So wird das Kind selbstbewusst

So wird das Kind selbstbewusst

Selbstvertrauen kann man lernen

Wenn Ihr Kind sich selbst klein macht, wird es Zeit, ihm Vertrauen zu sich zu schenken. Mit viel Liebe im Alltag und speziellen Übungen kann es selbstbewusster werden.

Manche Kinder sind sensibler als andere. Sie weinen schneller, trauen sich weniger und ziehen sich in Situationen zurück, in denen von ihnen Leistung abverlangt wird. Alles können Hinweise dafür sein, dass ihnen einfach eine Portion Selbstbewusstsein fehlt. Das lässt sich lernen und trainieren – schon und gerade bei Kindern.

Je positiver das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen sind, desto erfolgreicher können wir im Alltag mit Problemen umgehen. Auch die Ausbildung von individuellen Verhaltens- und Handlungsmustern, Vorstellungen für das eigene Leben und dem Mut, zu den eigenen Gedanken zu stehen – wichtige Eigenschaften für einen späteren Erfolg im Leben – basieren auf dem als Kind ausgebildeten Selbstwertgefühl. Es ist also entscheidend für die gesamte weitere Laufbahn: Machen wir uns permanent klein, denken selbst gering von uns und lehnen uns ab, schwindet das Selbstvertrauen und damit auch der Umgang mit Problemen und Konflikten im Alltag. Entsprechend wichtig ist es, das Fundament für innere Stärke – die sogenannte Resilienz – bereits in der Kindheit zu legen.

Entwicklung des Selbstwertgefühls in der Kindheit

Der Grundstein für das Selbstvertrauen eines Menschen wird in den ersten sechs Lebensjahren gelegt. Die Erfahrungen, die wir in diesen ersten Lebensjahren machen, prägen unser weiteres Leben. Und auch Gleichaltrige und Lehrer haben später noch einen Einfluss auf die weitere Entwicklung unseres Selbstvertrauens.

Kinder, die häufig gehänselt und bestraft werden, die kritisiert und mit anderen verglichen werden und denen das Gefühl vermittelt wird, dass sie nur akzeptiert werden, wenn sie alles richtig machen, entwickeln automatisch ein geringeres Selbstwertgefühl. Akzeptanz und Wertschätzung durch die Eltern und später durch die Mitschüler und Freunde sind damit bedeutende Faktoren für ein gutes Selbstvertrauen. Ausgrenzungen und Mobbing bewirken das Gegenteil.

Einfluss auf das Gefühl, dazu zu gehören und mit anderen mitzuhalten, nehmen auch das Äußere und die Kleidung. Attraktive Menschen bekommen (leider) mehr Aufmerksamkeit und punkten schneller in Sachen Sympathie – das merken schon Kinder.

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Quelle: HBSC-Studienverbund

Wie macht sich ein fehlendes Selbstwertgefühl bemerkbar?

Werden Kinder in der Schule gemobbt oder ausgegrenzt, ziehen sie sich häufig zurück. Sie meiden den Kontakt zu Mitschülern und Freunden immer mehr und kapseln sich ab. Häufig sind das Internet und Computerspiele ein Ersatz für Freunde, die exzessiv in der Freizeit genutzt werden. Ist die Schule der Ort des Mobbings, lassen meist auch die schulischen Leistungen mit der Zeit nach. Weitere Anzeichen für ein geringes Selbstwertgefühl können sein:

  • Das Kind spricht von sich selbst abwertend.
  • Es traut sich viele Dinge nicht zu und meidet bestimmte Tätigkeiten komplett.
  • In der Gegenwart anderer Kinder ist das Kind eher schüchtern.
  • Das Kind zieht häufig andere Kinder als Vergleich heran, die grundsätzlich besser abschneiden.
  • Es ist schnell reizbar und reagiert aggressiv oder sehr impulsiv.
  • Es geht ungern zur Schule.
  • Das Kind äußert häufiger, gern jemand anderes sein zu wollen.
  • Es äußert, dass andere alle Dinge viel besser können und ohnehin viel beliebter sind.
  • Die Frustrationsgrenze ist gering. Gelingt etwas nicht auf Anhieb, gibt das Kind schnell auf.
  • Es ist permanent auf der Suche nach Zuwendung und Anerkennung.

Übungen

Eltern können einem geringen Selbstwertgefühl ihrer Kinder entgegenwirken. Zum einen helfen Anerkennung und Zuwendung, zum anderen lässt sich Selbstvertrauen mit einigen Übungen gezielt trainieren. Dabei gehen Sie als Eltern mit positivem Beispiel voran: Nur, wenn Sie dem Kind vorleben, wie man souverän mit Problemen und Niederlagen umgeht, nimmt es dies überzeugt an.

