Die Wahl des Wohnortes ist eine der wichtigsten Entscheidungen, die Familien treffen können. Ob der Trubel einer Großstadt, die Behaglichkeit einer Vorstadt oder das ruhige Landleben – Jede dieser Optionen hat ihren eigenen Charme und spricht unterschiedliche Familien mit individuellen Anforderungen an.
Abwanderung aus Großstädten verstärkt sich seit der Pandemie
Seit geraumer Zeit hat der Reiz der Großstädte merklich nachgelassen, sodass immer mehr Menschen sich für ländliche Regionen entscheiden. Dieser Trend hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie noch verstärkt. Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung stieg die Abwanderung aus den Großstädten im Jahr 2021 im Vergleich zu 2019 um 1,8 Prozent, während gleichzeitig die Zuzüge in die Großstädte um 5,4 Prozent zurückgingen. Insgesamt sind das 128.507 mehr Menschen, die aus kreisfreien Großstädten weggezogen sind, als aus dem Inland dorthin zuzogen – mehr als doppelt so viele wie vor der Pandemie (60.554 Personen).
Die individuellen Gründe hierfür mögen variieren, doch hohe Mietpreise, Wohnungsengpässe und sich wandelnde Wohnpräferenzen – wie etwa der Wunsch nach einem naturnahen und beschaulicheren Lebensstil – tragen sicherlich dazu bei. Die Möglichkeit des Homeoffice für immer mehr Menschen seit Beginn der Pandemie könnte ein weiterer Faktor sein, da der Weg zur Arbeit für viele obsolet wurde.
Analyseergebnis: Eindeutige Tendenz zugunsten der Vororte nur in München und Duisburg
Doch so individuell die Bedürfnisse der einzelnen Familien sind, so unterschiedlich können auch die Bedingungen in den einzelnen Regionen sein. Dies bestätigt die aktuell zum dritten Mal veröffentlichte Großstadt-Vorort-Analyse von Betreut.de, die die 15 größten deutschen Städte und deren umliegende Ortschaften in Bezug auf relevante Faktoren für Familien vergleicht. Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Stadtgebiete sowie die Ausprägung der Bedingungen können demnach erheblich differieren.
Die eindeutigste Tendenz zugunsten der Vororte zeigt sich in den Regionen um München und Duisburg. Im Gegensatz dazu weisen Dortmund und Bremen mehr Vorteile für die Großstadt auf. In zahlreichen anderen Gebieten, wie Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main, ließ sich keine klare Präferenz für die Großstadt oder die umliegenden Gemeinden feststellen.
In der Neuauflage dieser Studie wurden die Daten aktualisiert und um zusätzliche Analysefaktoren erweitert. Folgende Vergleichskriterien wurden einbezogen:
- Kinderreichtum
- Wohnverhältnisse
- Kinderbetreuung
- Schule und Bildung
- Beschäftigungslage
- Ruhe und Beschaulichkeit
- Freizeitangebote
- Sicherheit
- Gesundheit
Hier geht es zu den Auswertungen der einzelnen Großstadtregionen:
Berlin
Großstadt und Vororte sind für Familien gleichermaßen vorteilhaft
Hamburg
Großstadt und Vororte sind für Familien gleichermaßen vorteilhaft
Köln
Vororte leicht im Vorteil für Familien
München
Vororte bieten deutlich mehr Vorteile für Familien als die Großstadt
Frankfurt am Main
Großstadt und Vororte sind für Familien gleichermaßen vorteilhaft
Stuttgart
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Düsseldorf
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Dortmund
Großstadt leicht im Vorteil für Familien
Essen
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Leipzig
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Bremen
Großstadt leicht im Vorteil für Familien
Dresden
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Hannover
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Nürnberg
Vororte leicht im Vorteil für Familien
Duisburg
Vororte bieten deutlich mehr Vorteile für Familien
Methode
Die Studie bezieht sich auf die 15 größten Städte Deutschlands und deren suburbanes Umland. Als Vorortregion wurden für die einzelnen Großstädte zehn der am nächsten liegenden Orte mit weniger als 100.000 Einwohnern bestimmt, die sich nicht weiter als 20 Kilometer von der Großstadt entfernt befinden (Ausnahme: in Essen fallen nur 8 Vororte in die genannten Kriterien).
