Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Heiner Fischer

Heiner rückte mit der Kündigung seines alten Jobs die Bedürfnisse seiner Familie wieder in den Mittelpunkt. Im Moment steckt er in einer 2,5-jährigen Elternzeit, um seine Kinder zu begleiten. Er gibt Seminare, in denen er Väter ermutigt, sich selber nicht zu wichtig zu nehmen und genügsamer zu sein.

Wie sieht dein Berufsleben aus – Vollzeit, Teilzeit, Auszeit? Arbeitest du im Home-Office? Selbstständig oder angestellt?

Im Moment befinde ich mich in Elternzeit bis September 2021 und baue mein Beratungsangebot für Väter weiter aus. Zusammen mit den gesetzlichen Krankenkassen biete ich Seminare für Väter an, die ihre Arbeitszeit reduzieren und mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen wollen. Drüben auf meinem Blog schreibe ich über Veränderungen durch die Vaterrolle, Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Vätersicht und Gesund Vater sein. Wenn ich nicht in Elternzeit bin, arbeite ich in Teilzeit als Sozialarbeiter in einem Krankenhaus.

Haben du und dein(e) Partner*in (oder Ex-Partner*in) eine bestimmte Routine, mit der ihr eure Woche organisiert? Wenn ja, wie sieht sie aus bzw. wer ist für was wann zuständig?

Den Mental Load teilen wir uns gemeinsam. Bedeutet aber auch, dass wir viel miteinander kommunizieren müssen. Das macht den Alltag um vieles leichter erfordert aber auch viel Organisation. Der Tag ist routiniert durchgetaktet, hat aber viel Freiraum für Spontanität. Egal ob Turnen, Spielplatz, Foodsharing oder U-Termine; alles landet in unserem geteilten Online-Kalender. Dabei ist es egal, wer von uns beiden zuständig ist, wir besprechen alles am Abend und planen den nächsten Tag. Das klappt außer ein paar Ausnahmen, sehr gut. So bleibt ausreichend Zeit für Paarbeziehung.

Wie regelt ihr die Kinderbetreuung?

Beide Kinder werden von uns betreut. Die Große kommt in diesem Sommer in den Kindergarten und der Kleine ist erst 10 Monate alt. Nach unserer Elternzeitreise haben wir entschieden, dass ich meine Elternzeit auf 2,5 Jahre verlängere, um die Kinder zu begleiten. Aufgrund der Teilzeitarbeit von meiner Frau und mir war es bisher auch schon möglich, dass wir unsere Kinder zu Hause betreut haben. Morgens hat Corinna die Kinder bis 12 Uhr begleitet und anschließend ich. Wir arbeiten beide im selben Krankenhaus, das sich nur 5 Minuten zu Fuß entfernt von unserer Wohnung befindet.

Gibt es bestimmte „Kinderzeiten“ – also Zeiten, in denen es dir besonders wichtig ist, mit deinen Kindern Zeit zu verbringen?

Jede Minute, die ich mit Kindern verbringe! Denn mit der Kündigung des alten Jobs habe ich die Familienbedürfnisse wieder in den Mittelpunkt gesetzt. Alles andere baut sich drum herum. Die Arbeit muss zu unserem Modell passen und natürlich alles andere auch. Daher ist uns jede Zeit mit unseren Kindern wichtig und soll Qualitätszeit sein. Oft werden wir gefragt, ob wir uns das „leisten können“. Es geht uns allerdings viel mehr um die Frage, ob wir uns das leisten wollen! Und die Antwort ist „ja, auf jeden Fall“! Niemand gibt uns die Zeit zurück, die wir nicht mit unseren Kindern verbracht haben und stattdessen Konzepte für Kunden schrieben.

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„Glaubenssätze wie 'Ich muss Geld verdienen, um meiner Familie etwas zu bieten' erzeugen Stress und körperliche Beschwerden. Besser früher Feierabend machen und mehr Zeit mit der Familie verbringen.“

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Gab es Situationen, in denen du dich bei der Arbeit für dein Kind positionieren oder als Mutter/Vater Stellung beziehen musstest? Wie hast du reagiert? Würdest du heute anders reagieren?

