Kein Elternteil mag sich ausmalen, wie es ist, wenn sich eines seiner Kinder schlimm vergiftet. Dennoch passieren diese Unfälle leider sehr häufig – vor allem in Privathaushalten. Folglich ist es für alle Eltern wichtig, sich mit dem Thema Vergiftung auseinanderzusetzen und mögliche Gefahrenquellen aus dem Weg zu räumen, um so Schlimmeres zu vermeiden. Notfallsanitäterin und Erste-Hilfe-Ausbilderin Larissa Meier kennt sich bestens mit dem Thema aus und gibt auch Hinweise zur Unfallprävention. Im folgenden Beitrag erhalten Eltern wertvolle Tipps, wie sie Vergiftungen vorbeugen können und was im Notfall zu tun ist. Wir finden diesen Einblick essenziell und hoffentlich hilfreich für viele Eltern(paare).
Wenn Kinder mobil werden und beginnen, ihre Umwelt zu entdecken, stoßen sie zwangsläufig auch auf potenziell gefährliche oder gar giftige Alltagsgegenstände. Präventiv können Eltern bereits im Vorfeld tätig werden und Giftiges kindersicher aufbewahren. Doch worauf müssen Eltern achten und wie im Fall der Fälle reagieren?
Hier herrscht oftmals große Verunsicherung, hat sich doch in den letzten Jahren Einiges in der Ersten Hilfe getan. So viel schon mal vorweg: Vieles wurde im Sinne der Ersthelfer vereinfacht! Hier sind zehn Hinweise zur Vorbeugung von Vergiftungen:
Tipp 1: Lagern Sie Haushaltschemikalien sicher
Vergiftungen mit Haushaltschemikalien sind unangefochten auf Platz Eins der kindlichen Vergiftungen. Die schönen bunten Flaschen laden geradezu dazu ein, sie näher zu erkunden. Oftmals weiß man selbst nicht so genau, womit man da eigentlich putzt. Es lohnt sich einerseits zu überlegen, ob diese Chemikalien wirklich notwendig sind. Bedenken Sie, dass Ihr Kind sich viel am Boden aufhält und so beispielsweise auch Putzmittelreste vom letzten Bodenwischen aufnehmen kann. Andererseits müssen die vorhandenen Chemikalien so gelagert werden, dass sie nicht in Kinderhände gelangen können. Magnetische Türschlösser sind hier eine gute Wahl, da andere Sicherungen von vielen Kindern bereits nach kurzem Ausprobieren eigenständig geöffnet werden können.
Tipp 2: Nutzen Sie nur Originalgefäße mit Sicherheitsverschluss
Füllen Sie Chemikalien, auch in Ihrem eigenen Interesse, niemals in Getränkeflaschen um. Schnell kann es hier zu Vergiftungen kommen, wenn die Flüssigkeit versehentlich getrunken wird. Getränkeflaschen haben zudem keine Sicherheitsverschlüsse wie viele Haushaltschemikalien. Achten Sie daher schon beim Kauf auf kindersichere Verpackungen und belassen Sie die Mittel in den Originalgefäßen.
Tipp 3: Achten Sie beim Kauf auf den Zusatz Bitrex®
Bitrex® ist der bitterste bekannte Stoff. Er wird einigen Putzmitteln sowie Auto- und Gartenprodukten zugefügt. Bitrex® ist völlig harmlos, aber so bitter, dass eine mit diesem Stoff versetzte Substanz sofort wieder ausgespuckt und nicht geschluckt wird. Insbesondere Babys und Kleinkinder reagieren übrigens noch empfindlicher als Erwachsene auf bitteren Geschmack. Ein kluger Schachzug der Evolution als Schutz vor gefährlichen Stoffen! So wird eine wesentlich geringere Menge des Giftes aufgenommen, was in der Regel zu weniger gravierenden Vergiftungserscheinungen führt. Denn die Dosis macht ja bekanntlich das Gift.
Tipp 4: Schauen Sie auch in Garage, Keller & Gartenhäuschen
Nicht nur im Haus, sondern auch in der Garage, im Keller oder im Gartenhäuschen lagern oftmals schon längst vergessene Chemikalien. Auch hier lohnt sich großzügiges Aussortieren, eine fachgerechte Entsorgung und anschließende kindersichere Lagerung der benötigten Chemikalien, wie Frostschutzmittel oder Dünger. Aus Sicherheitsgründen dürfen jedoch nicht alle Chemikalien zusammen gelagert werden. Achten Sie dazu am besten auf die Lagerungshinweise des Herstellers und sichern Sie die Schränke gut ab.