Für die Analyse wurden die Großstädte ihrem Umland gleichwertig gegenübergestellt und in neun Kategorien miteinander verglichen: Kinderreichtum, Wohnverhältnisse, Kinderbetreuung, Schule & Bildung, Arbeitslage, Freizeitangebote, Natur & Beschaulichkeit, Sicherheit und Gesundheit.
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- Der Kinderreichtum wurde gemessen am Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren an der Gesamtbevölkerung (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Stichtag: 31.12.2021).
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- Die Wohnverhältnisse setzen sich zusammen aus der Höhe der durchschnittlich gezahlten Miet- und Kaufpreise der Immobilien pro Quadratmeter für 60 Quadratmeterwohnungen (Quelle: wohnungsboerse.net, Jahr: 2022 bzw. aktuellster verfügbarer Wert) und der durchschnittlich bewohnten Fläche pro Person (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bestand an Wohngebäuden und Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden, Stichtag: 31.12.2021). Die einzelnen Städte schneiden demnach gut ab, wenn die Miet- und Kaufpreise der Immobilien niedrig sind und pro Person eine möglichst große Wohnfläche zur Verfügung steht.
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- Für die Kategorie „Kinderbetreuung“ wurden sowohl Tageseinrichtungen als auch private Anbieter betrachtet. Zur Analyse der Tageseinrichtungen, wie Kitas und Horten, wurde die Anzahl der genehmigten Plätze für Kinder bis 14 Jahren im Verhältnis zur Anzahl der Kinder insgesamt sowie die Anzahl des pädagogischen Personals im Verhältnis zu den Betreuungsplätzen einbezogen. Als Indikator für die Wegelänge zur Kita wurde zudem die Kitadichte berechnet. Diese bezieht sich auf die Anzahl an Kitas im Verhältnis zur Gesamtfläche (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Statistik der Tageseinrichtungen für Kinder“, Stichtag: 01.03.2022). Die privaten Kinderbetreuer umfassen alle bei Betreut.de registrierten Babysitter, Tagesmütter, Nannys und Leihomas, die sich im Jahr 2022 auf mindestens eine Stelle im Bereich der Kinderbetreuung beworben haben (Quelle: Unternehmensinterne Daten von Betreut.de, 2022). Auch diese wurden ins Verhältnis mit der Gesamtanzahl der Kinder (von 0 bis unter 14 Jahre) pro Stadt gesetzt. Je geringer die Anzahl der Kinder pro Betreuungsanbieter, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern für ihre Kinder die gewünschte Betreuung auch tatsächlich und schnell finden können.
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- Die Kategorie „Schule und Bildung“ setzt sich zusammen aus der Schuldichte und der Schulqualität. Die Schuldichte gilt als Indikator für die Länge des Schulweges und bezieht sich auf die Anzahl an Schulen im Verhältnis zur Gesamtfläche (Quelle: Statistiken der Länder zur „Anzahl, Schulform und Trägerschaft der allgemeinbildenden Schulen“ aus der kommunalen Bildungsdatenbank. Schuljahr 2021/22 bzw. 2022/23 je nach Verfügbarkeit). Um Aufschluss über die Schulqualität der einzelnen Städte zu erhalten, wurden für allgemeinbildende Schulen die Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss und die Anzahl der Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife betrachtet (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Statistik der allgemeinbildenden Schulen“, Jahr: 2021). Als weitere Kriterien wurden die Übergangsquote von der Grundschule auf das Gymnasium (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Übergangsquote von der Grundschule auf weiterführende Schulen“ für das Schuljahr 2019/20 bzw. 2021/22 bzw. 2022/23, je nach Verfügbarkeit) sowie die Anzahl der Klassenwiederholungen einbezogen (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Anzahl der Klassenwiederholungen“ für das Schuljahr 2019/20 bzw. 2021/22 bzw. 2022/23, je nach Verfügbarkeit). Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die einzelnen Werte ins Verhältnis mit ihrer jeweiligen Grundgesamtheit gesetzt. Für eine gute Schulqualität sprechen also möglichst wenig Schulabgänger ohne Abschluss, eine Vielzahl an Abiturienten, eine hohe Übergangsquote von der Grundschule aufs Gymnasium und möglichst wenig Klassenwiederholungen.
