Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Stephanie Poggemöller

Beruf und Familie

Kinder zu haben bedeutet für Stephanie nicht automatisch, dass Frau sich hauptsächlich um Carework kümmert und nebenbei noch ein bisschen arbeiten geht. Vielmehr empfiehlt sie, als Paar zusammen einen Weg zu finden, der sich für beide Partner gut anfühlt. Für berufstätige Eltern hat sie zahlreiche Tipps zum Thema Vereinbarkeit.

 

Wie sieht dein Berufsleben aus – Vollzeit, Teilzeit, Auszeit? Arbeitest du im Home-Office? Selbstständig oder angestellt?

Ich arbeite selbständig als Coach und Beraterin für die Themen: Vereinbarkeit, Wiedereinstieg, berufliche Neuorientierung und Selbstfürsorge. Dadurch habe ich hinsichtlich der Terminplanung meines Tages weitestgehend Gestaltungsfreiheit. Gleichzeitig ist es mir natürlich wichtig, meinen Klienten auch die Termine zu ermöglichen, die ihnen aufgrund ihrer beruflichen und familiären Situation möglich sind. Denn schließlich soll auch persönliche Weiterentwicklung vereinbar sein. Deswegen kommt es regelmäßig vor, dass ich am Wochenende oder am Abend arbeite, wenn die Kids im Bett sind. Um dabei leistungsfähig zu bleiben, achte ich darauf, mir selber auch regelmäßig Gutes zu tun. Ich treibe Sport, nehme mir zwischendurch immer wieder kleine Auszeiten und mache täglich einen Spaziergang an der frischen Luft. Den räume ich mir meist in der Mittagspause ein oder bevor die Kinder nach Hause kommen.  

Haben du und dein(e) Partner*in (oder Ex-Partner*in) eine bestimmte Routine, mit der ihr eure Woche organisiert? Wenn ja, wie sieht sie aus bzw. wer ist für was wann zuständig?

Da wir beide selbstständig arbeiten, sieht jede Woche bei uns anders aus. Deswegen haben wir haben keine festen Hol- und Bringtage, wie ich es von anderen Familien kenne, sondern planen jede Woche ganz neu. Alle Termine, die zu erledigen sind, werden in unserem digitalen Kalender – auf den wir beide zugreifen können – eingetragen. Zum Ende der Woche oder am Wochenende setzen wir uns zusammen und besprechen gemeinsam die kommende Woche durch. Manch einer fragt sich jetzt vielleicht, warum noch die Durchsprache, wenn es doch den gemeinsamen Kalender gibt? Die Antwort ist ganz einfach: Weil Kommunikation das A und O in Sachen Vereinbarkeit ist und oftmals wichtige Infos auf der Strecke bleiben, wenn nur ein Termin im Kalender steht. Sind wir beide zu Hause bereite ich morgens die Brotzeitboxen vor. In der Zeit kümmert sich mein Mann darum, das jüngste Kind anzuziehen. Das ältere Kind bekommt das mittlerweile alleine hin. Zur Schule und zum Kindergarten bringen wir abwechselnd. Notwendige Arztbesuche teilen wir uns gleichermaßen auf, genauso wie Haushaltstätigkeiten. Beim Kochen wechseln wir uns an den Wochenenden ab. Das ist sehr schön, weil sich so jeder nur alle zwei Wochenenden Gedanken um die Frage machen muss, was es zu essen gibt. Wir haben diese Verteilung initial mit der Geburt unseres ersten Kindes festgelegt und über die Jahre hat sie sich dann mit unseren Bedürfnissen und Anforderungen verändert. Denn durch die Kinder oder den Job ergeben sich in regelmäßigen Abständen neue Rahmenbedingungen (z.B. bei Kindergarten- oder Schuleintritt) auf die als Familie reagiert werden muss.  

Wie regelt ihr die Kinderbetreuung?

Unsere Kinder gehen in den Kindergarten bzw. in die Schule und in die anschließende Nachmittagsbetreuung. Beim Bringen wechseln wir uns ab. Das Holen übernehme ich viermal in der Woche. Einmal in der Woche habe ich meinen „langen Arbeitstag“, da kümmert sich dann mein Mann am Nachmittag um die Kinder.  

Gibt es bestimmte „Kinderzeiten“ – also Zeiten, in denen es dir besonders wichtig ist, mit deinen Kindern Zeit zu verbringen?

