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We are family: Insights von Frau Papa & Regenbogenmutti

Alleinerziehend, Patchwork, Regenbogenfamilie – na und! Wir haben im Rahmen unserer neuen Serie “We are family – vielfältig und bunt wie das Leben” Eltern befragt, die jenseits des klassischen Mama-Papa-Kind(er)-Modells eine Familie haben, wie sie ihren Alltag so meistern und ihre Mitmenschen ihnen begegnen. Lest selbst, was Nina und Jane dazu sagen!

We are Family

1. In welcher Art Familie seid ihr selbst aufgewachsen?

Nina (links im Bild): Ich bin das älteste von vier Kindern. Meine Eltern sind noch immer verheiratet, ich könnte sagen, dass ich in einer sehr klassischen Familie aufgewachsen bin.

Jane: Schön, wenn es so einfach ist. Ich bin in einer Patchworkfamilie aufgewachsen – genau genommen in zwei, da meine Mutter zweimal verheiratet war. Meinen leiblichen Vater habe ich erst nach der Geburt des vierten Kindes kennengelernt und keinen Kontakt mehr zu ihm.

2. Wann ist bei euch der Wunsch nach eigenen Kindern entstanden?

Jane: Früher wollte ich nie Kinder haben. Erst als ich meinen Ex-Mann kennengelernt habe, konnte ich mir vorstellen, Kinder zu bekommen.

Nina: Ich wollte immer Kinder haben. Bereits mit 15 – 16 Jahren war mir klar, dass ich eine Familie haben will. Das Leben hat dann aber nicht ganz so mitgespielt. Wobei es aus heutiger Sicht gut ist, dass ich nicht mit einer meiner Ex-Frauen eine Familie gegründet habe. Ich glaube, mit etwa 33 Jahren hatte ich den Wunsch eigene Kinder zu haben, aufgegeben. Und dann kam doch alles anders.

3. Wie hat sich das Familienkonstrukt, in dem ihr jetzt lebt, entwickelt?

Nina: Als ich Jane kennenlernte, studierte ich noch in Salzburg. Sie war alleinerziehend und wir unterhielten uns lange Zeit über ICQ. Dabei haben wir oft über die Kinder, Familie, alles mögliche geschrieben. Wir lebten 800 km voneinander entfernt und waren anfangs nur befreundet.

Jane: Und kurz nach Weihnachten standest du einfach vor der Tür.

Nina: Ja, das erste Treffen war etwas spontan. Ich lernte sofort deine Kinder kennen. Und dann war ziemlich schnell klar, dass es zwischen uns was Ernstes wird.

Jane: Wir waren ja auch nicht lange zu viert, da ich recht schnell schwanger wurde.

Nina: Die beiden großen Kinder waren alle 14 Tage beim biologischen Vater oder den Großeltern und diese Konstellation änderte sich auch durch die Geburt unseres vierten Kindes nicht wesentlich. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, inwieweit mein Coming-Out da wichtig ist.

Jane: Es wurde aus der Patchworkfamilie eine Regenbogenfamilie. Wobei das meiste ja passierte, bevor es in der Öffentlichkeit sichtbar wurde. Mit der Sichtbarkeit nach außen ist das für andere erst so richtig interessant geworden. Wir mussten Lernen mit den Reaktionen umzugehen. Nicht nur Nina und ich, auch die Kinder erlebten diese Umstellung sehr bewusst.

Nina: Wir haben die Kinder in alle Schritte einbezogen und aufklärt. Wir haben nach dem Coming-Out beschlossen, den Weg so gut es geht gemeinsam zu gehen und das bedeutete, dass vom ersten Gespräch mit Jane bis zum Schritt als Frau in die Öffentlichkeit zu gehen, etwa vier Jahre vergingen. Die Kinder hatten Zeit, sich an die Veränderung zu gewöhnen. Eigentlich bestimmten die Kinder, wie schnell meine Transition voranschreitet.

Jane: Genau. Dann hatte sich alles eingependelt. Dann kam mein Job und gut anderthalb Jahre lang lief alles in geregelten Bahnen. Ende 2016 wollten die beide großen Kinder zum leiblichen Vater ziehen. Diese Veränderung hat uns einige Zeit zu schaffen gemacht.

Nina: Aber inzwischen hat sich das eingependelt und die großen sind regelmäßig bei uns. Ich denke, das beschreibt so in etwa unsere Familie.

4. Haben eure Kinder euer Familienmodell schon einmal hinterfragt?

Jane: Die Kinder fragen da relativ wenig. Fragen kommen eher von außen. Es wird in verschiedene Richtungen hinterfragt. Ninas Transsexualität wird thematisiert, aber auch, dass die beiden großen Kinder vor zwei Jahren zum leiblichen Vater gezogen sind.

