Jetzt geht es wieder los: Schulstart in Coronazeiten

Schulstart in Coronazeiten


Mit mehr als gemischten Gefühlen schauen die meisten Eltern dem Beginn des neuen Schuljahres entgegen. Noch ist eigentlich alles unklar. Wie sehr wird Corona uns einholen und den Alltag bestimmen? Wird es erneut Schulschließungen und Homeschooling geben? Sind die Hygienekonzepte der Schulen gut durchdacht? Unsere Kinder ausreichend geschützt? Welche Herausforderungen kommen auf einen zu? Und wie schafft man es, alles unter einen Hut zu bekommen?
Mama, Autorin und Bloggerin Tanya Neufeldt lässt uns an ihren Befürchtungen und Erfahrungen teilhaben und gibt Eltern ein paar wohltuende Tipps, wie sie den Einstieg ins neue Schuljahr meistern. Wir finden diesen Einblick ganz wunderbar und hoffentlich auch bestärkend für viele andere Eltern(paare).

Nach den Sommerferien wieder in den Schulalltag zu finden, ist immer eine Herausforderung. Aber dieses Mal ist es etwas ganz Besonderes und eine ganz neue Erfahrung für uns alle. Denn hinter uns liegen ja nicht nur sechs Wochen Sommerferien, sondern auch gut drei Monate Homeschooling. Eine Zeit der totalen Überforderung für die meisten von uns – und zwar auf allen Ebenen.

Ich muss zugeben, dass ich den Beginn der Schule so lange wie möglich verdrängt habe. Wir haben erst einmal tief Luft geholt und haben es unglaublich genossen, dass das Homeschooling wegfiel. Das hat den Alltag so viel leichter gemacht, obwohl ich gearbeitet habe.

Mein Sohn kommt jetzt in die 5. Klasse. In Berlin gehören, anders als in anderen Bundesländern, die 5. und 6. Klasse zwar noch zur Grundschule, aber es zieht trotzdem an, denn die Vorbereitung auf die weiterführenden Schulen läuft auf vollen Touren. Das Lernpensum wird erhöht. Das ist natürlich nur eine leidlich gute Kombination, wenn man auf den Herbst schaut und mögliche Schulschließungen einkalkulieren muss. Aber ganz gleich, ob das Kind in den Kindergarten, in die 1., 5. oder 10. Klasse geht – es ist wie es ist. Und wir können nur versuchen, möglichst gut vorbereitet in das neue Schuljahr zu starten.

Die Crux der unterschiedlichen Ansagen

Leider gibt es nicht EIN umfassendes, übergreifendes Schulkonzept. Bei manchen ist jetzt schon klar, dass ihre Kinder in kleinere Klassen kommen, bei anderen fällt der Hort weg, bei den nächsten läuft der Schulbetrieb (erstmal) normal an. Andere wiederum haben noch gar nichts von ihrer Einrichtung gehört. Orientierungslosigkeit ist sehr verunsichernd in einer sowieso unsicheren Zeit.

Und wenn wir unsere Kinder dann in die Schule schicken, fühlen wir uns dabei sicher? Sind die Hygienekonzepte gut durchdacht? Die Kinder ausreichend geschützt? Wie schaffe ich es, alles unter einen Hut zu bekommen? Welche Herausforderungen kommen auf mich zu?

Fühle ich mich gut informiert?

Offen gesagt, fühle ich mich nur sehr bedingt gut informiert. Ich würde z.B. gerne Details über die Notfallpläne hören, wenn es zu einer erneuten Schulschließung kommen sollte. Was hat man gelernt aus dem ersten Lockdown? Vor allem kann ich eine gewisse Verwunderung nicht verhehlen, dass die Sommerferien offensichtlich nicht genutzt worden sind, um auf Turbohochtouren die Digitalisierung in den Schulen voranzutreiben. Wie sieht es für Familien aus, die gar keine oder nicht ausreichend digitale Endgeräte zuhause haben? Wie sieht es für Schüler aus, die auch sonst mehr Unterstützung brauchen? Wie werden die Eltern unterstützt? Entlastet? Ich sehe einzelne, unglaublich gute Initiativen, die auf den Tisch hauen und seit Monaten dafür kämpfen, dass ein Kind mit normalem Schnupfen nicht nach Hause geschickt wird – denn sind wir mal ehrlich: Welches Kind hat keine Rotznase zwischen Oktober und Februar?

