meinen Kleinen direkt nach der OP nicht gesehen, er gab auch keinen Laut von sich, da er zu klein war. Weil ich einen Kaiserschnitt hatte, konnte ich drei lange Tage nicht aufstehen. Während dieser Zeit durfte mein Partner unseren Sohn sehen, nur ich nicht. Ich lag da, ans Bett gefesselt, mit Vorwürfen im Kopf. Ich machte mir anfangs sehr große Vorwürfe und hatte Schuldgefühle. Dabei stellte ich mir immer und immer wieder die Frage: „Wieso wir? Wie hätte ich das verhindern können? Was habe ich falsch gemacht?“ Heute, zwei Jahre später, weiß ich: Ich habe nichts falsch gemacht. Ich hätte es nicht verhindern können und vor allem: Wir sind nicht die einzigen!

Känguruhen kann helfen

Der erste Moment, in dem ich meinen Sohn sehen durfte, löste bei mir gemischte Gefühle aus und ich tat mich anfangs mit meinen Muttergefühlen etwas schwer. Es umgab mich eine unsichtbare Distanz, die zwischen mir und meinem Sohn lag… völlig ungewollt. Das Berühren, Känguruhen, also das auf die Brust Legen des Frühchens, und das Selbstversorgen meines Kindes, ließen dann erst den Knoten platzen. Das Känguruhen gab mir schließlich richtig die Bestätigung: Ich bin eine Mama!

Der Kleine musste noch eine Zeit lang in der Klinik bleiben. Das Gefühl, ohne sein Baby nach Hause und dann jeden Tag sehr viele Kilometer zurück in die Klinik zu fahren, kaum zu essen, kaum zuhause zu sein, einfach nur zu funktionieren – nervenaufreibend. Als Mutter kein Wochenbett zu haben – anstrengend. Zwischen Angst, Hoffen und Bangen und vielen Tränen zu warten – eine Mammutaufgabe. Und das über Wochen und Monate hinweg. Wir waren insgesamt sechs Wochen auf der Intensivstation und zwei Wochen auf der Kinderstation. Eine lange Zeit.

Hilfe annehmen ist keine Schande

In dieser Phase ist das Annehmen von Hilfe besonders wichtig, egal in welcher Form. Sei es von Oma und Opa, die die Geschwisterkinder in der Zeit betreuen, von der Nachbarin, die auch mal kurz die Einkäufe erledigt, oder den vielen Psychologen, die auf der Intensivstation für Rat und fürs Zuhören sorgen. Man muss loslassen können, denn alleine schafft man so eine Mammutaufgabe nicht. Für die Eltern heißt es in erster Linie, für das Baby da zu sein, Nähe zu geben, Kontakt aufzubauen. Sich auch den Berührungsängsten zu stellen, also die Selbstversorgung des Babys, soweit es der Gesundheitszustand zulässt, anzunehmen. Es stärkt die Eltern-Kind-Bindung, es gibt einem das nötige Selbstvertrauen wieder, das man während der OP über Bord geworfen hat. Du bist Mutter! Und das muss einer Frühchenmutter erst noch einmal richtig bewusst werden.

Reden Sie mit Ihrem Baby

Genießen Sie das Känguruhen, so lange es möglich ist. Es gibt Ihnen die Muttergefühle wieder zurück. Reden Sie mit Ihrem Baby, lesen Sie ihm Geschichten vor! Ihr Baby kennt schließlich Ihre Stimme und zwischen all den vielen fremden Stimmen findet es die der Eltern sicherlich am schönsten. Am Ende war es bei mir und meiner Familie zwar nicht einfach, aber es wurde gut. Und irgendwann blickt man stolz darauf zurück und weiß, dass sein eigenes Kind bereits so früh so ein großartiger Held war oder so eine tolle Kämpferin. Und diese Kinder sind für uns nochmal etwas ganz Besonderes!

 

 

Über Yvonne Lesner

In ihrem Blog Mamasdaily.net berichtet Yvonne Lesner über ihre Erfahrungen als Frühchenmama, über ihre Familie und ihren Alltag mit zwei Söhnen. Auf ihrer Seite bietet sie im Bereich Frühcheneltern berichten auch anderen Eltern eine Plattform, um über das Erlebte zu „sprechen“. Darüber hinaus betreibt Yvonne einen Onlineshop, in dem sie handgemachte Baby- und Kinderkleidung verkauft. Wer also auf der Suche nach Unikaten ist, ist hier genau richtig. Und so viel sei verraten: Zu unserer Adventsverlosung, die am 03.12.2017 startet, hat Yvonne einen tollen Gewinn beigesteuert!

 



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