In meinem neuen Job bisher noch nicht. Da finden die Kolleginnen und Kollegen unser Modell toll und unterstützen mich dabei. In meinem alten Job war genau das Gegenteil der Fall. Mein Chef hatte mich bestärkt, zwei Monate Elternzeit zu nehmen, so wie er es getan hatte. Als ich dann sieben Monate Elternzeit angemeldet hatte, wurde ich mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Da ich nicht in Teilzeit zurückkehren konnte, habe ich noch in der Elternzeit gekündigt. Die Anmeldung der Elternzeit beim zweiten Kind war in meinem jetzigen Job nur eine Formalität. Alle haben sofort zugestimmt und schnell war eine Vertretung gefunden. Dass ich meine Elternzeit dann noch auf 2,5 Jahre verlängert hatte, hat mir niemand übelgenommen. Ganz im Gegenteil, alle aus meinem Team haben sich für uns gefreut. Auch bei Verteilung der Spätdienste oder Vertretungen werde ich familienfreundlich eingeteilt.

Wenn du mehr freie Zeit hättest, wofür würdest du sie nutzen?

Ganz ehrlich? Ich würde mehr für mich machen. Die meiste Zeit des Tages verbringe ich mit meinen Kindern und meiner Frau. Die individuelle freie Zeit bleibt bei unserem Familienmodell stark auf der Strecke. Promovieren würde ich gerne und langfristig an einer Hochschule lehren. Leider musste ich die Segelfliegerei an den Nagel hängen, denn Zeit und Geld sind für dieses wunderschöne Hobby nicht mehr drin. Nebenbei arbeite ich als Trainer für Stressprävention und gebe Väter-Seminare. Das habe ich bis vor ein paar Jahren schon gemacht und finde darin eine innere Zufriedenheit.

Zum Thema Beziehung: Was ist das Wichtigste, um gemeinsam glücklich zu bleiben?

Aus meiner Erfahrung sind Kommunikation, Wertschätzung und Vertrauen die wichtigsten Säulen einer Beziehung. Wie beschrieben bin ich ein ebenso aktiver Teil der Partnerschaft und der Familie, wie meine Frau. Wir teilen uns den Mental Load, was uns eng zusammenschweißt. Gleichzeitig reden wir über alles und beziehen uns gegenseitig in Entscheidungen ein.

Hast du besondere Tipps oder Anregungen für andere Eltern, wie man der Doppelbelastung kleine Kinder und Beruf Herr wird? Gibt es konkrete Beispiele für Maßnahmen oder Entscheidungen, die du für dich ergriffen bzw. getroffen hast, um dieser Situation zu begegnen?

In meinen Seminaren ermutige ich Väter, sich selber nicht zu wichtig zu nehmen und genügsamer zu sein. Die eigenen Glaubenssätze wie „Ich muss Geld verdienen, um meiner Familie etwas zu bieten“ erzeugen Stress und körperliche Beschwerden. Besser früher Feierabend machen und mehr Zeit mit der Familie verbringen. Grundsätzlich sollten Väter einen inneren Plan haben, wie sie sich ihr Leben vorstellen. In Krisen oder schwierigen Situationen kann man sich den noch mal hervorholen und den Kurs korrigieren. Das erfordert natürlich Mut und Zuversicht. Mir haben immer die Gespräche mit meiner Frau geholfen, zuversichtlich nach vorne zu schauen und den Mut für Veränderungen zu haben. Ich bereue keine der Entscheidungen.

Vielen Dank für das Interview, Heiner!



Über Heiner Fischer:

Heiner wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Krefeld. Wenn er nicht in Elternzeit ist, arbeitet er in Teilzeit als Sozialarbeiter in einem Krankenhaus. Auf seinem Blog Vaterwelten schreibt er über Themen wie Elternzeit, das Familienbett und Camping mit Stoffwindeln. Er möchte Väter ermutigen, sich für eine aktive und präsente Vaterschaft zu entscheiden.

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