Ich weiß, man kann innerhalb von sechs Wochen nicht Jahre der Vernachlässigung nachholen. Nur eins ist auch sicher: Corona hat sich leider im Sommer nicht verabschiedet und wird ein Teil unseres Alltags bleiben.

Schulstart in Coronazeiten

Nicht vergessen!

Ich selbst bin die Meisterin der Angst, dass sich die viel beschworenen Zeitfenster öffnen und schließen und ich – wenn ich sie nicht nutze – meinem Kind nicht die besten Voraussetzungen für ein erfülltes und maximal gebildetes Leben gebe. Aber halten wir kurz inne und blicken auf unser Leben zurück. Was hat uns gebildet? Wo haben wir gelernt? Durch wen? Die Schule ist ein Ort der Bildung, des sozialen Miteinander, des Erlebens, wie Gesellschaft funktioniert. Im Guten wie im Schlechten. Aber lehrt nicht auch der Alltag, was mich zu diesem bestimmten Menschen macht? Wie entstehen eigentlich meine Lieblingsrezepte? Was kostet so ein Einkauf? Wann habe ich das letzte Mal einen Brief an Oma geschrieben, weil ich sie nicht sehen kann? usw.

Es gibt eindeutig Gewinner und auch Verlierer dieser einschneidenden Prüfung namens Corona. Da will ich nichts beschönigen. Aber der Blick auf das Kleine ist ein Anfang.

Was kann ich tun?

Die Schulpolitik können wir nur langsam ändern. Aber es ergibt Sinn, sich Initiativen anzuschließen, die vor allem die Betreuungs- und Schulsituation grundlegend ändern wollen. Genauso wichtig ist es jedoch auch, sich zeitgleich um sich und seinen Familienalltag zu kümmern, um gut durch den Herbst und Winter zu kommen. Wenn ich auf die Monate im Homeoffice mit Homeschooling und Home-Alles zurückschaue, dann habe ich ein paar Dinge sehr deutlich gemerkt:

1. Alles gleichzeitig ist nicht machbar!

Der Mythos des Multitasking wurde ein für alle Mal demaskiert. Ich kann nur eins nach dem anderen erledigen. Das erfordert viel Absprache, Planung und gute Nerven. Denn Arbeit kann man planen, aber wir sind ja Menschen und keine Roboter. Sprechen Sie mit Ihrem Partner und Arbeitgeber über Möglichkeiten der Aufteilung, informieren Sie sich frühzeitig darüber, was machbar ist. Welche Zuschüsse kann ich beantragen? Was kann ich proaktiv meinem Arbeitgeber anbieten? Reden Sie mit den Lehrern, welches Schulpensum zuhause realistisch umsetzbar ist.

2. Wie macht man das allein?

Alleinerziehende sehen sich einer ganz anderen Realität gegenüber. Was Alleinerziehende geleistet haben, ist nicht in Worte zu fassen. Was hilft, ist sich zu verbünden – gibt es eine Nachbarin im Haus, die einen unterstützen kann? Oder eine(n) andere(n) Alleinerziehende(n), mit der/dem man sich zusammentut? Welche Unterstützung ist möglich durch Zuschüsse? Welche Rechte habe ich? Informieren Sie sich, lassen Sie nicht locker! Verbünden Sie sich!

3. Wo & wie tanken Sie Ihre Kraft?

Es ist wichtig, seine Kraftquellen zu kennen. Woher schöpfen Sie Kraft? Aus einem Spaziergang? Lesen? Badewanne? 15 Minuten allein auf dem Balkon? Egal wie es kommen wird, suchen Sie sich ihre Anker und Kraftquellen und versuchen Sie, diese in den Alltag einzubauen. Für mich hat die Natur einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Ob ein ausgedehnter Spaziergang oder auch nur der Genuss, 15 Minuten auf Bäume zu starren – ich schaue, was machbar ist und versuche, es täglich fest mit in den Alltag einzuplanen.

