Kitastreik: Was denken die Eltern?

Der Streik an den Kindertagesstätten endet. Doch eine Einigung gibt es noch nicht. Nach vier Wochen Streik gehen die ErzieherInnen ab Montag vorerst wieder normal zur Arbeit: Zur großen Erleichterung der Eltern. Trotz überwiegendem Verständnis für die Anliegen der ErzieherInnen fühlten sich viele in den letzten Wochen überfordert. Und obwohl unsere Kita nicht unmittelbar vom Streik betroffen war, kann ich den Ärger gut nachvollziehen.

 

 

Ein greifbares Gegenüber fehlt

Das soll nicht bedeuten, dass ich kein Verständnis für das Anliegen der Erzieher habe. Im Gegenteil. Unbestritten sind die Anforderungen an den Beruf der Erzieherin oder des Erziehers ausgesprochen hoch: die hohe Verantwortung bei der Aufsicht einer kaum zu bändigen Meute, gleichzeitig soll es ja auch pädagogisch wertvoll zugehen. Die Gehälter sind sicherlich nicht zu hoch und der Leistung in den wenigsten Fällen angemessen.

 

In zahlreichen Kundgebungen und Demonstrationen haben die Erzieherinnen ihrem Frust in den vergangenen Wochen Luft gemacht und eine höhere Eingruppierung der bundesweit rund 240.000 Erzieher und Sozialarbeiter gefordert. Die Arbeitgeber, die Kommunen also, halten das dagegen für unbezahlbar. Jetzt sind die Tarifverhandlungen gescheitert: Nach vier Wochen Streik gehen die ErzieherInnen ab Montag aber wieder vorerst normal zur Arbeit. Beide Seiten einigten sich nach stundenlangen, zähen Gesprächen auf eine Schlichtung.

 

Aber: Nicht die Arbeitgeber waren die Leidtragenden diese Streiks. In Wirklichkeit waren und sind es die Eltern, die irgendwie versuchen müssen, mit der Situation klarzukommen. Für manche von Ihnen gar eine existenzbedrohende Situation. Eine Zwillingsmutter aus Dortmund plante gar, eine Sammelklage gegen Ver.di zu organisieren. Fast stündlich erschienen neue Meldungen, die von dem wachsenden Frust der Eltern berichteten.

Was denken die Elternblogger? Ein Stimmungsbild

Ein guter Grund, dachte ich mir, einmal zu schauen, wie die Situation von anderen Eltern-Bloggern diskutiert wird. Mein erster Eindruck ist, dass das Verständnis für die Anliegen der Erzieher auch bei vielen anderen Eltern vorherrscht: So schreibt z.B. Friederike von untermsofa.de:

 

„Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wächst mein Respekt vor ihrer täglichen Arbeit, und ich bin ihnen unfassbar dankbar für die vier Kinderaugen, die mich nach vollendetem Tagewerk beim Abholen aus der Kita stets glücklich anstrahlen.“

 

Allerdings, auch das ist ja eher unumstritten, sind die Kassen der Kommunen ziemlich leer. Die meisten Eltern folgen trotzdem den Erziehern in ihren Forderungen zu 100%. So schreibt smart mama in ihrem Blog:

 

„Verständnis haben wir, na klar. Wir wollen alle, dass sich die Arbeitsbedingungen der Erzieher endlich verbessern und der Beruf aufgewertet wird. Erzieher führen keine minderwertigen Tätigkeiten aus. Erzieher sind Manager.“

 

Und Validom ergänzt:

 

„Obwohl wir also vom Streik betroffen sind, stehe ich voll hinter den Zielen des Streiks. Dass “Arbeit mit Menschen” weniger gut bezahlt wird als “Arbeit mit Gütern” habe ich noch nie verstanden. Und wie sich eine Erzieherin in München mit diesem Gehalt selbst Kinder leisten können soll, kann ich mir kaum vorstellen.“

 

Und Pia von daily-pia.de hält gar ein flammendes Plädoyer für die Belange der Erzieher:

 

„Ich habe in den letzten Tagen viele haarsträubende Diskussionen geführt. Was die Erzieher doch den armen Kindern mit diesem Streik antun würden, habe ich gelesen. Wie es einem immer nur um mehr Kohle gehen könnte, habe ich gehört. (…) Argumente, wie: “Ich hab noch weniger zur Verfügung, die sollen sich mal nicht so anstellen!” machen mich wütend. Wenn niemand mehr den Mut hat, sich aus der Bequemlichkeit der “Is halt so!“-Position zu erheben und für sein Recht auf angemessene Vergütung einzutreten, dann wird sich auch nichts ändern. Für niemanden! Darum bin ich für die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe!“

 

Dennoch, die Hauptlast des Streiks tragen die betroffenen Eltern, für die es immer mehr zur Herausforderung wird, ihre Kinder zu versorgen. Entsprechend lassen sich auch immer mehr genervte Stimmen finden: Wieder Validom:

 

„Das ist so schreiend ungerecht, dass ich hier was tun will! Man stelle sich vor, die Bahn oder die Lufthansa streikt mal wieder und die schon bezahlten Tickets würden bei Reiseverzicht nicht erstattet. Genauso verhält sich das gerade beim KiTa-Streik!“

 

Und der Ärger richtet sich gegen die Kommunen. Andrea von munichs-working-mom.com dazu:

 

