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Autoren-Interview: „Glückliche Krippenkinder“

Antje Bostelmann, Autorin und Begründerin der KLAX-Pädagogik, im Gespräch

Nach mehreren Veröffentlichungen zum Thema Krippen-Erziehung, die sich vorwiegend an pädagogisches Fachpersonal richteten, ist „Glückliche Krippenkinder“ ihr erster Eltern-Ratgeber. Wir haben mit Antje Bostelmann gesprochen.

Nach mehreren Veröffentlichungen zum Thema  Krippen-Erziehung, die sich vorwiegend an pädagogisches Fachpersonal richteten, ist  „Glückliche Krippenkinder“ der erste Eltern-Ratgeber aus Ihrer Feder. Was hat Sie dazu veranlasst?

Bei meiner Arbeit habe ich sehr viel mit Eltern zu tun, in unseren Einrichtungen, bei Vorträgen, auf meinen Lesereisen oder aber auch privat. Und da ist mir aufgefallen, dass die häufigsten Fragen und die größten Unsicherheiten, die Eltern haben, mit dem Eintritt Ihrer Kinder in die Krippe zusammenhängen. Zum einen kommen auf einmal viele administrative Dinge auf sie zu. Alles erscheint ihnen auf einmal so formal, dabei wollen sie doch nur, dass ihr Kind gut betreut ist. Vieles macht ihnen auch Angst: Sie sehen dann beispielsweise Vorschriften vom Gesundheitsamt o.ä. Diese Dinge sollte man dann ihnen einfach mal erklären.

 

Die andere Unsicherheit betrifft die Eingewöhnung: Den Eltern ist oft nicht klar, wie unterschiedlich die Kinder sich verhalten können. Folgendes Beispiel: Das Kind rennt am ersten Tag rein und spielt sofort los. Dann denken manche Frauen, dass sie etwas falsch gemacht haben, sie vielleicht eine schlechte Mutter waren, und es dem Kind  jetzt viel besser geht. Oder, in den Fällen, wo das Kind heult und klammert, da denken die Mütter: „Es ist ganz falsch, dass ich jetzt wieder arbeiten gehen muss.“  Ich will diesen Eltern einfach nur sagen: Egal was da passiert, es ist völlig normal, jedes Kind ist anders und hat andere Bedürfnisse und Verhaltensweisen. Und auch die Reaktion der Eltern, Unsicherheit, Traurigkeit etc. sind normal und völlig okay und dürfen sein.

Geht es da nicht vielmehr um die Frage: Gebe ich mein Kind überhaupt fremde Betreuung?

Ja, sicher, diese Frage schwingt immer im Hintergrund mit. Keine Mutter sagt: „So, jetzt geb‘ ich mein Kind weg, fertig aus.“  Man überlegt sich doch die ganze Zeit: „Wie groß ist meine Verantwortung? Hab ich alles getan?“  Bei vielen Eltern, die mir von Schwierigkeiten in ihrer Krippe erzählen, denke ich: Sie können sich vielleicht doch nicht richtig trennen oder haben das Thema für sich noch nicht abschließend geklärt. Aber: Ein Kind wird nicht nur durch den Kontakt zu einer einzelnen Person groß, es braucht andere Personen und muss sich schon ganz früh als eigene Persönlichkeit erleben dürfen. Immer zu Hause im sicheren Umfeld, nur bei der Mutter, das reicht nicht aus, um sich als Kind wirklich selbst zu erkennen und zu entwickeln. Das ist vielen Eltern gar nicht klar, sie fühlen sich schlecht, weil sie ihr Kind wegegeben. Das ist ja auch verständlich. Ich selbst habe Rotz und Wasser geheult, als ich meinen einjährigen Sohn in die Krippe gegeben habe. Das hat mir damals echt das Herz gebrochen. Das muss man raus lassen, das ist völlig okay!

Wie wichtig ist die Einbindung der Eltern in den Krippenalltag?

Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und der jeweiligen Einrichtung ist von immenser Bedeutung. Im Marketing sagt man: Man muss den Kunden einbinden, ohne ihn zu überfordern. In einer Einrichtung würde das bedeuten, die Eltern mehr einzubinden, ohne ihnen dabei ihren Lebensraum zu nehmen. Das Wichtigste ist dabei sicherlich die emotionale Einbindung. Das ist natürlich auch eine der großen Herausforderungen für die Erzieher. Wie beziehe ich die Eltern emotional in den Krippenalltag ein? Das fängt schon damit, dass man sich überlegt: „Wie kommunizieren wir mit den Eltern?“ Das wird viel über Aushänge, Mails etc. gehandhabt. Aber so bleibt eine Distanz bestehen, die Eltern emotional nicht abholt.

 

Es ist wichtig zu wissen, was Eltern wollen und brauchen. Denn: Es geht ja immer ums Kind, und ganz wichtig ist es, alltägliche Erlebnisse mit den Kindern untereinander zu teilen, sich auszutauschen darüber, was das Kind heute Tolles gemacht oder  Niedliches erzählt hat.  Viele Einrichtungen haben jetzt Bildschirme, in denen Fotos oder Videos eingespielt werden, die am Tag entstanden sind. Finde ich nicht schlecht, das kann man dann auf dem Elternabend zeigen und darüber sprechen. Aber das ersetzt natürlich nicht das persönliche Gespräch beim Abholen oder Hinbringen, wo dann die kleinen, emotionalen Geschichten erzählt werden.

 

In Italien beispielweise habe ich etwas Schönes erlebt: Da gibt es keinen Elternabend, sondern Elternspieltage. Da kommen alle zusammen. Die Eltern bekommen Beobachtungsbögen und dann lässt die Erzieherin die Eltern beim Spielen zugucken. Im Anschluss daran wird zusammen gegessen und diskutiert: „Was hab ich da gesehen? Was macht das Kind? Was bedeutet das?“  Da basteln die Eltern auch gemeinsam mit den Erziehern Spielzeuge für ihre Kinder. Das schafft natürlich Nähe und verbindet, wenn man so Zeit miteinander verbringt.

 

Antje Bostelmann ist ausgebildete Erzieherin und  bildende Künstlerin. 1990 gründete sie KLAX – anfangs als private Malschule und Nachmittagsbetreuung mit künstlerischem Schwerpunkt. KLAX ist heute ein überregionaler Bildungsträger mit Krippen, Kindergärten und Schulen in Deutschland und Schweden. Antje Bostelmann entwickelte die KLAX-Pädagogik, ein modernes pädagogisches Konzept, das das Kind in den Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit stellt und das allen KLAX-Einrichtungen zu Grunde liegt. Seit 1995 hat sie zahlreiche pädagogische Fachbücher veröffentlicht, darunter viele Bestseller.

© Barbara Dietl

 



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