Schulstart in Coronazeiten

4. Mit welchen Menschen verbünden wir uns?

Auch wenn es so sein sollte, dass wir wieder weniger Kontakt haben dürfen – das Frühjahr hat bewiesen, dass man sich auch virtuell und digital mit seiner Community verknüpfen kann. Und das tut gut! Verbinden Sie sich mit positiv denkenden Gleichgesinnten: Sei es in einer WhatsApp-Gruppe, Yogaklasse oder Online-Community, die Sie motiviert! Denn zum Glück ist es unsere Entscheidung, wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Und sagen Sie immer wieder Danke – Ihren Kindern, Ihrem Partner, Ihren Nachbarn, dem tapferen Bäcker an der Ecke. Danke, dass Sie da sind und versucht haben, das Beste aus der Situation zu machen. Sie werden sehen. Danke ist ein geradezu magisches Wort.

5. Sorgen Sie gut für sich!

Wenn es Ihnen gut geht, dann geht es den Kindern auch gut. Gerade in herausfordernden Zeiten ist es wichtig, sich gut zu ernähren, Pausen einzulegen und auf ausreichend Schlaf zu achten. Auch wenn das Fitnessstudio geschlossen bleibt, der 15-minütige Online-Yogakurs zuhause ist zu schaffen. Vielleicht nicht jeden Tag, aber jeden zweiten. Egal, ob der Wäscheberg einen dabei angrinst oder die Spülmaschine ausgeräumt werden will. Und es geht auch nicht um das tägliche ausgewogene Drei-Gänge-Menü – aber man kann sich z.B. mit einem Müsli und frischem Obst einen besseren Start in den Tag schenken.

6. Schaffen Sie Orte der Ruhe – auch auf kleinstem Raum

Wir haben eine große Wohnküche – da findet unser Leben statt. Seit Corona stehen hier drei Tische – der Küchentisch, ein kleiner Schreibtisch für mich und ein kleiner Schultisch für meinen Sohn. Ich weiß, dass das nicht immer machbar ist. Aber versuchen Sie, räumliche Abgrenzungen zu schaffen, damit nicht alles auf einmal an einem Ort passiert. Es tut unglaublich gut, wenn eine Ecke des Zimmers nur für die Schule da ist, während die anderen Familienzeit bedeuten. Auch wenn man nur einen halben Meter weitergeht oder sich einmal dreht.

Seien Sie milde mit sich!

Was wir als Eltern – ganz gleich in welcher Konstellation – geleistet haben und auch weiterhin leisten, ist unglaublich! Manchmal vergessen wir dabei, dass wir nicht allein sind. Wir sind Teil einer weltweiten Pandemie. Die Welt sortiert sich neu und wir versuchen alle unser Bestes, um möglichst ohne große Blessuren durch diese noch nie dagewesene Situation zu navigieren. Das ist wie auf Sicht fahren im dicken Nebel!

Seien Sie gnädig, wenn etwas mal nicht läuft… Z.B. wenn der Medienkonsum Ihres Kindes Ihre persönliche Grenze mit großen Schritten übersteigt. Wenn die Wohnung unordentlicher aussieht, als Sie es sich wünschen. Wenn Sie mal laut werden, obwohl Sie es auch hätten ruhig sagen können. Seien Sie gnädig und milde mit sich selbst – ich bin mir sicher, Sie geben Ihr Bestes. Also, atmen wir alle gemeinsam ein – und wieder aus – und ein und wieder aus. Und setzen einen Fuß vor den nächsten.

Ich wünsche allen einen guten Schulstart! Den Eltern wie den Schülern.

Wie blicken Sie dieses Jahr dem Schulstart entgegen? Begegnen Sie ähnlichen Herausforderungen? Lassen Sie uns doch via Kommentar an Ihren Erfahrungen teilhaben. Vielen Dank!

Über Tanya Neufeldt

Tanya Neufeldt ist Mutter eines zehnjährigen Sohns und lebt in Berlin. Sie schreibt den Blog Lucie Marshall und ist Autorin von mittlerweile vier Büchern. Für ihr letztes Buch „Mütter aus Deutschland“ interviewte sie 30 Mütter in Deutschland mit unterschiedlichstem Background zu deren Perspektiven aufs Muttersein. Das Buch erschien in Kooperation mit Betreut.de. Tanya Neufeldt ist Mitgründerin der Social Moms, einer Onlineplattform zur Vernetzung und Unterstützung von Müttern. In ihrem Podcast „Auf einen Kaffee“ unterhalten sie und Camilla Rando sich mit Gästen zu aktuellen Themen oder machen sich Gedanken über das Leben.



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