Die gemeinsamen Nachmittage genieße ich sehr. Vor allem im Sommer, wenn sich alles draußen abspielt und wir manchmal von der Schule nach Hause mehrere Stunden brauchen, weil wir noch in den See hüpfen und danach gemütlich ein Eis essen. Auch der Abend ist mir wichtig, weil wir da als Familie eine Mahlzeit am Tag zusammen haben – für uns eine sehr schöne Form des gemeinsamen Miteinanders und Austausches.  

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"Nur wenn wir selber genug Energie haben, können wir diese auch im Job und in der Familie zur Verfügung stellen. "

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Gab es Situationen, in denen du dich bei der Arbeit für dein Kind positionieren oder als Mutter/Vater Stellung beziehen musstest? Wie hast du reagiert? Würdest du heute anders reagieren?

Ehrlich gesagt nein, das ist mir in meiner bisherigen Berufslaufbahn noch nicht passiert. Es war immer ein Geben und Nehmen. Ich hatte in Krankheitsfällen der Kinder die Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten. Dafür habe ich dann auch mal eine Extraschicht eingelegt, wenn es aufgrund von Deadlines und akuten Projekten notwendig war. Sehr selten gab es mal Sprüche wie: „Ach, Du hast es gut, Du kannst jetzt nach Hause gehen und in der Sonne sitzen.“ Darauf habe ich dann meist erwidert, dass ja jeder Mitarbeiter ab einer Unternehmensgröße von mehr als 15 Mitarbeitern die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Teilzeit zu stellen und sich den Nachmittag nach seinen Interessen und Prioritäten zu gestalten.“ Damit war das Thema dann meist recht schnell vom Tisch.  

Wenn du mehr freie Zeit hättest, wofür würdest du sie nutzen?

Die Frage, die sich mir hier stellt ist, würde ich mehr Zeit tatsächlich für andere Dinge nutzen? Oder hätte dann trotzdem immer noch das Gefühl zu wenig Zeit zu haben? Für mich ist freie Zeit eher eine Frage des Prioritätensetzens. Es gibt einen Spruch, der lautet: „Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich für das, was einem wichtig ist.“ Und das trifft es für mich sehr gut. Deswegen nutze ich immer den Morgen und frage mich: Was ist mir heute wichtig? Welche Termine müssen sein? Welche ToDos sind zu erledigen? Was kann verschoben werden, weil ich anderes lieber machen möchte? Das hilft mir sehr gut, um meine Zeit für mich sinnvoll zu nutzen und in der Regel einen erfüllten Tag zu haben.  

Zum Thema Beziehung: Was ist das Wichtigste, um gemeinsam glücklich zu bleiben?

Für mich ist es, sich regelmäßig Zeit zum Reden zu nehmen und das Paarsein neben dem Elternsein nicht zu vergessen. Deswegen gehen wir schon seit dem ersten Kind mindestens einmal im Monat gemeinsam weg und genießen diese Zeit und den Austausch sehr. Und falls der Babysitter nicht kann, essen die Kinder auch mal vor uns zu Abend und wir bestellen uns etwas zu Essen nach Hause und machen dort unseren Pärchenabend.  

Hast du besondere Tipps oder Anregungen für andere Eltern, wie man der Doppelbelastung kleine Kinder und Beruf Herr wird? Gibt es konkrete Beispiele für Maßnahmen oder Entscheidungen, die du für dich ergriffen bzw. getroffen hast, um dieser Situation zu begegnen?

Ja, da gibt es einige, die ich in meiner beruflichen Praxis oft empfehle:

  1. Werte definieren: Um ein gemeinsames Familien- und Arbeitsmodell zu leben ist es wichtig, dass Ihr Euch als Paar darüber einig seid, was Euch wichtig ist. Daher kann ich Euch nur ans Herz legen: sprecht über Eure gemeinsamen Werte. Wie wollt Ihr als Familie leben? Was möchtet Ihr Euren Kindern vermitteln? Wie soll sich Euer beider Berufsleben gestalten? Was wollt ihr beruflich erreichen? Diese und ähnliche Fragen gilt es als Paar gemeinsam zu klären und dann zusammen entsprechende Prioritäten zu setzen. Kinder zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass Frau sich hauptsächlich um Carework kümmert und nebenbei noch ein bisschen arbeiten geht. Es geht darum einen Weg zu finden, der sich für beide Partner gut anfühlt. Dabei ist es auch egal, wie er aussieht, solange er für Euch als Familie stimmig ist.

