1. Wie hat sich das Familienkonstrukt, in dem du jetzt lebst, entwickelt?
Als ich vor zehn Jahren meinen jetzigen Ehemann kennenlernte, konnte ich mir eine Beziehung mit ihm zunächst gar nicht vorstellen. „Der hat doch schon einen Sohn!” – Das passte nicht in meinen Kleinmädchentraum vom Traummann, Hochzeit und Bilderbuch-Familienleben. Aber wie das im Leben so ist, kann man sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. So entschloss ich mich, trotz vieler Fragen und Unsicherheiten das Wagnis „Mann mit Kind” einzugehen. Ich bin den Weg gegangen: Von der kinderlosen Stiefmutter hin zu einer Patchworkmama mit „zwei Bauchkindern und einem Bonuskind”. Ich unterteile den Prozess, den ich durchlaufen habe, gern in vier typische Phasen: Kennenlernen, Begegnung mit dem Stiefkind, Wachstum durch gemeinsame Kinder und schließlich Zusammenwachsen als Familie. Bei uns hat sich vor knapp zwei Jahren noch eine Änderung ergeben, als mein Bonussohn von seiner Mama zu uns gezogen ist. Jetzt ist er jedes zweite Wochenende bei ihr. Die Kommunikation unter uns drei Erwachsenen klappt gut. Wir leben also „Patchwork auf Augenhöhe” – so heißt auch mein Coaching-Unternehmen, in dem ich vor allem Stiefmütter auf ihrem Weg unterstütze.
2. Wie reagieren Menschen in deinem Umfeld auf eure Familie? Habt ihr euch jemals diskriminiert gefühlt? Wenn ja, in welcher Situation? Wie seid ihr damit umgegangen?
Die Bezeichnung Stiefmutter finde ich selbst auch nicht schön, leider hat sich kein anderer Begriff wie z. B. Bonusmutter wirklich durchgesetzt. Ich merke daher oft eine Unsicherheit bei meinen Gegenüber, z. B. im schulischen Kontext, wie ich betitelt werden soll. Als Diskriminierung sehe ich das eigentlich nicht, eher als Verlegenheit. Ob ich bei der Aussage „Ah, Sie sind die Stiefmutter” ein „nur” heraushöre, liegt ja an mir selbst. Schwierig ist auch, dass der Junge einen anderen Nachnamen hat als alle anderen Familienmitglieder, die hier zusammenleben. Das sorgt oft für Verwirrung und muss erklärt werden. Für die Kinder spielt es keine Rolle, ob die Geschwister „Halbbruder und -schwester” sind. Sie gehen ganz natürlich damit um, dass der Große an den Wochenenden manchmal bei seiner Mama ist und mich Marita nennt.
3. Auf einer Skala von 0 bis 10: Wie sehr empfindest du dein Familienmodell als von der Gesellschaft akzeptiert?
(0 = überhaupt nicht akzeptiert, 10 = vollständig akzeptiert)
Insgesamt 6. Gesellschaftlich wird eine Patchworkfamilie meiner Ansicht nach als „ganz normal” aufgefasst. Da gibt es keine schiefen Blicke, wenn mal ich und mal die leibliche Mutter den Sohn von der Schule abholt. Durch die hohe Scheidungsrate, bei der in fast 25 % der Fälle auch Kinder involviert sind, gibt es auf lange Sicht immer mehr Patchworkfamilien. Wenn ich von meiner Arbeit als Beraterin für Stiefmütter spreche, stellt sich oft heraus, dass bei vielen Familien irgendein Patchworkkonstrukt dahintersteckt. Viele Erwachsene waren selbst Scheidungskinder und hatten Stiefeltern, wenn es auch den Begriff Patchwork damals noch nicht gab. Rein rechtlich hat eine Stiefmutter erst dann überhaupt eine „offizielle” Beziehung zum Kind des Partners, wenn sie mit dem Kindsvater verheiratet ist. Allerdings bekommt sie auch dann weder das Erziehungsrecht, noch das Sorgerecht. Sie darf also höchstens im Einverständnis des Partners bei alltäglichen Dingen, die sein Kind betreffen, mitentscheiden. Einen Punkt Abzug gebe ich außerdem für den fehlenden Begriff für die Position der Stiefmutter. Ich würde mir wünschen, dass sich hierfür eine Bezeichnung etabliert, die sowohl die Würde der leiblichen Mutter als auch die Bemühungen um eine gute Beziehung zum Kind des Partners seitens der neuen Frau gleichermaßen berücksichtigt.
Über Marita Strubelt
Marita Strubelt ist Mutter, Stiefmutter und Familiencoach. Mit ihrem Blog Patchwork auf Augenhöhe leistet sie einen wertvollen Beitrag für eine wertschätzende Kommunikation in Patchworkfamilien. Sie unterstützt vor allem Frauen, die sich für einen Mann mit Kind entschieden haben, ihre Bedürfnisse klar zu kommunizieren und sich so ein glückliches Familienleben aufzubauen.
Liebe Elternblogger, macht mit!
Familie ist etwas Einzigartiges und sieht für jeden Menschen anders aus. Wir wollen wissen, wie das bei Euch ist. Deshalb rufen wir alle Elternblogger, die sich in unseren Interviews wiederfinden, auf: Meldet euch bei uns unter julia.schambeck@care.com! Erzählt uns von euren Familien, euren Erfahrungen und eurem kleinen persönlichen Glück.
Alle Leser ohne eigenen Blog können uns gern in einem Kommentar unter diesem Artikel erzählen, was ihre Familie für sie so einzigartig macht. Wir sind gespannt auf Eure Geschichten!
Hashtags: #wearefamily #meinefamilie #familiefüralle