Zweiter Advent

Bundestagswahl: Last-Minute-Faktencheck Familienpolitik

Welche Pläne haben die Parteien eigentlich zur Familienpolitik? Betreut.de hat die Programme der sechs großen Parteien in einem Faktencheck unter die Lupe genommen.

Kurz vor der Bundestagswahl sind noch immer viele Wähler unentschlossen. Wofür stehen die Parteien? Für Familien ist insbesondere entscheidend, wer sie am besten dabei unterstützt, ihren Alltag und das Familienleben zu organisieren und die beste finanzielle Position bietet. Die Wahlprogramme unterscheiden sich dabei zum Teil gravierend voneinander. Für einen schnellen Last-Minute-Check hat Betreut.de die Programme von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP und AfD zu dem Thema unter die Lupe genommen und gegenübergestellt. Verglichen wurden die Pläne zu Kindergeld, Betreuungskosten, Ehegattensplitting, und Arbeitszeitregelung.

1. Das Kindergeld

Für viele Familien stellt das Kindergeld eine wichtige finanzielle Unterstützung dar. Während CDU/CSU und die Linke das Kindergeld erhöhen wollen – die Christdemokraten versprechen eine Erhöhung um 25 Euro je Kind, die Linke stellt einen Betrag von 328 Euro für jedes Kind in Aussicht – machen sich die übrigen Parteien für neue Konzepte stark. Die SPD plädiert für ein nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld. Auch die Grünen wollen das Einkommen der Eltern stärker berücksichtigen. Sie planen einen einkommensabhängigen Kindergeld-Bonus, der den Mindestbedarf des Kindes deckt. Das Kindergeld selbst soll in einer einkommensunabhängigen Kindergrundsicherung aufgehen. Die FDP plant mit dem Kindergeld 2.0 ebenfalls eine umfassende Reform. Es soll den eigenständigen Anspruch des Kindes abbilden und umfasst neben einem einkommensunabhängigen Grundbetrag ein einkommensabhängiges Kinder-Bürgergeld sowie zum Beispiels Bildungsgutscheine. Die AfD thematisiert das Kindergeld in ihrem Wahlprogramm nicht.

2. Kitakosten

Die Bertelsmann Stiftung rät in einer aktuellen Studie davon ab, die Elternbeiträge für Kitas zunächst komplett abzuschaffen.[1] Denn zuvor müsse die Qualität gesteigert und genügend Betreuungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Sie spricht sich deshalb für einkommensabhängig gestaffelte Kita-Beiträge aus, wobei Familien mit besonders niedrigem Einkommen komplett entlastet werden sollten. Die Parteien weichen von diesem Vorschlag zum Teil stark ab.

Die CDU/CSU sieht für Eltern keine direkten Einsparungen im Hinblick auf die Betreuungskosten vor. Geplant ist jedoch, die Steuerbefreiung für Zuschüsse der Arbeitgeber für Betreuungskosten bis zum Ende der Grundschule auszuweiten. Die SPD hingegen möchte die Kita-Gebühren schrittweise abschaffen, ebenso die Linke. Die Sozialdemokraten planen außerdem, die gesamte Bildung, also auch Ausbildung und Erststudium, gebührenfrei zu machen. Auch die Grünen verfolgen das Ziel, Bildung grundsätzlich beitragsfrei zu machen – angefangen bei den Kitas. Doch zuvor soll in den Ausbau und in die Verbesserung der Qualität der Einrichtungen investiert werden. Mit diesem Ziel stellen die Grünen die größte Übereinstimmung zur Bertelsmann Stiftung dar. Einen anderen Ansatz verfolgt die FDP: Um die Leistungen transparenter zu machen, plant sie die schrittweise Umstellung der Finanzierung von Kitas, Kindergärten und Schulen auf Bildungsgutscheine, die vom Staat vergeben werden. Sie sollen Eltern die Möglichkeit einräumen, frei zwischen öffentlichen und freien Trägern zu wählen. Die AfD äußert sich in ihrem Wahlprogramm zwar nicht zu einer Reduzierung der Kita-Kosten, möchte aber die elterliche Betreuung im gleichen Umfang fördern wie Kitas und Tagesmütter.

3. Ehegattensplitting

In einem Punkt sind sich die etablierten Parteien einig: Dem Ehegattensplitting in seiner derzeitigen Form stehen Änderungen bevor. Zwei Tendenzen zeichnen sich hier ab: Die Ergänzung oder die komplette Reformierung des Modells. CDU/CSU, FDP und AfD wollen das Ehegattensplitting erhalten. Während die Christdemokraten den Kinderfreibetrag in zwei Schritten auf den Erwachsenenfreibetrag anheben wollen, plant die FDP neben der Anhebung der Kinderfreibeträge die steuerliche Absetzbarkeit der Betreuungskosten bis zum Höchstbetrag. Die AfD will das Ehegattensplitting um ein Familiensplitting ergänzen, bei dem das Familieneinkommen bei angemessenen Freibeträgen pro Familienmitglied vor Versteuerung auf die Familienmitglieder rechnerisch verteilt wird.

