Appetitlosigkeit im Alter – Gründe und Strategien

Der Verlust von Appetit im Alter ist ein häufiges Phänomen, das vielen Angehörigen Sorge bereitet. Erfahren Sie mehr über die Ursachen und Risiken und finden Sie heraus, wie Sie ältere Menschen dazu anregen können, wieder mehr zu sich zu nehmen.

In vielen Haushalten werden Mahlzeiten in Gesellschaft eingenommen. Häufig versammeln sich Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde um einen großen Tisch und verbringen beim Essen gemeinsam Zeit. Im Alter wird der Kreis an nahestehenden Personen jedoch immer kleiner – die Kinder haben mittlerweile eigene Familien und die Partner oder Partnerinnen sind oft schon verstorben. Neben medizinischen und körperlichen Problemen ist es oft das Fehlen von sozialen Beziehungen, das Seniorinnen und Senioren die Freude an den Mahlzeiten nimmt und zu Appetitlosigkeit führt.

Zu problematischen Essgewohnheiten im Alter tragen mehrere Faktoren bei. Einige davon sind körperlicher Natur, zum Beispiel ein verändertes Geschmacks- und Geruchsempfinden, schlechtere Mundgesundheit und Körpermechanik. Wenn alte Menschen keine Kraft mehr haben, macht sich das natürlich auch beim Essen bemerkbar. Umweltbedingte und psychosoziale Faktoren sind hierbei noch gar nicht berücksichtigt. 

Mangelnder Appetit kann schnell zu Gewichtsverlust und Mangelernährung führen. In der Folge kommt es zu einer höheren Sterblichkeitsrate und körperlichem sowie geistigem Abbau. Daher ist es wichtig, die Gründe für den Appetitverlust bei Seniorinnen und Senioren genauer zu verstehen. Mit cleveren Strategien lassen sich Mahlzeiten dann oft wieder reizvoller gestalten. Darüber hinaus sollten Angehörige und Betreuungspersonen wissen, wann es an der Zeit ist, medizinischen Rat einzuholen.

Körperliche Ursachen für Appetitverlust

Dass der Appetit mit zunehmendem Alter nachlässt, ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches – schließlich verbringen Seniorinnen und Senioren deutlich mehr Zeit im Sitzen und sind häufig nicht mehr so aktiv wie früher. Das ist allerdings nicht der einzige Grund, der zu drastischen Änderungen des Appetits führen kann.

Trockener Mund und Dehydrierung

Mit einem trockenen Mund fällt es schwerer, Essen zu kauen und zu schlucken. Wenn alte Menschen nicht mehr essen und trinken wollen, sollte man daher zunächst prüfen, ob die Betroffenen an Mundtrockenheit leiden. Manchmal ist diese durch bestimmte Medikamente bedingt, sie kann aber auch auf Dehydrierung zurückzuführen sein. Dies ist für sich genommen schon unangenehm, doch auch der Zahnersatz kann durch einen trockenen Mund anfangen, zu reiben, und so zusätzlich Schmerzen verursachen.

Probleme und Schmerzen beim Essen

Ältere Menschen schaffen es oft nicht mehr regelmäßig zum Zahnarzt und leiden daher unter Zahnschmerzen, schlecht sitzendem Zahnersatz, Zahnfleischerkrankungen und anderen Zahnproblemen, die das Essen zunehmend schmerzhaft gestalten.

Auch der Verlust der vollständigen Kontrolle über Mund- und Lippenbewegungen, eine schlechtere Koordinationsfähigkeit und Zittern oder eine generelle Schwäche sorgen dafür, dass der technische Aspekt der Nahrungsaufnahme zur Qual wird. 

Verlust des Geruchssinns 

Unsere Sinne sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir Essen genießen können. Sind wir nicht mehr dazu in der Lage, unser Essen richtig zu riechen, führt dies unweigerlich zu weniger Freude bei der Nahrungsaufnahme. Ab einem Alter von 60 Jahren stellen viele ältere Menschen ein vermindertes Riechvermögen bei sich fest. Das hat zur Folge, dass Essen einfach nicht mehr wie früher schmeckt.

Veränderungen des Lebensstils 

Neben sich verändernden Körperfunktionen liegt der Appetitverlust manchmal auch an Veränderungen des Lebensstils. Häufig wurde durch das Alter die gewohnte Routine unterbrochen. Im Arbeitsalltag war man es gewohnt, vor der Arbeit zu frühstücken und während der Mittagspause im Pausenraum zu essen. Nach Feierabend kam man nach Hause und naschte eine Kleinigkeit, während man das Abendessen kochte. Mit Renteneintritt verlieren die meisten Menschen diese Routine. 

Auch ein zunehmend sitzender Lebensstil trägt dazu bei, dass die Menschen keinen ausreichenden Appetit mehr entwickeln.

Emotionale Ursachen für Appetitverlust

Neben den körperlichen Ursachen wirkt sich auch der mentale Zustand auf das Hungergefühl aus.