Nina: Die Kinder fragen schon, aber da geht es meistens um konkrete Dinge. In der Schule wurden besonders die beiden kleinen öfter angesprochen. Der Mittlere antwortet da: “Frag Nina doch selbst.” Wir mussten unser Familienmodell den Kindern noch nie erklären. Wir haben uns Zeit gelassen. Kleine Schritte und viel Geduld – Papa stand nicht plötzlich im Kleid da.

5. Wie reagieren Menschen in eurer Umfeld auf eure Familie? Habt ihr euch jemals diskriminiert gefühlt? Wenn ja, in welcher Situation? Wie seid ihr damit umgegangen? Und wer steht euch zur Seite, wenn ihr einmal nicht weiterwisst?

Nina: Inzwischen sind wir stadtbekannt. Durch das Engagement als Elternvertreterin an der Schule kennen uns fast alle Menschen, die uns begegnen. Entsprechend reagieren die meisten Menschen kaum.

Jane: Einige sind aber jedes mal überrascht, wenn sie dich sehen.

Nina: Ja, manche Menschen können mit Transsexualität nicht umgehen. Und Diskriminierung… ja, erleben wir. Aber wenn ich da ins Detail gehe, sprengt das den Rahmen. Im Alltag ist Gaffen und Getuschel das Häufigste. Ich rede nicht von normalen neugierigen Blicken. Es gibt Menschen, die mich ansehen, als wäre ich ein Alien. Da schaue ich zurück, lächle, winke und sage: “Sie können ruhig hinschauen, davon geht es nicht weg.”

Jane: “Anfassen kostet extra.”

Nina: Ja, genau. Diskriminierung… In der Geburtsurkunde meiner beiden Kinder steht mein alter Name und in der Heiratsurkunde stehe ich im Feld Ehemann. Die größten Hürden bereiten mir Ämter, Behörden, Krankenkassen und Ärzte.

6. Auf einer Skala von 0 bis 10: Wie sehr empfindet ihr euer Familienmodell als von der Gesellschaft akzeptiert?

(0 = überhaupt nicht akzeptiert, 10 = vollständig akzeptiert)

Jane: Eine gute Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe.

Nina: Gesellschaft ist so ein Wort. Als wäre es eine homogene Masse. Ein Großteil der Menschen ist offen, viele sind tolerant und lernen, sobald sie uns kennenlernen, wie normal unser Leben und unsere Familie ist. Deshalb vergebe ich eine 7. Aber dieser Großteil ist nicht “die Gesellschaft”. Patchworkfamilien werden mittlerweile als normal angesehen, Regenbogenfamilien eher nicht. Ich gehe zum Beispiel nicht auf die Straße, wenn im Ort das Schützenfest ist. Gruppen von Männern meide ich generell. Toxische Maskulinität ist eigentlich das Hauptproblem. Homo- und Transfeindlichkeit ist besonders im Umfeldechter Kerleein großes Problem.

 

Titel

7. Was ist das Schönste an eurer Familie?

Jane: Der Zusammenhalt.

Nina: Dass wir einander vertrauen.

8. Was wünscht ihr euch für die Zukunft eurer Familie?

Nina:   Wir haben lange von ALG II leben müssen. Die Kinder haben ihre Situation zwar nicht als Armut wahrgenommen. 
Ich hoffe, dass die Kinder eine faire Chance auf Bildung haben. 
Jane:   … und ganz klassisch: Gesundheit, Zufriedenheit.

 

We are family

Über Nina und Jane

Nina und Jane: Das sind Frau Papa und Regenbogenmutti. Auf ihren beiden Blogs schreibt das Paar über ihre Familie mit vier Kindern, über das Leben als Patchwork-Regenbogenfamilie, über Transsexualität, aber auch über Themen wie Kinderarmut.

 

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Liebe Elternblogger, macht mit!

Familie ist etwas Einzigartiges und sieht für jeden Menschen anders aus. Wir wollen wissen, wie das bei Euch ist. Deshalb rufen wir alle Elternblogger, die sich in unseren Interviews wiederfinden, auf: Meldet euch bei uns unter julia.schambeck@care.com! Erzählt uns von euren Familien, euren Erfahrungen und eurem kleinen persönlichen Glück.

Alle Leser ohne eigenen Blog können uns gern in einem Kommentar unter diesem Artikel erzählen, was ihre Familie für sie so einzigartig macht. Wir sind gespannt auf Eure Geschichten!

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