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Burnout in der modernen Arbeitswelt

Interview mit Frau Dr. Paruch: Burnout am Arbeitsplatz

Ein Burnout eines Mitarbeiters kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber schwerwiegende Folgen haben. Unternehmen können aktiv vorbeugen helfen, indem sie Präventionsmaßnahmen anbieten.

Wann ist ein psychisches Problem am Arbeitsplatz ein Burnout?

Die Expertenkommission der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) fasst in ihrem 2012 veröffentlichten Positionspapier zusammen, dass arbeitsbezogene Beschwerden aus den Bereichen emotionale Erschöpfung, Zynismus bzw. Depersonalisation und verringerte Arbeitsleistung als Anzeichen eines Burnout-Syndroms verstanden werden können. Im Vordergrund steht die emotionale Erschöpfung. Betroffene fühlen sich ausgelaugt, niedergeschlagen, angespannt und überfordert. Begleitet wird die emotionale Erschöpfung von Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit, die sich begründen in nächtlichem Grübeln und/oder einer herabgesetzten oder aufgehobenen Fähigkeit, mental und physisch zu entspannen. Auch kommt es in der Folge häufig zu Spannungskopfschmerzen und, aufgrund des durch mangelnde Regeneration geschwächten Immunsystems, zu vermehrten Infekten.

Unter Zynismus bzw. Depersonalisation wird eine innere Distanzierung zur Arbeit verstanden, die sich aus der Frustration über ein Missverhältnis zwischen den gesteckten oder überhöhten Zielen und den tatsächlichen Ergebnissen, beziehungsweise den zur Zielerreichung notwendigen Leistungen und Entbehrungen ergibt. Auch mangelnde Wertschätzung begünstigt diese innere Distanzierung, die in einer reaktiven Abwertung von Vorgesetzten, Kollegen, Kunden und Klienten münden kann. Da Menschen mit sehr hohen Ansprüchen an sich selbst, sich solche Gefühle kaum zugestehen können, erleben sie Schuldgefühle oder, im Sinne einer Bewältigungsstrategie für negative Gefühle, eine umfassende Gefühlsleere. Zumindest subjektiv wird im Zuge von Konzentrationsstörungen und emotionalen Beeinträchtigungen eine deutliche und kontinuierliche Abnahme der Arbeitsqualität und/oder der Arbeitsquantität sowie der eigenen Kompetenz und Schaffenskraft erlebt.

Entscheidend für die Definition arbeitsbezogener psychischer Probleme als Burnout-Syndrom ist, dass der Betroffene selbst die Beschwerden als Folge der Arbeitsbelastung erachtet. Dazu gehört die Überzeugung, dass die Beschwerden sich unter gleichbleibenden Arbeitsbedingungen nicht bessern können, sich durch eine neue, bessere Arbeitssituation jedoch beheben ließen.

Welche Burnout-Präventionsmaßnahmen sind insbesondere aus Arbeitgebersicht interessant? Wie können Unternehmen einem Burnout ihrer Mitarbeiter vorbeugen?

Am höchsten ist das Burnout-Risiko, wenn überhöhte Leistungserwartungen des Arbeitsnehmers selbst auf überhöhte Leistungserwartungen seitens des Unternehmens treffen. Verantwortungsvolle Strukturen, die von Führungspersonen vorgegeben werden sollten, beinhalten hingegen realistische und erreichbare Zielsetzungen, sensible Rückmeldungen und gemeinsames Beachten persönlicher Grenzen und Bedürfnisse zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie zum langfristigen Erhalt der Leistungsfähigkeit.

Unternehmensstrukturen alleine bedingen oder verhindern die Entwicklung des Burnout nicht. Die inneren Strukturen des Arbeitsnehmers sind ebenso entscheidend. Dazu gehören:

  • die ‚inneren Antreiber‘ des Arbeitsnehmers,
  • seine persönlichen Leistungsansprüche und Zielsetzungen,
  • die persönliche Bedeutung beruflichen Erfolgs.

Personenmerkmale, die Menschen mehr oder weniger anfällig für die Entwicklung arbeitsbezogener Überlastungserscheinungen machen, können folgende sein:

  • Stressbewältigungs- und Problemlösefertigkeiten,
  • die Fähigkeit selbstverantwortlich und selbstfürsorglich Grenzen zu setzen,
  • nein sagen zu können,
  • Zeitmanagementkompetenzen,
  • Entspannungsfähigkeit und
  • grundsätzliche Denk- und Bewertungsmuster sowie
  • Freizeit- und Erholungsverhalten im Sinne eines ausgewogenen und gesundheitsförderlichen Lebensstils.

Arbeitgeber können ihre Angestellten unterstützen, indem sie regelmäßig entsprechende Vorträge, Workshops und Kurse anbieten, um entsprechende personenbezogene Erschöpfungsquellen günstig zu beeinflussen.

