Warum ständiges Aufschieben unzufrieden macht

 

Möchten Sie wissen, was ich getan habe, bevor ich mich an diesen Post setzte? In loser Reihenfolge: Emails lesen, schauen, was in den sozialen Medien los ist, mir einen Tee kochen, mich dann unbedingt noch umziehen … Und wenn ich jetzt nicht sofort anfange zu schreiben, fallen mir noch 1001 andere Dinge ein, die ich in diesem Moment lieber machen möchte, als mich hinzusetzen und zu schreiben.

 

„Ich muss nur noch schnell…“

Jeder kennt sie: diese Dinge, die man unbedingt noch erledigen muss, bevor man etwas anderes anfangen kann. Und es findet sich auch immer schnell eine Ausrede, um dieses Aufschieben, in der Fachsprache Prokrastination genannt, zu rechtfertigen. Eine der bekannten Entschuldigungen lautet: „Ich kann unter Druck besser arbeiten“.

Eigentlich hasse ich es, unter Druck zu arbeiten, weil es sich wie Kämpfen anfühlt und überhaupt keine Freude bereitet. Und weil man sich mit dem, was man zeitlich noch gerade hinbekommen kann, zufriedenstellen muss.

Übrigens noch so ein guter Grund fürs Aufschieben: Es ist so immer möglich zu denken, man hätte etwas viel Besseres erreichen können, wenn man mehr Zeit gehabt hätte. Also sinkt der Erwartungsdruck, da man in einer so kurzen Zeit natürlich nicht sein Bestes erreichen konnte…

Sind Aufschieber automatisch Chaoten?

Viele von uns neigen zum Prokrastinieren, dennoch verstehen sich nur wenige als Aufschieber. Ich glaube, oft ist der Grund dafür, dass man sich unter einem Aufschieber jemanden vorstellt, der unorganisiert und undiszipliniert ist. Mit anderen Worten, einen Chaoten. Und bestimmt gibt es unter den Aufschiebern solche chaotische Menschen.

Es gibt aber auch die gut organisierten Aufschieber: Dieser Typus ist meistens sehr ordentliche und hat eine Vorliebe für Struktur und Zettel. Was der gut organisierte Aufschieber besser kann als jeder andere, ist Listen-Schreiben. Seine Lieblingslisten sind natürlich die To-Do-Listen. Der organisierte Aufschieber leidet unter Verzettelung und schiebt seinen Organisationsbedarf vor, um wichtige Tätigkeiten aufzuschieben.

Egal, ob chaotisch oder überordentlich, als Aufschieber fühlt man sich oft wie ein Löwe in einem viel zu kleinen Käfig. Der Löwe als Sinnbild für die immense Kraft, die man zum Prokrastinieren benötigt. In einem Käfig voller ungelöster Aufgaben und angesammelten Drucks, der uns die Freiheit raubt.

Aufschieben kostet Kraft

Prokrastinieren ist überaus kraftaufwendig. Denn während des Aufschiebens wird der Aufschieber chronisch von seinem schlechten Gewissen geplagt und der Angst, seine Vorhaben nicht zu schaffen. Eigentlich ist er gezwungen, sich ständig mit dem Aufschieben zu beschäftigen. Entweder mit der Suche nach immer neueren Ablenkungsmanövern oder mit der Rationalisierung, um sein Verhalten zu rechtfertigen und sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

Neben dem Nichterreichen seiner gesetzten Ziele führt das Aufschieben aber auch zu weniger Freizeit und damit zu kürzeren Erholungsphasen. So ist es für den Aufschieber schwierig bis unmöglich, seinen Tag abzuschließen, da er seine Aufgaben nie erfüllt hat. Der Aufschieber lebt also permanent im Arbeitsmodus. Er kann nie abschalten, selbst wenn seine Aufschiebetaktik eine Auszeit zulässt.

Tipps zur Überwindung des ständigen Aufschiebens

1. Aufgabeln stückeln
Zuerst ist es wichtig, das aufgeschobene Vorhaben in kleine Arbeitsschritte zu stückeln. Zum Beispiel darf man nicht denken: „ Ich schreibe heute meine Doktorarbeit“, sondern „ich schreibe das erste Kapitel meiner Doktorarbeit“. Dafür nimmt man sich nicht den ganzen Tag vor, sondern man plant eine Arbeitsphase von 25 Minuten ohne Ablenkung oder Pause ein. In diesen 25 Minuten schreibt man einfach drauf los, ohne die Ergebnisse zu beurteilen.

Tipp: Was zählt, ist,überhaupt mit der Tätigkeit anzufangen. Da dieses Ziel eine psychische Belastung mit sich bringt, ist es wichtig, sich langsam an die Aufgabe heranzutasten. Wenn man mit diesen 25 Minuten zurechtkommt, sollte man die Beschäftigungsdauer erhöhen.

2. Konsequent sein
Die Abmachung, die man mit sich selbst abschließt ist unverhandelbar. Was vorgenommen ist, wird zu Ende geführt. Deshalb ist es wichtig, dass das tägliche Ziel realistisch bleibt.

3. Sich selbst Belohnen
Wenn diese 25 Minuten erst mal erfolgreich abgeschlossen sind, ist eine Pause wohlverdient. Es ist wichtig, sich zu belohnen! Tipp: Bei der Überwindung des Aufschiebeverhaltens ist es wichtig, sich nicht zu überfordern. Diese 25 Minuten Arbeit scheinen vielleicht nichts im Vergleich zu der gesamten Aufgabe zu sein, dennoch ist es mehr als man erreicht hätte, wenn man diese Aufgabe aufgeschoben hätte.

4. Prioritäten setzen
Setzen Sie sich realistische Ziele für den Tag. Lieber weniger als zu viel. Wenn Sie gerne To-do-Listen erstellen, dann sollten Sie auch die Priorität Ihrer Aufgaben kennzeichnen. Was Ihre Auswahl an Aufgaben für den Tag betrifft, sollten Sie immer mindestens eine Aufgabe der höchsten Priorität auf der Liste haben und versuchen, diese als erstes zu erledigen. Als zweite Aufgabe können Sie gerne als Belohnung eine Tätigkeit aussuchen, die Ihnen Spaß bereitet.

5. Freizeit genießen
Vor allem sollten Sie sich am Ende Ihres Arbeitstages Ihre verdiente Freizeit erlauben – ohne schlechtes Gewissen! Kein Mensch kann nur funktionieren. Jeder braucht eine Auszeit für sich, um wieder zu Kraft zu kommen. Wichtiger noch: Nur in Ruhephasen ist es möglich, sich vom Alltagstrubel zu lösen und zu sich zurückzufinden. Nur in der inneren Ruhe zeichnet sich der eigene Weg ab.

Über Eva Maria Popp

Über Sandrine:
Sandrine Woinzeck, Dipl. Phil., Zeitmanagerin und Geschäftsführerin von „Createur de temps – Mehr Zeit im Alltag“: “Schon immer beschäftige ich mich mit den Warum-Fragen und liebe es, nach Antworten zu suchen. Deshalb bin ich Dipl. Philosophin und Spezialistin im Problemlösen. Lange habe ich mich gefragt, wie man Menschen helfen könnte, im philosophischen Sinne besser zu leben. Heute habe ich für mich eine Antwort darauf gefunden: Créateur de temps, weil Zeit der wichtigste Bestandteil eines besseren Lebens ist.“


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