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- Für die Kategorie „Beschäftigungslage“, wurde die Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort (Quelle: „Statistische Ämter des Bundes und der Länder“, Stichtag: 30.06.2022) gemessen. Diese ist besonders bei einem Arbeitsplatzwechsel relevant. Je mehr Beschäftigte, desto mehr Arbeitsplätze, desto größer die Chancen, eine neue Anstellung in der Nähe zu finden.
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- In der Kategorie „Freizeit“ wurden das Kinoangebot, gemessen an den Kinositzplätzen (Quelle: Filmförderungsanstalt. Besuche, Umsatz, Eintrittspreise in Städten mit über 200.000 Einwohner*innen, 2022, bzw. Auskünfte der Gemeinden oder Gemeindekinos), sowie die öffentlichen Spielplätze, Schwimmbäder, Sportvereine (Quelle: Direktauskünfte der Gemeinden bzw. öffentliche Angaben auf den Gemeindewebseiten, Abruf: zwischen Juni und August 2023) einbezogen. Die einzelnen Werte wurden ins Verhältnis mit der Anzahl der Kinder pro Stadt gesetzt. Je mehr Freizeitangebote den Kindern zur Verfügung stehen, desto besser.
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- Für ein gutes Abschneiden in der Kategorie „Natur und Erholung“ wurde ein möglichst hoher Anteil an Vegetation und Wasserflächen (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Bodenfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung“, Stichtag: 31.12.2021) sowie eine möglichst geringe Bevölkerungsdichte (= Anzahl der Einwohner im Verhältnis zur Gesamtfläche; Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bevölkerung nach Geschlecht, Stichtag: 31.12.2021) bestimmt.
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- Die Kategorie „Sicherheit“ bezieht sich zum einen auf die begangenen Straftaten (Quelle: „Polizeiliche Kriminalstatistik, V1.0, Bundeskriminalamt, Jahr: 2022) und die Straßenverkehrsunfälle (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Statistik der Straßenverkehrsunfälle“, Jahr: 2021) pro Kopf. Für ein gutes Abschneiden der Städte sollte die Wahrscheinlichkeit, selbst in eine Straftat oder einen Unfall verwickelt zu werden, möglichst niedrig sein.
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- Für den Aspekt „Gesundheit“ wurden die Dichte an Krankenhäusern (bezogen auf die Gesamtfläche) (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, „Krankenhäuser nach Fachabteilungen“, Stichtag: 31.12.2021) sowie die Anzahl der Kinder- und Hausärzte pro Kind/Einwohner einbezogen (Quelle: Arztsuchverzeichnisse bzw. Direktauskünfte der Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder, Abruf: Juni/Juli 2023). Je größer die Dichte an Ärzten und Krankenhäusern, desto geringer sind die Wartezeiten bzw. desto mehr Zeit kann sich der Arzt für die Behandlung der Patienten nehmen, so die Annahme.
Beim Vergleich der Großstädte mit ihrem Vorortkonglomerat wurden die prozentualen Differenzen der Abweichung ermittelt.
Für die finale Bilanz, wo Familien mit Kindern letztendlich besser oder schlechter aufgehoben sind, wurde ausgezählt, wie viele Vor- und Nachteile, basierend auf den einzelnen Kategorieergebnissen, für das jeweilige Stadtgebiet sprechen.
Im Vergleich zur vorherigen Analyse aus dem Jahr 2019 haben sich kleinere Änderungen und Erweiterungen in den Kategorien und Quellen ergeben, sodass die Ergebnisse nicht direkt für einen Jahresvergleich geeignet sind.
Einige der verwendeten Daten (insbesondere die Kriminalitätsstatistik sowie die Daten zur Berechnung der Schulqualität) lagen lediglich auf Ebene der Landkreise vor. Diese wurden mit der Einwohnerzahl auf die Größe der jeweiligen Vororte umgerechnet und entsprechend gewichtet.
Die Studie darf lediglich als deskriptive Auswertung der vorhandenen Daten verstanden werden. Da die Analyse immer auf das gesamte Stadtgebiet bezogen ist, können sich die Daten innerhalb der einzelnen Stadtteile unterscheiden und zudem vom subjektiven Empfinden des Einzelnen abweichen.