Tipp 5: Investitieren Sie in einen Medikamentenschrank
Ein Medikamentenschrank lohnt sich für Kinder jeden Alters! Medikamente sehen für kleine Kinder wie leckere Bonbons aus, die man unbedingt probieren muss. Ältere Kinder können Medikamente bewusst und missbräuchlich einnehmen – sei es als Mutprobe oder weil sie psychische Probleme haben. Investieren Sie daher in einen verschließbaren Medikamentenschrank, so dass die Kinder niemals selbstständig an Medikamente kommen!
Tipp 6: Achten Sie im Medikamentenschrank auf Ordnung
Medikamente sollten immer in der Originalverpackung und am besten mit dem Namen des vorgesehenen Empfängers beschriftet gelagert werden, damit es nicht zu versehentlichen Verwechslungen – zum Beispiel zwischen der Erwachsenen- und Kindermedikation – kommt. Achten Sie auch darauf, Medikamente für Ihre Haustiere separat innerhalb des Medikamentenschranks zu lagern.
Tipp 7: Beziehen Sie die Großeltern mit ein
Oftmals nehmen die Großeltern Ihrer Kinder viele Tabletten ein, die in praktischen Boxen bereits für mehrere Tage vorbereitet sind. Diese Boxen sind für Kinder sowohl als Rassel als auch als Erforschungsobjekt sehr beliebt. Dabei können jedoch leicht Tabletten herausfallen und von Ihrem Kind aufgenommen werden. Sprechen Sie mit den Großeltern darüber, wo die bereits gefüllten Boxen kindersicher gelagert werden können.
Tipp 8: Gestalten Sie den Garten essbar
Insbesondere Pflanzen mit Beeren oder auffälligen Blüten regen Kinder dazu an, diese in den Mund zu nehmen. Im eigenen Garten bietet es sich daher an, möglichst auf giftige Pflanzen zu verzichten und lieber einen “Naschgarten” anzulegen. Stark giftige und in deutschen Gärten sehr beliebte Pflanzen sind u.a. Fingerhut, Herbstzeitlose, Kirschlorbeer, Maiglöckchen, Thuja (Lebensbaum), Schneeball und Tollkirsche. Diese sollten nicht in einem kindersicheren Garten angepflanzt werden. Auch bei Zimmerpflanzen sollten sie darauf achten, keine giftigen Pflanzen zu kaufen. Davon profitieren auch Ihre Haustiere – oftmals sind Zimmerpflanzen nämlich auch für diese giftig.
Tipp 9: Lassen Sie Zigaretten & Alkohol niemals offen liegen
Gerade Kleinkinder und Babys stecken wirklich alles in den Mund. Sind Zigaretten schon für uns Erwachsene gesundheitsschädlich, so ist diese Gefahr für Kinder natürlich noch mal wesentlich höher. Bereits mehr als eine halbe Zigarette ist für Vergiftungserscheinungen ausreichend. Rauchen Sie am besten nicht in der Wohnung, entsorgen Sie Zigarettenkippen nach dem Erkalten direkt draußen und lagern Sie Zigaretten gut verschlossen im Haus. Alkohol wiederum ist für Jugendliche interessant. Sorgen Sie dafür, dass sie nicht unbeaufsichtigt an diesen – insbesondere an hochprozentige Sachen – herankommen. In einem verschlossenen Schrank können Sie direkt beides, Alkohol und Zigaretten, lagern.
Tipp 10: Vermeiden Sie nach Essen riechendes Duschgel
Duschgele oder Haarshampoos mit gut riechenden oder sogar schmeckenden Inhaltsstoffen sind ebenfalls attraktiv für Kinder. Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt ins Badezimmer können. Kinder sind sehr kreativ, um an interessante Gegenstände zu gelangen. Selbst Gegenstände, die vermeintlich außer Reichweite sind, sind nicht vor Kinderhänden sicher. Ihr Kind wird einen Weg finden, an die aus seiner Sicht interessanten Gegenstände zu gelangen. Wenn möglich, stellen Sie die Türklinke zum Badezimmer hochkant, solange Ihre Kinder zu klein sind, um zu verstehen, dass das Duschgel zwar lecker riecht, aber nicht gut bekömmlich ist.
Wichtig: Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen ist es dennoch wichtig, Ihre Kinder frühzeitig und kindgerecht auf mögliche Gefahrenquellen hinzuweisen und so zusätzlich zu schützen!
Was tun, wenn es doch zu einer Vergiftung gekommen ist?
Wenn Ihr Kind etwas potenziell Giftiges aufgenommen hat, gilt es zunächst, Ruhe zu bewahren. Oberste Priorität hat die schnellstmögliche Entfernung bzw. Verdünnung des Giftes. Achten Sie auch unbedingt darauf, nicht selbst zusätzlich in Kontakt mit dem Gift zu gelangen. Die Giftinformationszentrale gibt Auskunft darüber, wie weiterzuverfahren ist, und der Rettungsdienst hilft bei Vergiftungssymptomen!
