Tod und Trauer sind für viele Erwachsene noch immer Tabuthemen, die Ängste und Unsicherheiten auslösen. Oft sind wir selbst betroffen und mit unserer eigenen Trauer belastet. Mit trauernden Kindern umzugehen und sie hilfreich zu begleiten fällt uns deshalb häufig besonders schwer. Beschützen können wir Kinder nicht vor Tod und Trauer – denn sie gehören zum Leben.
Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir Kindern von Anfang an die Chance geben, sich mit den vielfältigen Verlusten des Lebens auseinanderzusetzen. So können sie lernen individuelle Bewältigungsstrategien zu entwickeln um mit Abschieden und Lebensveränderungen umzugehen. Neben Verlusten wie z.B. dem verlorenen Spielzeug, dem Abschied von der Tagesmutter oder Kita, dem Umzug, dem Tod eines Haustieres, der Trennung der Eltern oder einer schweren Erkrankung in der Familie, gehört auch der Tod eines nahestehenden Menschen dazu.
Rituale im Alltag helfen
Der Tod im nahen Umfeld ist für Kinder jeden Alters ein emotional spürbares und auch im Alltag oft folgenschweres Ereignis. Wir müssen sie daher mit ihren individuellen Bedürfnissen sensibel wahr- und ernstnehmen. Kinder können auf vielfältige Weise körperlich, seelisch und mit Reaktionen im Verhalten auf den Tod eines Menschen reagieren. (z. B. Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Weinen, Wut, Albernheit, Unsicherheit…). Sie brauchen gerade dann viel Zuwendung und Zuneigung, um mit dem Verlust und der neuen Lebenssituation zurecht zu kommen. Hilfreich ist es, wenn nach dem Tod eines nahestehenden Menschen Alltagsstrukturen, z. B. bei der täglichen Versorgung und Rituale wie das „zu Bett bringen“, sowie feste Bezugspersonen möglichst erhalten bleiben.Offen mit Trauer und Tod umgehen
Kinder benötigen Verständnis und immer wieder neu, ihrer Entwicklung entsprechende, sachliche und klare Informationen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer. Wir können kindgerecht erklären was passiert ist und was als Nächstes kommen wird, damit beängstigende Fantasien nicht zusätzlich und unnötig belasten. Wenn wir versuchen Kinder zu schonen, den Tod oder die Todesumstände geheim halten, werden Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt. Sie werden unsicher, beziehen unser Verhalten auf sich und verlieren ihr Vertrauen zu uns. Wir sollten Kindern ehrlich gegenübertreten, auch wenn wir nicht auf alle Fragen im Zusammenhang mit Sterben, Tod und Trauer eine Antwort geben können. Zeigen Sie eigene Trauer und erklären Sie, dass schwere Gefühle und Gedanken kommen und auch wieder gehen werden. Kinder quälen sich häufig mit Gedanken von Schuld. „Hätte ich die Mama nicht geärgert, wäre sie nicht gestorben.“ Kinder brauchen deshalb unsere Bestätigung, dass sie keine Schuld am Tod tragen.Aktiv Abschied nehmen
Auch Kinder sollten die Möglichkeit bekommen, sich vom Verstorbenen zu verabschieden (noch etwas sagen, mitgeben, berühren, an der Trauerfeier teilnehmen) und den Abschied aktiv mitzugestalten. Altersentsprechende kreative Angebote (wie z.B. zum Thema malen, schreiben, basteln, gemeinsam ein Buch lesen) können entlastend wirken. Sie helfen Gefühle und Gedanken auszudrücken. Zudem unterstützen Bewegung oder gemeinsame Rituale in der Familie (an der Trauerfeier teilnehmen und beteiligen, Besuch am Grab oder Unfallort, Kerze für den Verstorbenen anzünden, besondere Tage gemeinsam gestalten) den Trauerprozess des Kindes hilfreich.Erinnerungen an den Verstorbenen aufrechterhalten
Erinnern Sie sich ruhig gemeinsam mit Ihrem Kind an den Verstorbenen, denn er oder sie darf weiterhin einen Platz im Leben des Kindes einnehmen. Eine positiv empfundene Verbundenheit mit dem Verstorbenen stärkt und tröstet Kinder wie Erwachsene. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind auch im Nachhinein noch etwas über den Verstorbenen erfährt und Gegenstände bekommt, die es an den Verstorbenen erinnern. Kindertrauer hat viele unterschiedliche Gesichter, eignen Sie sich darum Wissen zu kindlichen Trauerprozessen und Reaktionen an (Literatur, Internet, Beratung bei einem Trauerbegleiter oder Psychologen). Das wird Sie sicherer machen und Ihnen helfen, Ihr Kind zu verstehen und es bestmöglich zu unterstützen. Kinder können mit traurigen Wahrheiten umgehen. Es kommt ganz einfach darauf an, dass wir ihnen ehrlich, dauerhaft und liebevoll zur Seite zu stehen.