Neue Konzepte finden sich bei SPD und Grünen: Bei dem Familientarif mit Kinderbonus der Sozialdemokraten kann jedes Elternteil pro Kind 150 Euro von seiner Steuerlast abziehen. Ehepartner können Einkommensanteile von höchstens 20.000 Euro untereinander übertragen. Die Grünen setzen auf eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung, das Familien-Budget. Es umfasst Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag und den Kinderregelsatz. Das Familien-Budget ist mit einer Individualbesteuerung und einem übertragbaren Grundfreibetrag verknüpft. Wie auch bei den Plänen der SPD können Verheiratete zwischen dem Ehegattensplitting und dem neuen Modell wählen. Die Linke will komplett neue Steuermodelle einführen, die das Ehegattensplitting ersetzen. Dabei soll das nicht ausgeschöpfte steuerliche Existenzminimum zwischen LebenspartnerInnen übertragbar werden, der monatliche Grundfreibetrag wird dann auf 1.050 Euro zu versteuerndes Einkommen erhöht.

4. Arbeitszeitregelung

Stichwort Flexibilität: Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt ist das Thema Familie in den Fokus der Parteien gerückt. So setzt sich die CDU/CSU für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts und der Arbeitszeitmodelle ein. Außerdem soll der Anspruch auf befristete Teilzeit in Betrieben ab einer bestimmten Größe durchgesetzt werden. Auch die FDP setzt sich für ein flexibleres Arbeitszeitgesetz ein. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit soll an die europäische Arbeitsrichtlinie angepasst werden. Außerdem soll der Arbeitsschutz für Homeoffice-Arbeitsplätze entbürokratisiert werden.

Für die SPD, die Grünen und die Linke ist das Wahlarbeitszeitgesetz – also mehr Mitsprache der Arbeitnehmer über ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort – ein wichtiges Thema. Für alle drei Parteien stellt das Recht, nach einer Phase der freiwilligen Teilzeitarbeit auf die vorherige Arbeitszeit zurückzukehren, einen wichtigen Baustein dazu dar. Dennoch gibt es auch Unterschiede: Die SPD möchte eine Familienarbeitszeit einführen, bei der beide Eltern ihre Arbeitszeit partnerschaftlich aufteilen, und dafür jeweils 150 Euro monatlich erhalten. Daneben soll eine Familienarbeitszeit für Pflegende eingeführt werden, wobei sich die Lohnersatzleistung in Höhe und Umfang am Elterngeld ausrichtet. Die Grünen möchten die flexible Vollzeit einführen, die Reduzierung und wieder Erhöhung um zehn Wochenstunden für Kinderbetreuung, Pflege und Weiterbildung. Speziell für Familien beinhaltet das Wahlprogramm das Modell KinderZeit Plus, das das Elterngeld ablösen soll. Es umfasst die phasenweise Reduzierung der Arbeitszeit bis das Kind 14 Jahre alt ist. Jeder Elternteil erhält dabei acht Monate finanzielle Unterstützung – weitere 8 Monate können frei zwischen den Eltern aufgeteilt werden. Für die Unterstützung von Pflegebedürftigen wollen die Grünen die PflegeZeit Plus einführen. Die Lohnersatzleistung orientiert sich am Einkommen. Die von der Linken angestrebten Arbeitszeitreformen sind sehr umfassend und beinhalten unter anderem die Reduzierung der gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit auf 40 Stunden, das Recht auf kurze Vollzeit (30 Stundenwoche) bei vollem Lohn- und Personalausgleich, und die Erhöhung des Mindesturlaubsanspruchs auf 30 Werktage. Die Linke setzt sich für einen Rechtsanspruch auf familiengerechte und kürzere Arbeitszeiten sowie für eine sechswöchige Pflegezeit ein. Außerdem soll ein besonderer Kündigungsschutz für Eltern bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des Kindes durchgesetzt werden.

Im Gegensatz zu den übrigen Parteien thematisiert die AfD die Flexibilisierung der Arbeitszeit zwar nicht, geht aber spezifisch auf die Situation von Familien ein. Eltern sollen frei zwischen Berufstätigkeit und Erwerbspause wählen dürfen, die elterliche Betreuung soll im gleichen Umfang finanziell unterstützt werden wie Kitas und Tagesmütter. Außerdem soll die Fürsorge für pflegebedürftige Angehörige wie jede andere berufliche Tätigkeit anerkannt werden. Eltern soll außerdem ein längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 zugestanden werden. Weiterhin sollen Neueinstellungen durch Wiedereingliederungshilfen an den Arbeitgeber gefördert werden.

Der Vergleich der Wahlprogramme zeigt: So sehr sich das Vorgehen der Parteien zum Teil unterscheidet, alle setzen sich für mehr Unterstützung von Familien ein – vor allem finanziell, aber auch um mehr Familienzeit zu ermöglichen. Auch das Online-Portal Betreut.de setzt sich dafür ein und bietet Familien eine Auswahl an verschiedenen Alltagshelfern, um mehr gemeinsame Zeit zu ermöglichen.

 

[1] Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2017, hrsg. von der Bertelsmann Stiftung, 1. Aufl. 2017.

 

Kurzumfrage: Welche Partei finden Sie am familienfreundlichsten?

 

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