Erbrechen & Milch sind nicht mehr Mittel der Wahl!
Bringen Sie Ihr Kind nicht zum Erbrechen. Dies sorgt für mehr Schaden als Nutzen und ist daher keine gute Wahl. Die Speiseröhre wird erneut kontaminiert und die Reduktion der Giftaufnahme ist meist derart gering, dass dies in keinem Verhältnis steht. Auch ein vermeintlicher Lerneffekt durch das provozierte Erbrechen wird nicht eintreten, vielmehr schadet es der Beziehung zu Ihrem Kind.
Über den Mund aufgenommene Gifte können mit Wasser verdünnt werden. Geben Sie Ihrem Kind dazu ca. ein halbes Glas Wasser oder Tee zu trinken. Entfernen Sie vorher ggf. vorhandene Reste aus dem Mund. Eine Ausnahme dazu sind Vergiftungen mit Säuren, Laugen oder Fluoriden. Hier kann nach Rücksprache mit der Giftnotrufzentrale Milch gegeben werden.
Erbricht sich Ihr Kind von selbst, unterstützen sie es durch einen aufrechten Sitz und stützen sie gegebenenfalls den Kopf. Wenn Sitzen nicht möglich ist, drehen sie den Kopf im Liegen zur Seite. Bei Bewusstlosigkeit wenden Sie die stabile Seitenlage an!
Rettungsdienst bei Vergiftungserscheinungen
Zeigt Ihr Kind Vergiftungserscheinungen – wie Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, Pupillen- , Herzrhythmus- oder Darmstörungen, zögern Sie nicht, den Rettungsdienst über die Notrufnummer 112 zu alarmieren. Dies gilt selbstverständlich auch für Bewusstlosigkeit und Kreislaufstillstand. Legen Sie ihr bewusstloses Kind in die stabile Seitenlage. Bei einem Kreislaufstillstand beginnen Sie mit Wiederbelebungsmaßnahmen.
Gifte von der Haut & aus den Augen schnellstmöglich entfernen
Schädigende Substanzen auf der Haut sollten schnellstmöglich unter fließendem Wasser entfernt werden, indem die Substanz vom Körper weg abgespült wird. Entfernen Sie zuvor die Kleidung an der entsprechenden Stelle. Tragen Sie selbst möglichst Handschuhe. Bei Augenkontakt spülen Sie das betroffene Auge sofort für 10 Minuten unter fließendem Wasser. Achten Sie darauf, von der Nase weg zu spülen, so dass das Gift nicht in das andere Augen gelangen kann.
Einatmung giftiger Stoffe
Nach einer Einatmung schädlicher Stoffe sorgen Sie für Frischluftzufuhr und bringen Sie Ihr Kind ins Freie. Achten Sie darauf, sich nicht selbst den giftigen Dämpfen auszusetzen. Vergessen Sie auch nicht, das entsprechende Gift zu sichern, so dass der Arzt oder Rettungsdienst sehen können, um welches Gift es sich handelt.
Bei Unsicherheit Giftinformationszentrale anrufen
Die Giftinformationszentrale gibt Ihnen im Falle einer Vergiftung Auskunft darüber, ob der Stoff in der vermutlich aufgenommenen Menge gefährlich oder harmlos für Ihr Kind ist, welche Maßnahmen Sie selbst bereits durchführen können und ob Ihr Kind ärztlich untersucht werden muss. Ca. 90% aller Vergiftungen können so als unbedenklich eingestuft werden.
Dies sind die aktuellen Nummern der Giftinformationszentralen der einzelnen Bundesländer:
Berlin & Brandenburg: (030) 19240
Nordrhein-Westfalen: (0228) 19240
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen: (0361) 730 730
Baden-Württemberg: (0761) 19240
Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein: (0551) 19240
Saarland: (06841) 19240
Rheinland-Pfalz, Hessen: (06131) 19240
Bayern: (089) 19240
Speichern Sie sich am besten die Giftinformationszentrale Ihres Bundeslandes in Ihrem Handy ab!
Haben Sie schon Erfahrungen mit Vergiftungen bei Kindern gehabt? Wir hoffen, es ging glimpflich aus. Lassen Sie uns doch via Kommentar an Ihren Erfahrungen teilhaben. Vielen Dank!
Über Larissa Meier
Larissa ist Notfallsanitäterin und Erste-Hilfe-Ausbilderin. Außerdem studiert sie Lehramt für Realschulen. Sie ist Mutter eines 1-jährigen Sohnes und lebt bei Hannover. Auf ihrem Instagramkanal erstehilfekind und in ihrem Blog gibt sie regelmäßig Tipps zur Ersten Hilfe am Kind sowie zur Prävention von Unfällen.