Wenn die Psyche nicht mehr mitmacht
Sorgsamer mit den eigenen Ressourcen umzugehen, auch einmal innezuhalten und sich für bestimmte Dinge die Zeit zu nehmen, die sie wirklich benötigen, ist mehr denn je zum Gebot der Stunde geworden. Vor dem Hintergrund einer immer enger getakteten Arbeitswirklichkeit, und einer Gesellschaft, in der die Maxime „Höher, schneller, weiter“ im täglichen Stakkato propagiert wird, erscheinen alarmierende Zahlen von gängigen Neuzeit-Phänomenen wie Burnout oder Rückenbeschwerden mehr als logisch und folgerichtig.
So laufen statistisch gesehen 43 Prozent der heute 20-jährigen Männer und 38 Prozent der Frauen Gefahr, mindestens einmal im Berufsleben bis zum Renteneintrittsalter mit 67 Jahren berufsunfähig zu werden. Erkrankungen der Psyche und Nervenleiden machen im täglichen Kampf gegen die Uhr dabei den Löwenanteil mit knapp 30 Prozent aller Ursachen aus.
Wenn die Psyche zu streiken beginnt und sich in Folge von Stressbelastungen auch körperliche Symptome einstellen, wird es für den Betroffenen oftmals ernst – nicht nur alarmierend hinsichtlich drohender gesundheitlicher Konsequenzen, auch die eigene, finanzielle Existenz droht, in Schieflage zu geraten.
Aber was bedeutet es eigentlich, berufsunfähig zu werden, was sind die Hauptursachen und mit welchen Folgen haben Betroffene oftmals zu kämpfen?
Kein Einzelphänomen
Kann der eigene Beruf in Folge von Krankheit, Unfall oder Invalidität nicht mehr vollständig oder überhaupt nicht mehr ausgeübt werden, und liegt eine entsprechende Bescheinigung von ärztlicher Seite vor, spricht der Gesetzgeber von Berufsunfähigkeit.
In einer auf höchste Schnelligkeit und Effektivität ausgerichteten Gesellschaft, in der Zeit Geld geworden ist, können Menschen in zunehmendem Maße nicht mehr ihren täglichen Anforderungen gerecht werden. Psychische Erschöpfungssymptome und Burnout-Diagnosen sind in der Arbeitswelt von heute salonfähig geworden und stellen die Hauptursache für eingetretene Berufsunfähigkeit dar – entgegen sich hartnäckig haltender, vorherrschender Auffassung, nach der Unfälle als Hauptverursacher von Berufsunfähigkeit gelten.
So konnte der mit Abstand größte Anteil einer Erhebung aus dem Jahr 2015 zufolge bei Krankheiten des Nervensystems beobachtet werden. Hier lag die Quote bei 28,64 Prozent, gefolgt von Erkrankungen des Bewegungsapparates mit 21,41 Prozent. Krebs lag als Ursache für eine Berufsunfähigkeit bei 16,35 Prozent. Lediglich 9,48 Prozent der Gründe für eine Berufsunfähigkeit wurden durch Unfälle herbeigeführt, 8,6 Prozent durch Herz-Kreislauferkrankungen.
Berufsunfähig zu werden ist bei weitem kein Einzelphänomen, sondern feste Größe in der beruflichen Lebenswirklichkeit von heute geworden, so trifft es im Durchschnitt mittlerweile jeden vierten Deutschen vor Erreichen des Renteneintrittsalters.
Burnout in der Mitte der Gesellschaft angekommen
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden am Burnout-Syndrom, das einer psychischen Überlastung am Arbeitsplatz geschuldet ist. Wie der Gesundheitsbericht des Interessenverbandes der Betriebskrankenkassen ausweist, belegen die Zahlen der Krankenstände, bedingt durch psychische Erschöpfungssymptome für den Zeitraum 2004 bis 2011 eine dramatische Entwicklung:
Rund 15 Prozent der Fehltage gehen mittlerweile auf das Konto psychischer Erkrankungen. 1970 waren es noch zwei Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage mit ärztlichem Attest, die auf eine psychische Störung zurückzuführen gewesen waren. Auch stieg die Krankheitsdauer in den letzten rund zehn Jahren um ein Viertel, mit einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 39 Tagen.
Und: Frauen erkranken tendenziell häufiger als Männer. Wie eine Erhebung des Dachverbands DKK zu dem Ergebnis kam, wurden bei Frauen 2014 durchschnittlich 99 Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund eines Burn-out-Syndroms je 1.000 BKK-Mitglieder gezählt, bei Männer waren es 54,5. Die Studie belegt auch den signifikanten Anstieg bei Männern und Frauen im Zehnjahreszeitraum zwischen 2004 und 2014 von 4,6 auf 74,1 Arbeitsunfähigkeitstage.
Berufe unterschiedlich betroffen
Während das Erwerbsalter in Bezug auf die Berufsunfähigkeitsquote eine wichtige Rolle spielt, spielt die Wahl der Branche im Hinblick auf Erkrankungen des Bewegungsapparates eine mindestens ebenso gewichtige Rolle.
Während Akademiker durch zunehmenden Druck an ihren Arbeitsplätzen immer häufiger von Berufsunfähigkeit auf Grund von psychischen Erkrankungen betroffen sind, belegen die Zahlen auch, dass Handwerker vor allem häufiger durch körperliche Verschleißerscheinungen daran gehindert werden, weiterhin aktiv am Erwerbsleben teilnehmen zu können.
