Wurfgeschwister-Syndrom

Das Wurfgeschwister-Syndrom bei Hundewelpen

Hilfreiche Tipps und Infos für alle, die Welpen aus demselben Wurf aufnehmen

Mit Handlungsempfehlungen von Fachleuten zum Vorbeugen und Umgang mit betroffenen Welpen

Was könnte aufregender sein, als einen Welpen zu bekommen? Ganz klar: Zwei Welpen natürlich! Doch Vorsicht: Doppelt so viele Welpen kann auch doppelt so viele Herausforderungen bedeuten. Zwei Welpen gleichzeitig zu adoptieren, ist sicherlich schön, bringt aber auch einige Besonderheiten mit sich. So besteht zum Beispiel das Risiko des Wurfgeschwister-Syndroms, das zu Verhaltensproblemen wie Trennungsangst und Aggressionen führen kann. 

Wir haben uns mit fachkundigen Personen darüber unterhalten, was das Wurfgeschwister-Syndrom ist, welche Auswirkungen es hat und wie Sie ihm erfolgreich entgegenwirken können.

Was ist das Wurfgeschwister-Syndrom?

Das Wurfgeschwister-Syndrom beschreibt ein extremes Abhängigkeitsverhalten, das auftreten kann, wenn zwei gleichaltrige Welpen, häufig aus demselben Wurf, in einem Hundehaushalt gemeinsam gehalten werden. Diese Abhängigkeit kann dazu führen, dass Hunde Schwierigkeiten haben, sich mit anderen Hunden zu sozialisieren, eine Bindung zu ihren Halter/-innen aufzubauen und verschiedene Verhaltensprobleme entwickeln. 

Hier gilt allerdings hinzuzufügen, dass Trennungsangst und aggressives Verhalten bei Hunden oft auch andere Ursachen haben können und in der Regel mangelnder Sozialisierung und fehlendem Training zuzuschreiben sind.

Viele Hundehalterinnen und -halter nehmen sich auch nicht die Zeit, gleichaltrige Welpen separat voneinander zu trainieren und mit anderen Hunden zu sozialisieren. Das hat zur Folge, dass die Welpen zu abhängig voneinander werden und keine enge Bindung zu ihren Halter/-innen aufbauen.

Gibt es das Wurfgeschwister-Syndrom auch bei Katzen?

Verglichen mit Studien zu Katzen wurde das Wurfgeschwister-Syndrom bei Hunden wesentlich intensiver erforscht. Klar ist jedoch, dass zwischen Katzen und Hunden bedeutende biologische Unterschiede bestehen und sich zwischen Hundegeschwistern ganz andere Dynamiken entwickeln als zwischen Kätzchen aus demselben Wurf. Bei Katzen wird oft sogar empfohlen, ein Geschwisterpaar aufzunehmen.

Die Instinkte und Charakterzüge eines Hundes sind angeboren und bilden sich im Laufe seiner Entwicklung weiter aus. Manche Hunde sind eher schüchtern und unsicher, andere sind dominant und entwickeln sich zum Alphatier. Diese individuellen Charaktere können zu Problemen unter Wurfgeschwistern führen. 

Getrennt vom dominanten Geschwisterchen lässt sich bei unsicheren Hunden oft Trennungsangst oder gar Zerstörungswut beobachten. Wird nichts unternommen, können sich diese Verhaltensprobleme mit der Zeit noch verschärfen. Leben zwei Alphatiere im selben Haushalt, kommt es oft zu Kämpfen, wenn die Welpen erwachsen werden. 

Wenn zwei Welpen, die in ihrem ersten Lebensjahr eine außergewöhnlich enge Bindung hatten, plötzlich anfangen, sich zu bekämpfen, sind viele Hundehalter/-innen überrascht. Tatsächlich ist dieses Verhalten jedoch völlig normal und sogar zu erwarten, wenn zwei gleichaltrige Welpen im selben Haushalt aufgezogen werden – auch dann, wenn sie nicht aus demselben Wurf stammen.

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Ist es ratsam, zwei Wurfgeschwister zu adoptieren?

Kurz gesagt: Nicht wirklich. Während es durchaus vorkommt, dass sich Wurfgeschwister eine ganze Weile gut verstehen, ist das doch eher die Ausnahme und häufig entwickeln Hunde Verhaltensprobleme, wenn sich ihre Instinkte und Charaktere mit der Zeit voll ausbilden.

Abgesehen davon ist der zeitliche Aufwand nicht zu unterschätzen. Denn zwei Welpen bedeuten doppeltes Training, doppelt so viel Geduld und mindestens doppelt so viel Zeit. Deshalb raten Expertinnen und Experten dazu, zunächst einen Welpen zu adoptieren und mit dem zweiten zu warten, bis der erste vollständig sozialisiert und der Kinderstube entwachsen ist.

Die Symptome des Wurfgeschwister-Syndroms 

Das erste Anzeichen dafür, dass Welpen das Wurfgeschwister-Syndrom entwickeln, ist eine sehr enge Bindung zwischen den beiden. Diese zeigt sich zum Beispiel darin, dass sich die Welpen nicht gerne trennen oder nervös und gestresst werden, wenn sie getrennt sind. Das kann bereits im Alter von acht bis zehn Wochen beginnen und sich im Laufe der Zeit zu Aggressionen, Trennungsangst und Verhaltensproblemen beim individuellen Training entwickeln. 

Wie kann man dem vorbeugen? 

