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Der Beruf Kindermädchen im Wandel der Zeit

Von der Amme zur Nanny

Kinderfrauen (englisch: „Nannys“) lösen bis heute warme Gefühle und respektvolle Hochachtung aus. Kein Wunder, dass sich der Mythos „Kindermädchen“ in zahlreichen Geschichten wiederfindet.

Die perfekten Kinderbetreuerinnen sorgen nicht nur für spannende und lustige Unterhaltung in Romanen, sondern auch für hohe Einschaltquoten im TV. Wer kennt nicht die humorvolle Sitcom um die schrille Fran Fine und den wohlhabenden Maxwell Sheffield? Die liebenswert ungewöhnliche Nanny und ihr britischer Boss zeigen aber auch deutlich, dass sich meist nur gut situierte Haushalte den Luxus eines Kindermädchens leisten können. Wer nicht zu den finanziell gut ausgestatteten Familien gehört,orientiert sich an den Erziehungstipps der immer wieder heftig umstrittene Supernanny Katja Saalfrank. Das Motiv bleibt jedoch für alle Eltern das gleiche: die Förderung der physischen, psychischen und geistigen Entwicklung, um dem Nachwuchs einen idealen Start ins Leben zu ermöglichen.

Eine Berufung mit Geschichte

Bereits im Altertum stillten Ammen die Säuglinge anderer Frauen aus der Oberschicht. Aristokratische Frauen hatten damals die Aufgabe so viele Kinder wie möglich zu gebären, um die Nachfolge zu sichern. Aus dem Glauben heraus, dass stillende Frauen nicht schwanger werden konnten, überließ man diese Aufgabe fremden Müttern. Diese verdienten sich damit ein Zubrot und versorgten auf diese Weise ihre eigene Familie. Somit war die gesellschaftlich höher gestellte Gattin schneller wieder fruchtbar und einer erneuten Schwangerschaft stand nichts mehr im Wege. Durch die Distanz zur leiblichen Mutter entwickelten viele Kinder eine innige, liebevolle Beziehung zu ihrer Amme und blieben den eigenen Eltern gegenüber respektvoll auf Abstand.

 

In Shakespeares „Romeo und Julia“ ist es beispielsweise die Amme, welche die Verbindung zwischen den beiden Liebenden aufrecht erhält. Ihr vertraut sich Julia an und bezieht sie in ihre Pläne, Romeo zu heiraten, mit ein. Die „Ersatzmütter“ nahmen demnach einen wichtigen Stellenwert in den Familien und der Gesellschaft ein. Bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, versorgten Ammen den gehobenen Nachwuchs. Die Bilder von „Spreewälder Ammen“ in ihrer typischen Tracht wurden in dieser Zeit berühmt. Erst als in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts brauchbare Ersatzmilch auf den Markt kam, verloren die stillenden Kinderbetreuerinnen ihre Berufung. Nach und nach setzte sich dann das Kindermädchen in den Haushalten der Mittel- und Oberschicht durch. Die im Englischen „Nanny´s“ genannten Kinderbetreuerinnen, blieben oft langfristig in den Haushalten und kümmerten sich um mehrere Generationen einer Familie.

Finanzielle Anreize

Mit der Etablierung von Kindertagesstätten, um 1908, wurden die ersten Frauen in einem einjährigen Fachkurs zur Kindergärtnerin ausgebildet. Ziel der Ausbildung war die „ureigensten weiblichen Eigenschaften“, den „mütterlichen Sinn“ und die „mütterliche Liebe“ zu „vergeistigen“. Man ging davon aus, dass Frauen wegen ihres „mütterlichen Instinktes“ besser als Erzieherinnen geeignet waren. Heute gilt für Männer und Frauen eine pädagogische Ausbildung als Garant für ein hohes Gehalt und einen sicheren Job. Wer einen Hochschulabschluss in Kinderpsychologie oder Kleinkindpädagogik vorweisen kann und sich für den Beruf als Nanny entscheidet, wird von den besser verdienenden Familien umschwärmt. Gehälter bis zu 80.000€ pro Jahr, plus bezahltem Urlaub und eigenem Mittelklassenwagen sind keine Seltenheit. Besonders in Großbritannien und den USA kennt der Hype um das perfekte Kindermädchen keine Grenzen. Doch der vermeintliche Traumjob hat auch seine Tücken. Arbeit an Feiertagen wie Weihnachten und Silvester gehört ebenso dazu, wie 60-Stunden Wochen und Konflikte mit den Eltern der Schützlinge.

Eine niveauvolle Ausbildung

Wer diese Hürden nicht scheut, kann sich an einer klassischen Schule für Kindermädchen ausbilden lassen. Das Norland College in Bath/England, ist die Eliteuniversität der Kinderbetreuerinnen. Reiche Familien aus aller Welt stehen Schlange, um eine Absolventin dieser Institution engagieren zu können. Entsprechend selbstbewusst gibt die Schule eine lebenslange Jobgarantie. Das College wurde 1892 gegründet und ist berühmt für seine Uniform mit neckischem Kopfschmuck. Unterrichtsfächer wie Kinderbetreuung, Psychologie, Recht und Finanzmanagement sorgen für ein umfangreiches Wissen der Absolventen. Ganz billig ist die Ausbildung nicht. Bis zu 30.000 Euro kostet die Lehre an der Eliteschule. „Supercalifragilistischexpialigetisch“ würde wohl Mary Poppins dazu sagen. Das mögliche spätere Gehalt scheint diese Investition jedoch zu rechtfertigen.



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