Depressionen und Niedergeschlagenheit

Wenn ältere Menschen nicht mehr essen wollen, kann dies auch daran liegen, dass sie einsam, sozial isoliert oder sogar depressiv sind. Altersdepressionen lassen sich zwar teilweise auf Faktoren wie soziale Isolation und Einsamkeit zurückführen, doch manchmal gibt es auch einen direkten Zusammenhang zwischen Depressionen und Appetitverlust.

Fehlende soziale Einbindung

Wenn man jahrelang daran gewöhnt war, mit der Familie oder dem bzw. der Ehepartner-/in zu essen, fällt es natürlich schwer, Mahlzeiten nun allein einzunehmen. Schon der Gedanke daran, nur für sich selbst zu kochen, ist für viele deprimierend. Aber auch ältere Ehepaare verspüren oft keine große Freude mehr an den Mahlzeiten und empfinden diese nur noch als lästige Pflicht. 

Überforderung durch ernährungsbedingte Einschränkungen

Im Alter steigt das Risiko für Komorbiditäten, u. a. durch Diabetes, Niereninsuffizienz und Nierenversagen. Sobald ältere Menschen diese Probleme mit ihrem Arzt besprechen, werden ihnen etliche (häufig widersprüchliche) Diätvorgaben aufgehalst. Kein Obst, da es viel Zucker enthält. Viel Obst, da es sehr kaliumhaltig ist. Angesichts dieser Einschränkungen überrascht es nicht, dass vielen die Lust am Essen vergeht.

Gefahren durch Appetitverlust bei Seniorinnen und Senioren

Während ein vorübergehender Appetitverlust noch kein Grund zur Sorge ist, birgt dieser Zustand, wenn er länger anhält, zwei große Risiken: Mangelernährung und eine erhöhte Sterblichkeit.

Eine der größten Gefahren eines anhaltenden Appetitverlusts ist Mangelernährung, äußerlich durch einen schnellen Muskelabbau, vor allem um die Schläfen und am Schlüsselbein, zu erkennen.

Mangelernährung kann auf mehr als einen bloßen Appetitverlust zurückgehen, zum Beispiel auf akute oder chronische Erkrankungen. Das Resultat bleibt dabei dasselbe: Mangelernährung geht bei älteren Menschen mit einer gesteigerten Sterblichkeits- und Krankheitsrate einher. Ein plötzlicher Verfall im Alter wird nicht selten durch einen solchen Zustand eingeleitet. Leider bedeutet das in der Regel, dass ein aktiver Alltag nicht mehr möglich ist, wodurch auch die Lebensqualität im Allgemeinen drastisch abnimmt.

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Strategien, um Appetitverlust im Alter entgegenzuwirken 

Wenn Sie oder ein Ihnen nahestehender Mensch an Appetitverlust leiden bzw. leidet und körperliche oder medizinische Ursachen ausgeschlossen wurden, können Sie mit folgenden Tipps versuchen, zusätzliche Hürden, die einem entspannten Essen im Weg stehen, zu beseitigen.

Gestalten Sie Mahlzeiten als soziales Ereignis

Da einer der Hauptgründe, weshalb ältere Menschen keine Freude am Essen empfinden, fehlende soziale Beziehungen sind, sollten Sie nach Wegen suchen, Mahlzeiten mit Begegnungen und sozialem Austausch zu verknüpfen. Hierzu könnten sich Familienmitglieder abwechseln, sodass immer eine Person anwesend ist, um älteren Angehörigen beim Essen Gesellschaft zu leisten. Aber auch professionelle Betreuungspersonen, die bei der Zubereitung und dem Essen der Speisen helfen, können diese Aufgabe mit übernehmen. Einige Seniorinnen und Senioren könnten auch in Erwägung ziehen, in ein Seniorenheim oder eine betreute Wohneinheit zu ziehen, wo sie die Möglichkeit haben, Mahlzeiten regelmäßig in einem Speisesaal mit anderen Menschen einzunehmen. 

Gestalten Sie Mahlzeiten angenehm

Auch wenn spezielle Diäten in manchen Fällen unumgänglich sind, sollte man doch die Vor- und Nachteile einer zu restriktiven Ernährung sorgfältig abwägen. Wenn Sie beispielsweise einen Angehörigen haben, der an Diabetes leidet und nicht essen möchte, weil er Appetit auf Kartoffeln und Obst hat, diese Nahrungsmittel aber nicht essen darf, dann ist ein gelegentlicher Apfel das kleinere Übel. 

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Seniorinnen und Senioren erwachsen sind und selbst entscheiden können, was sie essen möchten – auch wenn das bedeutet, dass die 85-jährige Mutter einen großen Früchteeisbecher zum Abendessen haben möchte. Schließlich treffen wir alle manchmal Entscheidungen, die für unsere Gesundheit nicht unbedingt vorteilhaft sind.