Dem Wurfgeschwister-Syndrom entgegenzuwirken kann eine Herausforderung darstellen, deren erfolgreiche Bewältigung zu großen Teilen von Ihnen als Halter/-innen abhängt. Neben Einzeltraining und separaten Spaziergängen sollten Sie folgende Präventivmaßnahmen ergreifen:

Nehmen Sie Welpen erst auf, wenn sie mindestens acht Wochen alt sind

Welpen sollten nicht früher als mit acht bis zehn Wochen von ihrer Mutter und ihren Geschwistern getrennt werden. Das gibt ihnen ausreichend Zeit, um erste Lernerfahrungen mit der Impulskontrolle und Beißhemmung zu machen. 

Als Beißhemmung wird die Fähigkeit eines Hundes bezeichnet, die Stärke seines Bisses zu kontrollieren. Das lernen Welpen in der Regel spielerisch im Umgang mit den Geschwistern und der Mutter, die ihnen zum Beispiel durch Aufjaulen signalisieren, wenn ein Biss versehentlich zu fest war. Auf diese Weise lernen Welpen, die Intensität ihres Bisses zu steuern.

Werden Welpen zu früh von ihrer Mutter und ihren Geschwistern getrennt, wird es schwieriger für die Halter/-innen, die Beißhemmung mit ihnen zu trainieren. Acht bis zehn Wochen ist außerdem ein Alter, in dem Welpen unabhängig werden, alleine fressen können und in der Lage sind, neue Umgebungen kennenzulernen.

Beginnen Sie früh mit der individuellen Sozialisierung 

Welpen sollten – sofern sie über die nötigen Schutzimpfungen verfügen – relativ früh mit anderen Hunden, Umgebungen und Menschen jeden Alters in Kontakt kommen. Ein Geschwisterchen bietet natürlich den Vorteil, dass die Welpen den Umgang untereinander lernen können, ohne externen Krankheitserregern ausgesetzt zu sein. 

Für eine gesunde Sozialisierung reicht der Kontakt zu einem Wurfgeschwisterchen allerdings nicht aus, da dies zu einer zu großen Abhängigkeit und der fehlenden Bindung zu Mensch und Umgebung führen kann. 

Fachleute empfehlen deshalb, Welpen individuell zu sozialisieren und dabei folgende Tipps zu beachten:

  • Setzen Sie Ihren Welpen möglichst verschiedenen Reizen aus – von Menschen und Umgebungen über Geräusche bis hin zu Texturen wie unterschiedlichen Bodenbelägen und Landschaften –, um ihn an diese zu gewöhnen. 
  • Arbeiten Sie mit Lob und Leckerlis, um Ihren Welpen auf positive Weise an neue Erlebnisse zu gewöhnen. 
  • Bleiben Sie ruhig, wenn Sie Ihren Welpen neuen Menschen oder anderen Hunden vorstellen. Wenn Sie nervös werden, kann sich diese Nervosität auf Ihren Hund übertragen und zur Folge haben, dass er in Zukunft ängstlich auf Fremde reagiert.
  • Überfordern Sie Ihren Welpen nicht, indem Sie ihn direkt großen Menschenmengen aussetzen, sondern gewöhnen Sie ihn Schritt für Schritt an Neues. Andernfalls kann es passieren, dass er Angst vor Gruppen fremder Menschen entwickelt.

Trennen Sie Wurfgeschwister anfangs so oft wie möglich

Um Verhaltensproblemen möglichst effektiv vorzubeugen, empfehlen Expertinnen und Experten, selbst alltägliche Aktivitäten wie das Füttern von Anfang an separat auszuführen. So geben Sie Ihren Welpen die Möglichkeit, in aller Ruhe und ihrem eigenen Tempo zu fressen und beugen Streitigkeiten vor, die sich später zu Aggressionen entwickeln können. 

Auch das Training sollte separat erfolgen – ob draußen oder drinnen, ob Leinen- oder Gehorsamkeitstraining. Wenn Sie mit beiden Welpen gleichzeitig zur Hundeschule gehen möchten, nehmen Sie am besten eine zweite Person mit, sodass eine 1:1-Betreuung möglich ist.

Lässt sich das Wurfgeschwister-Syndrom heilen?

Viele Hundehalterinnen und -halter erkennen erst spät, dass ihre Hunde am Wurfgeschwister-Syndrom leiden, etwa dann, wenn sie anfangen, sich ungewöhnlich aggressiv zu verhalten. In diesen Fällen ist in der Regel lebenslanges konsequentes Training erforderlich und selbst das garantiert keinen Erfolg. 

Falls Sie den Verdacht haben, dass Ihre Hunde am Wurfgeschwister-Syndrom leiden könnten, holen Sie sich am besten tierärztlichen Rat dazu ein, wie Sie weiter vorgehen sollten. Dazu zählen ein neues Trainingsprogramm, neue Routinen zu Hause und Ideen dafür, wie Sie mit aggressivem Verhalten Ihrer Hunde umgehen können.

Zusammenfassung

Das Wurfgeschwister-Syndrom kann auftreten, wenn zwei gleichaltrige Welpen im selben Haushalt aufwachsen und eine so enge Bindung zueinander aufbauen, dass ihre Familie und weitere Haustiere nur eine zweitrangige Rolle spielen. Dadurch können Verhaltensprobleme entstehen, wie eine gegenseitige Abhängigkeit, Aggressionen gegenüber Dritten und Trennungsangst. 

Um dem vorzubeugen, sollten sich Hundehalterinnen und -halter von Anfang an separat mit ihren Welpen beschäftigen. Das bedeutet, dass sie sie einzeln trainieren, sozialisieren, separat mit ihnen Gassi gehen und mit ihnen spielen sollten – und zwar bis ins frühe Erwachsenenalter hinein. Ein Hund kann nur dann sein volles Potenzial entfalten und sich als Individuum entwickeln, wenn er auch als solches gesehen und behandelt wird.



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