Grenzen überwinden

Ihr Kind traut sich nicht so recht, etwas zu tun? Suchen Sie eine Situation, die herausfordernd ist und gehen Sie diese gemeinsam mit Ihrem Kind an. Beginne Sie mit einer kleinen Herausforderung nach dem Motto „Ich habe Angst, mache es aber trotzdem.“ Stehen Sie dem Kind bei der Bewältigung der Aufgabe zur Seite und ermutigen und loben Sie die Anstrengung auch dann, wenn es scheitert. Vorsicht: Wählen Sie keine Aufgabe, vor der das Kind eine wirkliche Panik hat und akzeptieren Sie die Grenzen, wenn das Kind die Herausforderung abbricht. Allein der Versuch ist ein Lob wert, negative Worte, dass die Aufgabe nicht geschafft wurde, sind komplett fehl am Platz.

Nein sagen

Viele Menschen sagen häufig Ja zu etwas, obwohl sie sich innerlich dagegen sträuben. Dabei ist ein Nein essenziell notwendig, um die eigenen Bedürfnisse zu achten. Der Grund ist häufig die Angst vor Gegenwehr und Ablehnung. Dazu gehört die Übernahme von lästigen Aufgaben ebenso wie ein Gespräch, das gerade sehr anstrengend ist. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es vollkommen okay ist, wenn es keine Lust zu etwas hat und Aufgaben auch ablehnen darf, ohne sich dafür schlecht fühlen zu müssen.

Lauter sprechen

Menschen, die nur ein geringes Selbstvertrauen haben, sprechen grundsätzlicher leiser. Animieren Sie Ihr Kind in diesem Fall dazu, bewusst lauter zu sprechen. Im fortgeschrittenen Alter kann auch ein Rhetorikkurs oder ein Stimmtraining behilflich sein, um das laute, selbstsichere Sprechen zu trainieren. Ermuntern Sie das Kind gleichzeitig dazu, den Blickkontakt beim Sprechen zu halten.

Auch gegenseitiges Anbrüllen hilft schüchternen Kindern, sich im Alltag bei lauten Streitereien nicht so schnell zurückzuziehen. Gehen Sie dafür gemeinsam mit dem Kind in die Hocke und brüllen Sie sich gegenseitig an: „Du warst es, gib es doch zu.“ „Nein, das stimmt nicht.“ „Doch, ich weiß es.“ „Du warst es doch selbst.“ Im Verlauf des spaßigen Brüllens erheben Sie sich beide – der Größenunterschied ist eine zusätzliche Herausforderung für das Kind. Wer lacht zuerst?

Ein Selbstporträt erstellen

Das Kind klebt ein Foto von sich auf einen Karton und gestaltet das Umfeld mit Dingen, die es mag: Fotos, Zeitschriften, Eintrittskarten etc. So entsteht eine ganz persönliche Collage, die im Lauf der Zeit erweitert werden kann. Das Kind lernt so, dass es einzigartig ist.

Auch die ganze Familie kann sich gegenseitig porträtieren. Dazu stellen sich alle vor einen Spiegel und nennen zuerst eine Äußerlichkeit, die sie an sich selbst mögen. Im Anschluss nennt jeder ein Merkmal, das er an einem anderen Familienmitglied mag. Dabei darauf achten, dass keiner ausgelassen wird, z. B. nennt jeder eine Eigenschaft seines Nachbarn.

Nudelschlacht

Ganz egal, ob Sie mit dem Kind rangeln oder die Aufgaben einem Geschwisterchen oder Freund überlassen: Wichtig ist, dass Kinder lernen, dass sie nicht jeder Rangelei aus dem Weg gehen müssen. Nehmen Sie sich dafür zwei Schwimmnudeln und „kämpfen“ Sie mit dem Kind. Nach und nach können beide dabei mehr Kraft anwenden, Sie können Ihr Kind durchaus anspornen, nicht zu zimperlich zu sein. Das macht nicht nur gute Laune, sondern baut gleichzeitig Aggressionen ab. Natürlich erklären Sie dem Kind auch, dass Kampf nur ein Mittel der spielerischen Auseinandersetzung und kein Mittel der Konfliktlösung ist und immer Regeln vereinbart werden müssen.

Verantwortung steigern und Eigeninitiative fördern

Kinder brauchen den Raum, um ihre Fähigkeiten auszutesten. Ein Nein oder die elterliche Sorge, dass etwas bei der Umsetzung des Plans schiefgehen könnte, ist hier fehl am Platz. Kinder müssen eigene Erfahrungen machen. Dabei ist es egal, ob sie alles dabei richtig machen. Das gilt für das Bezwingen des Klettergerüsts ebenso wie für eigene Ideen. Lassen Sie die Eigeninitiative des Kindes zu und fördern Sie damit das Selbstbewusstsein. Vor allem, wenn am Ende ein Erfolg steht, macht sich ein Glücksgefühl breit und das Selbstbewusstsein steigt.