 

Auf Unternehmensseiten sollten darüber hinaus die Strukturen dahingehend optimiert werden, dass:

  • jeder Mitarbeiter sowohl im Kollegenkreis als auch bei den Vorgesetzten kontinuierlich unterstützende Ansprechpartner finden kann,
  • die Unternehmensziele realistisch und überschaubar gesetzt sind,
  • Einzelne nicht überfordert und mit passenden Fortbildungsangeboten gefördert werden,
  • die Tätigkeit abwechslungsreich gestaltet ist und zu den Kompetenzen sowie den Persönlichkeitseigenschaften des Arbeitnehmers passt.

Damit fängt die Prävention also bereits bei einer sorgfältigen und fundierten Personalauswahl und Personalplatzierung an. Zudem sollten ausreichend Erholungs- und Urlaubszeiten von Unternehmensseite eingeräumt und ihre Nutzung entschieden von den Mitarbeitern eingefordert werden. Ein selbstverständliches Angebot für alle Unternehmensangehörigen, sich bei Bedarf anonym an einen externen Berater zu wenden, um berufliche oder private Belastungen bereits in ihren Anfängen leichter bewältigen zu können, rundet die Prävention zeitgemäß ab.

Welche Aufgaben übernehmen Sie in der Beratung für betriebliche Gesundheitsförderung? Wie hoch ist die Nachfrage an Beratungen, wie Sie sie geben?

Ich bin als freie psychologische Beraterin für verschiedene Anbieter der sogenannten Externen Mitarbeiterberatung (auch bekannt als EAP, Employee Assistance Program) tätig. Diese Firmen bieten Unternehmen eine Unterstützung mittels moderner Mitarbeiterpflege durch externe Berater an. Die Angestellten der Unternehmen können sich bei Bedarf auf Kosten des Arbeitgebers anonym an die Vermittlungsfirma wenden. Nach entsprechender telefonischer Problemanalyse wird ein Experte für eine vertiefende Beratung vermittelt. Die Mitarbeiter wenden sich dann direkt an mich. In der Regel können fünf bis acht Beratungsstunden vor Ort in meiner Praxis oder seltener auch per Telefon in Anspruch genommen werden. Die Beratungsanlässe sind sehr vielfältig. Zum Teil sind sie direkt arbeitsbezogen, wenn Betroffene unter Arbeitsbedingungen oder Konflikten mit Kollegen oder Vorgesetzten leiden. In anderen Fällen sind die Probleme privater Natur, wirken sich dann aber oft auch auf die Arbeit aus. Partnerschaftskonflikte, Probleme in der Kindererziehung, Krankheit des Arbeitnehmers selbst oder eines Angehörigen oder andere persönliche Schicksalsschläge können in der Regel nicht über einen längeren Zeitraum einfach beim Betreten des Arbeitsplatzes „vor der Tür“ gelassen werden.

Ich unterstütze Ratsuchende darin, Bewältigungsressourcen zu aktivieren, Lösungen zu generieren und Belastungen zu reduzieren. Die Externe Mitarbeiterberatung ist aufgrund ihrer Diskretion – der Arbeitgeber erfährt in keinem Falle, welcher seiner Mitarbeiter eine Beratung in Anspruch nimmt – und der von Unternehmensseite selbstverständigen Verfügbarkeit eine niedrigschwellige Möglichkeit, Belastungen und Probleme frühzeitig anzugehen und damit der Entwicklung behandlungsbedürftiger Probleme, von kostenträchtigen Fehlzeiten oder des sogenannten Präsentismus – anwesend, aber nicht leistungsfähig am Arbeitsplatz -, entgegen zu wirken.

Immer mehr Unternehmen ermöglichen ihrem Personal den Zugang zu solchen Beratungsprogrammen, womit sie nicht nur ihre Mitarbeiter wertschätzen und ihr Image als Arbeitsgeber aufwerten, sondern durch die Reduktion von Arbeitsausfällen auch deutliche wirtschaftliche Einsparungen erzielen.

 

 

Über Frau Dr. Julia Paruch

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Frau Dr. Julia Paruch wurde 1979 in Frankfurt am Main geboren. Im Jahr 2005 schloss sie ihr Studium an der Philipps-Universität Marburg als Diplom-Psychologin ab.

Zwischen 2006 und 2011 war sie an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Köln tätig, zuletzt zwei Jahre lang als Leitende Psychologin und Stellvertretende Leiterin des auf Prävention und rechtzeitige Behandlung psychischer Störungen spezialisierten Früherkennungs- und Therapiezentrums für psychische Krisen (FETZ).

 

Seit 2011ist sie in Berlin als Psychologin und Psychotherapeutin in den Bereichen Psychotherapie, Coaching, Beratung und Lehre tätig.

 

 



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