Stirbt der Brief aus?
Eine Kommunikation ohne elektronische Geräte scheint heutzutage unmöglich. Schon die Kleinsten wachsen mit Smartphone, Tablet und Co. auf. Nachrichten zum Anfassen werden mehr und mehr verdrängt. Grüße per Brief oder Postkarte scheinen so gut wie ausgestorben: „In der digitalen Gesellschaft ist das Gegenstück zum klassischen Brieffreund der Skype-Freund“, titelt das gleichnamige Microsoft-Unternehmen mit dem Fokus auf Internettelefonie auf seiner Website.
Dabei ist die Brieffreundschaft für Kinder nach wie vor aufregend. Das Erlebnisheft GEOlino vermittelt diese „Distanz-Freundschaften“ unter Kindern zwischen 7 und 14 Jahren. Irene Breer arbeitet im Textsekretariat der Zeitschrift und ist mit der Vermittlung von Brieffreunden betraut. Sie kann keinen Abwärtstrend beim kindlichen Briefaustausch erkennen – im Gegenteil: Die Zuschriften haben in der letzten Zeit sogar zugenommen. Das Magazin bekommt 15 bis 20 Postkarten-Zuschriften pro Woche. Gleichzeitig steigt aber auch die Nachfrage per E-Mail, denn die Kinder und Jugendlichen treffen sich vermehrt im Netz.
Der Vorteil an einem Briefkontakt der Kinder ist die Kontrollierbarkeit der Identität anhand der kindlichen Handschrift. Das gibt den Eltern Sicherheit. Hier stellt der digitale Kontakt ein Risiko dar. Frau Breer hebt außerdem die Greifbarkeit des Briefes hervor: Viele Kinder klagen darüber, dass ihr „Briefkasten verhungert“. Sie sind es leid, dass immer nur Mama und Papa Post bekommen und stecken viel Liebe in die Gestaltung der Botschaften: „Das wird dann oftmals auch beklebt mit Aufklebern oder sie schicken Fotos oder malen was.“
Über das Goetheinstitut oder diverse Brieffreundschaftsportale im Internet können sowohl Kinder als auch Erwachsene neue Kontakte bis ins Ausland knüpfen. Das Credo ist auch hier der Briefkontakt. Grund dafür sind neben persönlicher Note und Sicherheit für Kinder auch Antidiskriminierungsbestrebungen, denn nicht jeder Haushalt in jedem Land hat einen Internetzugang.
Internettelefonie, E-Mail, Chats
Doch auch die vernetzte Welt wird immer kindersicherer: Die GEOlino selbst vermittelt Kontakte unter den Kids auch digital. Skype rüstet auf mit Skypito, einer Kommunikationsform, die der elterlichen Autorisierung und Bestätigung bedarf, bevor der Nachwuchs Kontakt mit anderen Kindern aufnehmen kann. Außerdem bietet das Internet Homepages und Mailadressen für Kinder an: Mail4Kidz beispielsweise wurde von besorgten Eltern initiiert. Die Seite soll mit seiner einfachen Gestaltung und einem speziellen Filtersystem als Einstieg in das Kommunikationsmedium Internet für Kinder dienen. Auch hier darf nur derjenige Kontakt aufnehmen, der sich in der kindlichen Freundesliste befindet.
Wichtig im Umgang mit allen internetbasierten Kommunikationsmitteln ist die Thematisierung innerhalb der Familie.
Kultureller Austausch
80 Prozent der Zuschriften, die Irene Breer erhält, kommen von deutschen Kindern. Darüber hinaus schreiben auch Kinder und Jugendliche aus Österreich, der Schweiz oder gar aus Australien, Paraguay und Argentinien. Sie räumt ein, dass das Internet diese Kontaktaufnahme überhaupt erst ermöglicht. Kürzlich vermittelte sie zwei französische Schulklassen an deutsche Kinder. Der internationale Kontakt, ob per Brief oder E-Mail, kann so dem Lernen von Sprachen dienen.
Auch das Unternehmen Skype erwähnt auf seiner Internetseite die Möglichkeiten des kulturellen Austauschs. Hier werden sogar Vorschläge zum Einbinden der Technik in den Schulalltag gemacht: So könnten Experten aus aller Herren Länder live „zu Besuch“ kommen. Austauschprogramme lassen sich leichter organisieren, wenn Erstkontakte und Aufnahmeprozesse über Internettelefonie abgewickelt werden können. Nebenbei bietet sie Flexibilität zum Beispiel durch Online-Nachhilfe oder für Elternabende, wenn die Eltern nicht persönlich teilnehmen können. Bedacht angewendet und regelmäßig geprüft hält die Digitalisierung also viele Chancen für Kinder bereit.
Die Wahl der Kommunikationsform zum internationalen, sozialen Austausch ist letztlich eine reine Geschmacksfrage. Bereichernd wirken diese Erfahrungen auf die Kinder und Jugendlichen allemal.
Das Interview mit Irene Breer von der GEOlino wurde im Juni dieses Jahres geführt. Mittlerweile werden Brieffreundschaften im Heft und online nicht mehr beworben.