Begriffsklärung: Soziale Phobie
Das zentrale Merkmal einer sozialen Phobie ist die ausgeprägte Angst, in sozialen Situationen im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich peinlich oder beschämend zu verhalten. Das kann zum Beispiel die Angst vor Vortragssituationen sein, aber auch scheinbar harmlose Vorgänge wie Essen oder Schreiben in der Öffentlichkeit betreffen.
Viele Menschen haben ab und an ein bisschen Lampenfieber: Für Personen mit sozialer Phobie stellen sich diese Situationen allerdings als unüberwindbar dar. Sie bekommen in jenen Situationen sehr starke Angst, die auf körperlicher Ebene beispielsweise mit starkem Herzklopfen, Schweißausbrüchen oder Zittern verbunden ist. Der Leidensdruck für diese Menschen ist oft so hoch, dass sie sich immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Grundsätzlich entwickeln etwa 10 bis 15 Prozent der Menschen in Amerika und Europa irgendwann im Laufe ihres Lebens einmal eine soziale Phobie.
Therapieansätze bei Angsterkrankungen
Die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen im gesellschaftlichen Kontext hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Deswegen wenden sich Menschen mit seelischen Nöten heute viel eher an Therapeuten. Soziale Phobie wird in den meisten Fällen im Rahmen einer Verhaltenstherapie behandelt werden. Dies beinhaltet grundsätzlich die Konfrontation mit der eigenen Angst: Der Patient soll so eine neue Herangehensweise entwickeln und andere Erfahrungen machen als er aufgrund seiner Angst erwartet. Soweit dies zeitlich einzurichten ist, begleiten viele Therapeuten ihre Patienten zunächst in diesen Situationen.
Abhängig von der Einschätzung des Therapeuten wird eine Kurz- (25 Sitzungen) oder Langzeittherapie (45 Sitzungen) geplant. Hierfür ist zunächst eine Überweisung vom Hausarzt zum Psychotherapeuten erforderlich. Wenn der Patient die Kosten von etwa 90 Euro pro Sitzung (50 Minuten) nicht selbst tragen kann, hilft eine Internetrecherche zu Therapeuten, die ihre Leistungen über die Krankenkassen abrechnen.
Danach werden dem Patienten bei beliebig vielen Therapeuten fünf sogenannte probatorische Sitzungen zugesprochen, um den Therapeuten zu finden, bei dem eine optimale Passung gewährleistet ist. In dieser Zeit entwickelt der Therapeut einen Behandlungsplan und stellt einen Antrag an den Gutachter der jeweiligen Krankenkasse. Diese prüft den Sachverhalt und bewilligt die Behandlung im Normalfall – besonders wenn noch nie eine psychotherapeutische Behandlung erfolgt ist.
Einfluss sozialer Ängste auf das Erziehungsverhalten: Ergebnisse einer Studie das National Institute of Mental Health in Bethesda/ Maryland
Soziale Phobie rührt häufig von negativen Erfahrungen her und auch genetische Komponenten werden diskutiert. Zusätzlich spielt das Erziehungsverhalten eine nicht unbedeutende Rolle in der Herausbildung sozialer Ängste bei Kindern.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder soziale Ängste entwickeln ist dann höher, wenn Eltern auch soziale Ängste haben“, weiß Psychologin Katharina Gaudlitz. In diesen Fällen findet die Eltern-Kind-Kommunikation auf eine andere Art und Weise statt. Eltern mit sozialer Phobie erziehen ihre Kinder häufig in stark perfektionistischer Manier.
„Wenn ich Angst vor der Bewertung anderer habe, schaue ich natürlich, dass ich mich möglichst immer „richtig“ verhalte und keine Fehler mache.“ Diese Herangehensweise an das eigene Verhalten wird von Eltern mit sozialer Phobie offenbar auch auf das Verhalten des Kindes übertragen. Es wurde beobachtet, dass dementsprechend jene Eltern ihren Kindern weniger Wärme und positive Zuwendung erteilen. Dafür erfahren deren Kinder häufiger Kritik und Zweifel an ihrer Leistung. Dabei vermutet Gaudlitz einen stärkeren Einfluss auf den Nachwuchs, wenn sich die soziale Angst schon vor der Geburt manifestierte, denn besonders im Säuglingsalter spielt das Bindungsverhalten der Eltern normalerweise eine große Rolle.
In einer Psychotherapie würde der Behandler dementsprechend den Fokus auf die positiven Reize legen, die der Patient bereits aussendet und versuchen, diese in Zusammenarbeit mit ihm gegenüber seinem Kind zu verstärken.
Psychologin Gaudlitz bekräftigt: „Es muss keine falsche Scheu bestehen, sich Unterstützung zu suchen“. Für Kinder muss es keineswegs abträglich sein, wenn Eltern sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden – im Gegenteil: „Kinder finden erst einmal alles normal, was sie von den Eltern mitbekommen.“
Wenn Sie Ihrem Kind also erklären, wie hilfreich diese Behandlung für Sie ist, wird sich dies nicht negativ auf Ihr Kind auswirken. Gaudlitz entkräftet diesen Glauben: „Letztlich reagieren Kinder sehr sensibel, wenn es den eigenen Eltern schlecht geht und umgekehrt wird es dem Kind besser gehen, wenn es den Eltern besser geht.“
Studie
Im Rahmen der amerikanischen Studie zum Thema „Angstförderndes Elternverhalten: Ein Vergleich besorgter Eltern mit und ohne soziale Phobie“ wurden 66 Elternteile in ihrem Verhalten beobachtet. Den Großteil der Probanden machten Mütter zwischen 31 und 58 Jahren aus. Die untersuchten Kinder waren im Alter von 7 bis 12 Jahren. Die Studie wurde durch das National Institute of Mental Health in Bethesda/ Maryland unterstützt und erschien 2012 im Springer Science + Business Media Verlag.
Zur Person Katharina Gaudlitz
Katharina Gaudlitz ist seit 2008 Diplom-Psychologin und befindet sich in ihrer Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin. Sie arbeitet an der Charité in Berlin an ihrer Promotion und betreut im Zuge dessen eigene Patienten im Bereich der Angsterkrankungen.