Aus Sicht der Versicherer rangieren in der Berufsunfähigkeits-Statistik Berufe wie etwa
- Pilot
- Polier
- Dachdecker
- Gleisbauer
- Gerüstbauer
- Fensterputzer
- Polizisten, Soldaten und Personenschützer
- Estrich- und Parkettleger
- Bergmann oder
- Straßenbauarbeiter
in einer Risikoskala ganz oben und gehören zu den gefährlichsten Berufen, während andere Beschäftigungen vergleichsweise weit weniger von Berufsunfähigkeit bedroht sind.
Finanzielle Auswirkungen
Vor allem Gerüstbauer, Dachdecker und Bergleute fallen unter die Risiko-Rubrik, mehr als die Hälfte haben etwa in den Jahren 2007 bis 2009 eine Erwerbsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente erhalten.
Trotzdem fallen viele unter ihnen in ein finanzielles Loch, das soziale Netz ist im Bereich staatlicher Absicherung nicht so engmaschig wie vielfach angenommen. Es reicht oftmals nicht aus, ein angemessenes Leben auch dann wie bisher weiterführen zu können, wenn der erlernte Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann.
Kritiker bemängeln eine Schieflage in der Absicherung gerade in den Personengruppen jüngeren und mittleren Alters, die nach 1960 geboren sind. Der Grund: Für alle nach dem 01.01.1961 Geborenen sieht der Staat nur noch eine eingeschränkte staatliche Absicherung bei Verlust der Arbeitskraft vor.
Mit der Abschaffung der staatlichen Berufsunfähigkeitsrente für alle nach 1961 Geborenen wurde eine Erwerbsminderungsrente eingeführt, die allerdings nur dann greift, wenn der Betroffene überhaupt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann – unabhängig von der Frage, ob
- der angestammte Beruf noch ausgeübt werden kann oder nicht
- die Erwerbstätigkeit in der Region auch wirklich nachgefragt wird
- der Betroffene sie auch wirklich ausüben möchte.
Nach aktueller Gesetzeslage ergibt sich danach ein dreistufiges Leistungsmodell:
- Weniger als drei Stunden täglich arbeitsfähig: Volle Erwerbsminderungsrente
- Zwischen drei und sechs Stunden täglich arbeitsfähig: Halbe Erwerbsminderungsrente
- Mehr als sechs Stunden täglich arbeitsfähig: Keine Erwerbsminderungsrente.
Fazit: Alle nach dem 02.01.1961 Geborenen haben keinen Anspruch mehr auf eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente. Ältere haben zwar noch einen Anspruch auf Zahlung einer gesetzlichen Berufsunfähigkeitsrente, allerdings ist die Höhe der Zahlung um 25 Prozent gesenkt worden. Und: Die Neuregelung zieht de facto keinen Berufsschutz mehr in Betracht.
Vor allem Jüngere von Überschuldung bedroht
Eine weitere Einschränkung betrifft vor allem Jüngere, die weniger als fünf Jahre Versicherungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen können. Sie fallen komplett durchs soziale Netz und sind nicht Erwerbsminderungsrenten-berechtigt.
Experten raten daher dringend zu einer privaten Vorsorge für alle nach dem 01.01.1961 Geborenen, da der Höchstsatz der Erwerbsminderungsrente von 750 Euro im Monat meist nicht ausreicht, um die bisherigen persönlichen Lebenshaltungskosten zu decken. Die Empfehlung wirkt vor dem statistischen Hintergrund umso dringlicher, dass jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland seinen Beruf krankheitshalber oder aufgrund eines Unfalls nicht mehr ausüben kann.
Außerdem kommen auch nur diejenigen vor 1961 Geborenen in den Genuss eines gesetzlichen Versicherungsschutzes, die auch tatsächlich Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt haben. Alle übrigen Personengruppen müssen mit erheblichen Einbußen rechnen, wenn sie nicht erheblich gesundheitlich beeinträchtigt sind, und laufen Gefahr, voraussichtlich für einen längeren Zeitraum ihren Verpflichtungen nicht vollumfänglich nachkommen zu können.
Denn: Wer etwa noch in der Lage ist, sechs Stunden täglich in seinem bisher ausgeübten Beruf zu arbeiten, kommt nicht in den Genuss einer Erwerbsminderungsrente, gleiches gilt für Selbstständige.
BU-Versicherung bietet Schutz
Die Versicherungswirtschaft hat auf die Schieflage reagiert und zahlreiche Produkte entwickelt, die gerade den Bedürfnissen jüngerer Arbeitnehmer oder Personen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, Rechnung tragen.
Spezielle BU-Tarife garantieren etwa ab Versicherungsfall bereits vollen Berufsunfähigkeitsschutz, bei reduzierten Anfangsbeiträgen – gerade für Noch-Studierende oder Auszubildende besonders vorteilhaft. Optional besteht auch die Umwandlung in reine kapitalbildende Policen, die eine Kapitalauszahlung am Ende der Laufzeit für den Fall garantieren, dass keine Berufsunfähigkeit im Laufe des Erwerbslebens eingetreten ist.
Gerade für eine jüngere Zielgruppe lohnt ein Versicherungsabschluss, da die Beiträge auf Grund des statistisch risikoarmen Alters und dem Fehlen eines potenziell gefährlichen Berufes oder Vorerkrankungen verschwindend gering sind.
Dabei sind die Schritte prinzipiell nach dem klassischen Vorsorgeprinzip aufgebaut:
- Regelmäßige Einzahlung eines festgelegten Betrags, dessen Höhe je nach Lebensalter, Gesundheitszustand sowie Gefahren- bzw. Unfallpotential bestimmter Berufe variiert.
- Auszahlung der vertraglich vereinbarten Rente bei Erwerbsunfähigkeit bis zur regulären Altersrente.