  2. Faire Aufgabenverteilung: In Familien steht häufig die Frage im Raum, was wiegt mehr: Carework oder Businesswork? Wer macht was und vor allem wieviel? Gerade nach der Elternzeit werden diese Fragen ganz aktuell. Denn dann gehen beide Elternteile wieder arbeiten und Aufgaben müssen neu verteilt werden, damit nicht einer der beiden Partner in die Überlastung geht. Daher fragt Euch als Paar ganz ehrlich: Was denkt Ihr über „Sorgetätigkeit“? Wieviel ist sie Wert im Vergleich zur „Erwerbstätigkeit“? Welchen Beitrag will jeder von Euch zu der einen und auch der anderen Tätigkeit leisten? Wie wichtig ist jedem von Euch die berufliche Entwicklung – auch im Hinblick auf das Thema Altersvorsorge? Setzt Euch mit diesen Fragen auseinander. Macht Euch bewusst, was alles an Tätigkeiten anfällt und dann teilt diese unter Euch auf. Oder holt Euch externe Hilfe dazu bzw. bezieht Eure Kinder mit ein, wenn sie schon älter sind und auch im Haushalt mithelfen können.

  3. Intensive Kommunikation: Aus meiner Sicht ist das essenziell. Damit meine ich nicht nur terminliche Abstimmungen, die den beruflichen und familiären Alltag betreffen, sondern ein wirklicher Austausch zu den Erlebnissen, Gedanken und Wünschen, die Euch als Eltern gerade bewegen. Und damit solch ein Austausch zustande kommt, braucht es regelmäßig Zeit. Denn das passiert weder zwischen Tür und Angel noch beim Abendbrot, wenn alle durcheinander reden. Räumt Euch regelmäßig Zeit als Paar ein, in der ihr reden könnt. Äußert Euch Wünsche und Bedürfnisse und ändert Dinge, die nicht passen. Denn wenn einer von Euch über einen längeren Zeitraum unzufrieden ist, wird sich das negativ auf das Familienleben auswirken, daher versucht rechtzeitig gegen zu steuern.

  4. Netzwerke schaffen: Ein bekanntes afrikanisches Sprichwort besagt: „Es braucht ein Dorf, um ein Kind groß zuziehen.“ Früher war das der Großfamilienverband. Doch im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich dieser mehr und mehr aufgelöst. Junge Eltern leben mittlerweile oft mehrere hundert Kilometer von den nächsten Verwandten entfernt und damit fallen wichtige Bezugs- und Betreuungspersonen weg. Daher ist es auch meiner Sicht essenziell, sich als Familie ein anderes Netzwerk aufzubauen, dass in Notsituationen (z.B. Krankheitsfälle) unterstützt. Das kann eine Leihoma sein, eine Kinderfrau, Babysitter, Nachbarn oder befreundetet Eltern.

    5. Sorgt für Eure persönlichen Bedürfnisse: Immer wieder erlebe ich in meiner Arbeit, dass Mütter an den Rand ihrer Belastbarkeitsgrenze kommen. Und häufig ist der Grund dafür, dass sie an jeden in der Familie denken, nur sich selber verlieren sie dabei aus den Augen. Daher mein Tipp: Erkenne Deine eigenen Bedürfnisse und kümmere Dich darum, dass diese auch zu ihrem Recht kommen. Diese Verantwortung haben wir Eltern uns selber und auch unseren Kindern gegenüber. Denn nur wenn wir selber genug Energie haben, können wir diese auch im Job und in der Familie zur Verfügung stellen.

Vielen Dank für das Interview, Stephanie!

   

Über Stephanie Poggemöller:

Stephanie Poggemöller ist Betriebswirtin, zweifache Mutter und hat in unterschiedlichen Arbeitsmodellen über 10 Jahre in verschiedenen Positionen im Großkonzern gearbeitet, bevor sie Work & Family gegründet hat. Mittlerweile coacht und berät sie (berufstätige) Eltern bei Fragen zu: Wiedereinstieg nach der Elternzeit, beruflicher Neuorientierung, Vereinbarkeit und Selbstfürsorge. Sie gibt Workshops, hält Impulsvorträge und bietet Online-Kurse an. Auf ihrem Blog teilt sie Tipps zu Vereinbarkeitsfragen und schreibt über ihre persönlichen Erfahrungen aus dem Berufs- und Familienleben. Darüber hinaus hat sie eine Interviewserie ins Leben gerufen, in der Sie Familien wie Dich und mich dazu interviewt, wie diese ihren familiären und beruflichen Alltag gestalten.

 
 
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