Tipps zum Umgang mit trauernden Kindern. Was Sie tun können, um Ihr Kind zu unterstützen:
- Sorgen Sie gut für sich selbst (Gesundheit, Bedürfnisse, Kontakt, Ausdruck von Gefühlen, Ressourcen aktivieren, Unterstützung in Anspruch nehmen, zukunftsorientierte Perspektiven entwickeln).
- Informieren Sie Ihr Kind, der Entwicklung angemessen, über Tod, Trauer sowie bevorstehende Veränderungen.
- Wählen Sie eine klare und wertfreie Sprache und antworten Sie ehrlich auf Fragen.
- Geben Sie Ihrem Kind Möglichkeiten, Abschied zu nehmen und diesen aktiv mitzugestalten.
- Ihr Kind sollte Fragen stellen dürfen, damit unnötige Ängste genommen und bei der Auseinandersetzung mit begründeten Ängsten geholfen werden kann (z. B. ob der Opa an der Krankheit sterben muss oder der Krebs von Jonas Vater ansteckend ist).
- Zwingen Sie Ihr Kind nicht zu etwas: Angebote müssen Angebote bleiben.
- Versichern Sie Ihrem Kind, dass es keine Schuld am Tod hat.
- Sorgen Sie dafür, dass das soziale Umfeld (Kita/Schule/Freunde) informiert ist.
- Geben Sie Raum und Zeit für den Ausdruck von Gefühlen, Sorgen, Bedürfnissen und Gedanken.
- Lernen Sie den Kummer, das Leid und den Schmerz Ihres Kindes auszuhalten – nicht hinwegzutrösten.
- Machen Sie Ihrem Kind bewusst, was trotz des Verlusts erhalten geblieben ist.
- Achten Sie darauf, dass das Kind keine Rolle oder Verantwortung übernimmt, die ihm nicht entspricht.
- Sorgen Sie dafür, dass verlässliche, belastbare Bezugspersonen für das Kind da sind.
- Erhalten Sie so viel Struktur, Stabilität und Kontinuität wie möglich im Alltag.
- Erinnern Sie sich gemeinsam und ermöglichen Sie eine tröstliche Verbindung zum Verstorbenen.
- Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, sich immer wieder neu und den Fähigkeiten entsprechend mit dem Verlust auseinanderzusetzen.
- Ermutigen Sie Ihr Kind Dinge zu tun, die Freude machen, die Kontakt, Kreativität, Bewegung und Entspannung fördern. Sie dürfen hier Vorbild sein! 😊 Das überzeugt!
- Erlauben Sie Ihrem Kind, mit schmerzhaften Gefühlen und beängstigen Gedanken umzugehen.
- Geben Sie Ihrem Kind Zeit, Raum und Unterstützung, um für sich hilfreiche Strategien entwickeln zu können.
Über Stephanie Witt-Loers
Stephanie Witt-Loers, 1964, verheiratet, drei Kinder, ist Trauerbegleiterin (BVT e.V), Kinder- und Familientrauerbegleiterin (BVT e. V.), Autorin, Dozentin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihre zahlreichen Fachbücher zum Themenkomplex sind inzwischen wegweisend für Betroffene und Experten. Sie ist seit 2005 in der Hospizarbeit und seit 2008 Leiterin von Kindertrauergruppen sowie Trauerbegleiterin im Auftrag verschiedener Jugendämter und Kinderheime. Sie leitet das Institut Dellanima in Bergisch Gladbach, ist Initiatorin und Leiterin des DRK Projekts „Leben mit dem Tod“ bietet Fortbildungen, hält Vorträge, berät und begleitet Schulen und Kitas in akuten Krisenfällen oder präventiv. In ihrer Praxis bietet sie Einzel- und Gruppentrauerbegleitung für Menschen jeden Alters an.