„Die Eltern kriegen ihre Kinder nicht betreut und schimpfen jetzt auf die Erzieher.  Aber sie denken zu kurz, denn das ist die falsche Adresse. Vertragspartner ist die Kita bzw. die Stadt, Gemeinde, Kommune. Wenn man jemandem aufs Dach steigen sollte, dann bitte denen. Die sollen eine Erzieherin mal halb so gut bezahlen wie einen ungelernten Bandarbeiter bei VW. Offenbar hat glänzendes Metall eine höhere Priorität.“

 

Und Nicole von kleinerdrei.org fragt sich, warum sie überhaupt weiter Gebühren bezahlen sollte:

 

„Das große Problem mit Kitastreiks, anders als bei, um mal ein völlig aus der Luft gegriffenes Beispiel zu nehmen, Bahnstreiks, ist, dass der Druck, den der Streik machen soll, nicht bei den Arbeitgeber_innen landet, sondern bei den Eltern, und damit verpufft. Irgendjemand muss sich um die Kinder kümmern, wenn die Kita zu ist, und das sind nicht die Arbeitgeber_innen, sondern die Eltern. In der Regel die, let’s be real, schlechter verdienenden oder alleinerziehenden Mütter. Keine Fernsehberichte mit O-Tönen von Streikbetroffenen am Bahnhof im Kinderzimmer, niemand, der_die über die schlimmen Folgen für die Wirtschaft wehklagt. Stattdessen werden die Kitagebühren an die Stadt weiterbezahlt, während die Kommunen den Lohn der Streikenden einsparen.“

 

Aber auch die Erzieher und Erzieherinnen beginnen, Gegenwind zu spüren. So schreibt Frau Rella von 2kindchaos.com in einem offenen Brief an die Erzieher:

 

„Und du hast recht: Dein Streik tut richtig weh – bloß nicht denen, denen er weh tun sollte. Nicht an der Stelle, wo er etwas bewirken könnte. … In erster Linie trifft dein Streik deine Schützlinge, die Kinder, die du betreust – die aus ihrem Rhythmus geworfen werden, die sich vielleicht mit dem langweiligen zu-Hause-Bleiben schwer tun oder, schlimmer noch, die es genießen und schließlich, wenn dein Streik beendet ist, mühsam neu eingewöhnt werden müssen.“

 

Und spricht dann noch einen weiteren Aspekt an:

 

„Einen weiteren Verlierer gibt es: meinen Arbeitgeber. Der zieht bei gleicher Qualifikation nämlich männliche Mitbewerber vor, er sagt, dass Frauen mit kleinen Kindern unzuverlässiger seien, nicht gut eingeplant werden können. Ich kann ihm nicht einmal verübeln, dass er so denkt – mein Arbeitgeber sieht die Arbeit, die ich nicht erledige, weil ich entweder schlagartig gar nicht anwesend bin oder aber ein kreischendes Kleinkind am Hosenbein unterm Schreibtisch hängen habe, das Büroklammern in Mehrfachsteckdosen stopft, sich mit einem Edding tätowiert und die stylischen Glaswände mit einem Mund voll Banane anniest. Und im Nacken sitzt mir die Tatsache, dass mein eigener Vertrag ein Zeitvertrag ist, ich um jede Verlängerung bange und ich die verlorene Zeit irgendwie aufarbeiten muss…“.

Arbeitgeber können unterstützen.

Genau so, wie es Frau Rella in ihrem offenen Brief schreibt, sollte es eben nicht sein: Und viele Personal-Abteilungen sind sich der Situation durchaus bewusst. Sie müssen aber auch wissen, dass die Eltern Hilfe benötigen. In Vorbereitung auf den Streik haben sich beispielsweise viele Unternehmen proaktiv an uns gewendet, um Backup-Kinderbetreuung zur Unterstützung Ihrer Mitarbeiter anzufordern. Denn die Überbrückung der Kinderbetreuungslücke ist eine klare Win-Win-Situation für beide Seiten. Irgendwann wird schließlich auch der Jahresurlaub knapp und die Sommerferien kommen erst noch…

 

Wenn der Arbeitgeber keine Backup-Lösung anbieten kann, könnte es Sinn machen, die Personalabteilung nach anderen Eltern, die die gleiche Herausforderung haben, zu fragen, damit man nach einer gemeinsamen Lösung suchen kann.

 

Wie geht es Euch mit dem Streik? Seid Ihr betroffen? Habt Ihr Verständnis für die Erzieherinnen und Erzieher? Bekommt Ihr Unterstützung durch Euren Arbeitgeber?

 

 





Kommentare
  1. Kitastreik: Was denken die Eltern?
    Steffi | Donnerstag,Juni 04.2015

    Ich finde es richtig daß gestreikt wird. Ihr Eltern verdient wahrscheinlich genug Geld. In der Zeit wo euere Kinder gut betreut werden. Und die Erzieherin wollen sich bester leben nach der schweren Arbeit. Manche denken nur an sich.

  2. Kitastreik: Was denken die Eltern?
    Daniela | Montag,Juni 08.2015

    Bin selbst Heilerzieherin in einer Kita und habe meine persönliche Antwort an den Brief von Frau Rella an die Erzieher auf meinem Blog veröffentlicht.Vielleicht ist für den ein oder anderen ja auch mal die andere Seite interessant…https://soschoenunperfekt.wordpress.com/2015/05/08/mein-statement-zum-offenen-brief-an-die-erzieherin-von-frau-rella/

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