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Mobbing junger Eltern am Arbeitsplatz

Väter und Mütter als Mobbing-Opfer

Das Mobbing aus der Chefetage betrifft viele Mütter und Väter. Junge Eltern werden schnell zum Mobbing-Opfer. Arbeitgeber stellen sich quer, wenn es um Teilzeitstellen geht und Kollegen lassen abfällige Kommentare fallen.

Hürden für junge Eltern – Mobbing durch Chef und Kollegen

Wer gemobbt wird, erfährt systematische Benachteiligung, Schikanierung und Ausgrenzung. Im Berufsleben kann Mobbing direkt von Kollegen ausgehen und wie auch im Internet oder unter Jugendlichen von unsachlichsten Gründen herrühren. Offenbar ist eine dieser Ursachen das Kinderkriegen oder Kinderhaben. Unter Kollegen und beim Chef entsteht durch frühzeitiges Gehen, weniger Überstunden oder häufiger Krankmeldung des Kindes wegen der Eindruck einer schlechter werdenden Arbeitsmoral oder schwindenden Belastbarkeit.

Zwar legt sich der deutsche Sozialstaat beispielsweise mittels des Gütesiegels für „Beruf und Familie“ nach außen hin ein zunehmend familienfreundliches Image zu. Innerhalb der unternehmerischen Strukturen bleibt eine übermäßig wirtschaftlich ausgerichtete Einstellung aber meist erhalten.
Die Wurzel der Problematik liegt im gesellschaftlichen Denken: Arbeitsqualität wird noch immer gleichgesetzt mit ihrer Quantität, das heißt Arbeitszeit. Teilzeitstellen hätten weniger Anspruch.

Für werdende und junge Eltern werden mitunter Hürden aufgestellt: Vom Büroschlüsselentzug, über Hilfskrafttätigkeiten wie Kaffeekochen und der Versetzung in entfernte Einzelbüros bis hin zum Absprechen von Verantwortung und Aufgaben sind viele Szenarien Realität. Die Arbeitgeber legen nahe, in „ruhigere“ Abteilungen zu wechseln und letztlich nehmen viele zermürbte Beschäftigte einen Aufhebungsvertrag an.

Alle Beteiligten leiden – Lösungen finden

Dabei sind die Folgen weitreichender als gemeinhin angenommen. Nicht nur der/die frisch gebackene Vater/ Mutter hat psychisch einiges zu verkraften und braucht unter Umständen ärztliche Unterstützung. Auch das Arbeitsumfeld leidet: Laut einer aktuellen kanadischen Studie empfindet die gesamte Abteilung eines Mobbing-Opfers einen „moralischen Unwillen“ und überlegt, die Institution zu wechseln. Daher sollte sich der Arbeitgeber selbst grundsätzlich nicht auf Mobbing-Aktionen herablassen und gleichzeitig anderen Mobbern durch offene Ansprachen entgegentreten.

Als Mobbing-Opfer gilt es, früh zu handeln. Wenn Konflikte früh, direkt und ehrlich aus dem Weg geräumt werden, wird ihnen das Potenzial zur Steigerung genommen. Dazu gehört auch die individuelle Unterscheidung zwischen ironischen Scherzen und wirklichen Beleidigungen.

Mobbing-Attacken sind dauerhaft und daher eine schwere seelische Belastung für das Opfer, die sich ebenso körperlich auswirken kann. Erste Anlaufstellen zur Beratung sind immer der Betriebsrat oder gewerkschaftliche Vertrauensleute.
Im Falle von Rechtsverweigerungen durch den Arbeitgeber können  Mütter und Väter gesetzesmäßig auf ihren Anspruch auf Teilzeitarbeit bestehen, wenn die Firma über 15 Mitarbeiter hat. Gerade bei der Hertie-Stiftung, die das Gütesiegel „Beruf und Familie“ vergibt, gehen immer wieder Beschwerden von – vornehmlich weiblichen – jungen Eltern ein, denn leider kann der Arbeitgeber Anträge auf Teilzeitbeschäftigungen auch aus „betrieblichen Gründen“ ablehnen.

Wichtig ist in jedem Mobbing-Fall die Flucht nach vorn. Versuchen Sie durch psychologische Hilfe und Unterstützung aus der Familie wieder auf die Beine zu kommen. Der Rückzug in sich selbst kann alles noch verschlimmern. Warten Sie nicht zu lange ab und dokumentieren Sie alle eingeleiteten Schritte, um für eventuelle Rechtsstreitigkeiten gerüstet zu sein.

Mobbing am deutschen Arbeitsplatz

Leider sind keine genauen Zahlen zu Mobbing-Opfern am Arbeitsplatz bekannt, denn ein Großteil erträgt den Schmerz im Stillen. Laut Schätzungen von Krankenkassen liegt die Zahl der Betroffenen bei etwa 1 bis 1,5 Millionen.
Väter, die in Elternzeit gehen, werden häufig gemobbt. Eine EU-weite Studie zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermittelte, dass die Zahl der pausierenden Väter nur langsam steigt. Ein Grund wird in der Diskriminierung durch deren Entscheidung für die Kinderbetreuung vermutet. Dies betrifft besonders gut qualifizierte Männer in städtischen Gebieten.
Entsprechend einer Erhebung der ktpBKK Essen von 2006 haben 15 Prozent der deutschen Beschäftigten schon Mobbing-Erfahrungen am Arbeitsplatz gemacht. Die Kosten für Krankheitsbehandlungen lagen 2002 bei 11,2 Milliarden Euro. Die indirekten finanziellen Belastungen aufgrund des Produktionsausfalls beliefen sich auf 13,4 Milliarden Euro.

Gütesiegel „Beruf und Familie“

Das Siegel kommt von der gemeinnützigen Hertie Stiftung und steht für familienfreundliche Unternehmen. Deswegen ist es in der Wirtschaft bezüglich des Wettbewerbs um qualifizierte Mitarbeiter stark umkämpft. Das Gütesiegel bereichert das Image. Inhalte, die für den Erhalt erfüllt werden müssen, sind das Angebot von Teilzeit und Tele-Arbeit und die ständige Innovation der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die eigenen Führungskräfte.

 



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