Gestalten Sie Mahlzeiten als Erlebnis der Sinne

Im Alter nehmen Sinnesempfindungen häufig ab, wodurch die Nahrungsaufnahme kein Ereignis mehr ist, auf das man sich freut. Ein sensorisches Erlebnis, das die Mahlzeiten umrahmt, kann hier Wunder wirken. Dabei geht es um mehr als nur Geschmack – das Auge isst bekanntlich auch mit. Darüber hinaus sind ein ansprechender Geruch und angenehme Musik eine gute Möglichkeit, das Essen einladender zu gestalten und sowohl auf körperlicher als auch auf psychologischer Ebene eine Motivation zu schaffen. 

  • Licht: Ist es hell genug, um Essen und Getränke deutlich zu sehen?
  • Geruch: Liegen angenehme Aromen in der Luft, wie frisch aufgebrühter Kaffee oder warme Brötchen?
  • Klang: Versuchen Sie es mit sanfter Hintergrundmusik, wie bei einem vornehmen Abendessen (oder spielen Sie die Lieblingsmusik der betroffenen Person).
  • Berührung: Können alle Komponenten der Mahlzeit eigenständig und bequem erreicht werden?

Gestalten Sie Mahlzeiten einfacher

Die Planung der einzelnen Mahlzeiten kann mental und körperlich erschöpfend sein. Neben speziellen Anbietern wie Essen auf Rädern existieren auch Lieferdienste für Mahlzeiten zum selbst Kochen wie HelloFresh, die das Kochen erleichtern. 

Auch Fingerfood und in kleine Häppchen portioniertes Essen sind Möglichkeiten, um die Mahlzeiten komfortabler zu machen. Hierfür können Familienmitglieder oder professionelle Betreuungskräfte Essen für mehrere Tage vorbereiten. 

Kochen Sie hochkalorische Mahlzeiten

Wenn ein ganzer Teller voller Essen eine zu große Hürde ist, kann es sinnvoll sein, mehrere kleine Zwischenmahlzeiten zu sich zu nehmen, die dafür mehr Kalorien enthalten. Besonders gut geeignet sind Nüsse, Avocados und Proteinshakes. Letztere haben noch einen weiteren Vorteil: Ältere Menschen mit fehlenden Zähnen oder Schmerzen beim Kauen können sie ohne Probleme trinken.

Verringern Sie die Zeit zwischen den Mahlzeiten

Bei älteren Menschen ändert sich der Stoffwechsel dramatisch. Angesichts dieser Entwicklung sollte man im Alter alle zwei bis drei Stunden Nahrung zu sich nehmen, auch wenn es nur eine kleine Zwischenmahlzeit ist.

Wann Sie professionelle Hilfe benötigen

In manchen Fällen ist eine Gewichtsabnahme durchaus beabsichtigt, zum Beispiel wenn ältere Menschen an Übergewicht, Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder anderen gesundheitlichen Problemen leiden. Verlieren Seniorinnen und Senioren allerdings ungewollt Gewicht, gilt es, die Gründe hierfür zu finden, da dies oft einen körperlichen Abbau und den Sterbeprozess ankündigt.

Kommt es zu einem signifikanten Gewichtsverlust oder deutlichen Änderungen des Allgemeinzustands, sollten Sie medizinischen Rat einholen, da Abnehmen im Alter gefährlich sein kann. Unter Umständen sind auch Appetitanreger für Senioren aus der Apotheke eine gute Option.

Wenn der Zustand zwar noch nicht kritisch ist, der Appetitmangel aber trotzdem zur Belastung wird, können ausgebildete Ernährungsberaterinnen und -berater Abhilfe schaffen.

Fazit

Auch wenn Appetitverlust wie ein natürlicher Bestandteil des Alterungsprozesses erscheint, sollte immer abgeklärt werden, ob es sich um ein Symptom eines größeren Problems handelt. Wenn Sie Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme frühzeitig angehen, beugen Sie damit ernsteren gesundheitlichen Problemen wie Mangelernährung und einem körperlichen Verfall vor.

Niemand kennt die betroffenen Personen so gut wie die Familienangehörigen. Wenn Sie sich um Ihre Eltern oder Ihren Partner bzw. Ihre Partnerin sorgen, sollten Sie Ihrem Instinkt vertrauen. Sprechen Sie mit den Betroffenen frei von Vorwürfen oder Verurteilung, um herauszufinden, was sie vom Essen abhält – vielleicht ist es ja etwas, das Sie gemeinsam meistern können.

Gehen Sie die Situation proaktiv an: Gestalten Sie Mahlzeiten als gemeinschaftliches Ereignis oder versuchen Sie, einen positiveren Kontext zu schaffen. Auf diese Weise können Sie dazu beitragen, dass Ihre geliebten Menschen nicht nur mit den nötigen Nährstoffen versorgt sind, sondern auch wieder Freude am Essen haben und mental und körperlich fit bleiben.



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