Haben Sie doch mal ernste Zweifel, dass etwas schiefgehen kann, äußern Sie, wie Sie die Idee finden. Vereinbaren Sie klare Rahmenbedingungen, unter denen das Kind Dinge durchführen darf.

Lassen Sie Ihr Kind eigene Entscheidungen treffen: Wer soll zur Geburtstagsfeier kommen? Welcher Pullover darf es heute sein? Kinder lernen die Selbstwirksamkeit am besten, wenn sie eigene Entscheidungen treffen. Sicher geht es manchmal schneller, wenn Sie die Dinge übernehmen, doch lernt das Kind dabei nichts. Nehmen Sie sich also die Zeit und lassen Sie Ihr Kind Dinge erledigen.

Lassen Sie Ihr Kind im Haushalt helfen. Den Tisch decken, Ausflugsziele planen oder später den Einkauf übernehmen – die Übernahme von Verantwortung hilft dabei, die Selbstständigkeit zu fördern und stärkt das Selbstbewusstsein.

Weitere Übungen im Alltag

Selbstvertrauen lässt sich auch ohne gezielte Übungen im Alltag stärken. Einige einfache Tipps, die sich einfach in den Tagesablauf integrieren lassen. Informieren Sie sich darüber, was das Kind gerade bewegt. Ermuntern Sie es, über sich und seine Gefühle zu sprechen. Nehmen Sie Gedanken, Gefühle und das Kind als Person ernst.

Anerkennung und Lob wirken sich unmittelbar positiv auf das Selbstwertgefühl aus. Dabei soll das Lob nicht nur erfolgen, wenn das Kind alles richtig und keine Fehler gemacht hat, sondern dann, wenn es sich bemüht und angestrengt hat – ungeachtet des Ergebnisses, allein der Wille zählt. Loben Sie hingegen nur Fähigkeiten und Talente, stellen sich schnell Versagensängste ein. Dinge, die Sie täglich zusammen tun können:

  • Ermutigen Sie Ihr Kind, Neues auszuprobieren. Vermitteln Sie dabei die Sicherheit der Unterstützung, wenn es zweifelt oder unsicher ist.
  • Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie an es glauben. Machen Sie Mut und spenden Trost, wenn doch mal etwas nicht so klappt.
  • Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm und teilen Sie ihm mit, dass Sie froh sind, es zu haben. Regelmäßige emotionale Wärme ist wichtig, um ihm zu zeigen, dass es geliebt wird.
  • Kritik trifft stets nur das Verhalten, niemals die Person. Heben Sie dabei hervor, dass Sie Ihr Kind als Mensch für liebenswert und wertvoll halten und nur das situative Verhalten unangebracht ist.
  • Auch Misserfolge gehören dazu. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass auch Wut und Frust okay sind – aber auch, dass man sich davon nicht unterkriegen lassen sollte.
  • Vermitteln Sie Ihrem Kind das Wissen, dass es seinen Gefühlen nicht hilflos ausgesetzt ist, sondern es Einfluss auf sein seelisches Befinden hat.
  • Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass man durchaus Fehler machen und aus diesen lernen darf, ohne sich dafür schämen zu müssen.
  • Vermeiden Sie Vergleiche. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es einzigartig ist.
  • Globale Drohungen wie „Wenn du dies und jenes nicht tust, hat Mama dich nicht mehr lieb“ sind Gift für jedes Kind. Vermeiden Sie diese tunlichst.

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Fazit

Behandeln Sie Ihr Kind nicht wie ein rohes Ei. Nur durch die Erfahrung von Fehlern, Zurückweisungen, Kummer, Schmerz und Niederlagen haben Kinder überhaupt die Möglichkeit, ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln. Eltern, die ihren Kindern alle Steine aus dem Weg räumen und jede Niederlage vermeiden, verhindern, dass Kinder innere Stärke entwickeln, widerstandsfähig werden und mit Problemen umgehen können. Die Folge sind im Erwachsenenalter Überforderung, Depression und Burn-out. Ein Zuviel an Sorge und Behütung macht Kinder schwach. Aber: Immer nur Härte zeigen funktioniert nicht – das Kind braucht Rückhalt, Liebe und Zuwendung und darf auch mal schwach sein dürfen. So muss also die richtige Balance zwischen Stärke zeigen und Aufbauen gefunden werden, die bei jedem Kind anders ist. Nur so kann aus einem Kind ein selbstbewusster, junger Mensch werden.

 



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