Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist wahrlich kein Kinderspiel. Launische Sprösslinge am Morgen, Termine am Abend und als ob das nicht schon genug wäre, will der Chef am Ende der Woche auch noch den Bericht lesen, für den nun die Zeit für Überstunden fehlt. Moderne Arbeitsarrangements, wie Home-Office, Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit, sollen es Erwerbstätigen in diesen Situationen erleichtern, ihren Job besser an das Familienleben und ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Wenn das Kind erkrankt und nicht in die Schule gehen kann, wird kurzerhand von zu Hause gearbeitet. Wenn der Job aufgrund eines Arzttermins unterbrochen werden muss, wird die restliche Arbeit eben später erledigt. Das nimmt Druck und verschafft berufstätigen Eltern mehr arbeitsfreie Zeit, so die Annahme.
Flexibilität und Selbstbestimmung – so heißt die Zauberformel, die Eltern eine bessere Work-Life-Balance versprechen und sich gleichzeitig positiv auf ihre Arbeitsproduktivität auswirken soll. In Deutschland stellen sich immer mehr Unternehmen auf diese Entwicklung ein. Dennoch wollen sich viele Beschäftigte von der Abhängigkeit der Betriebe lösen und völlig frei über ihre Arbeit bestimmen. Über vier Millionen Menschen arbeiten in Deutschland derzeit als Selbstständige. Auf diese Weise können sie nicht nur als ihr eigener Chef noch unabhängiger von anderen entscheiden, wann, wo und wie viel sie arbeiten, sondern auch über ihre Arbeitsinhalte bestimmen. Zudem eröffnet der Schritt in die Selbstständigkeit die Chance auf einen kompletten Neuanfang mit Bedingungen, die sie sich einfach selber setzen können.
Wo können selbstständige Eltern Job und Kinder am besten vereinen?
Für Eltern, die sich für diese Form der Berufstätigkeit entscheiden, hat sich im Englischen mittlerweile sogar eine neue Wortschöpfung etabliert: Parentpreneur. Doch gerade wenn nebenher noch jüngere Kinder versorgt und betreut werden müssen, kann eine Selbstständigkeit sehr herausfordernd und mit einigen Unsicherheiten verbunden sein. Bei all ihren Freiheiten und Vorteilen hängt die genaue Ausgestaltung dieser Berufsform nichtsdestotrotz von verschiedenen Faktoren ab, die nur bedingt zu beeinflussen sind.
Betreut.de hat eine Datenanalyse von über 70 Städten durchgeführt und untersucht, welche Städte selbstständigen Eltern am besten zugutekommen. Folgende Faktoren wurden einbezogen:
1. Gründergeist: Wo bereits viele Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben, ist es leichter sich anzuschließen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und Beratung zu finden.
2. Co-Working-Spaces: Die meisten Selbstständigen arbeiten zunächst von Zuhause. Das liegt nahe, denn es kostet nichts und erleichtert es, Familie und Beruf besser zu vereinen. Allerdings ist das Home-Office nicht immer die beste Lösung. Da man häufig alleine tüftelt, kann die Arbeit ohne Kollegen oder Sparringspartner recht einsam werden. Zudem ist manchmal eine räumliche Trennung zwischen Arbeits- und Privatwelt hilfreich, um besser abschalten zu können. In diesem Fall können Co-Working-Spaces helfen. Diese sind genauso flexibel nutzbar, wie es der Alltag erfordert.
3. Kinderbetreuung: Auf dem Weg zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt neben der Flexibilität und Selbstbestimmung auch die Kinderbetreuung eine entscheidende Rolle. Daher wurden in der Analyse sowohl die verfügbaren Plätze in Kitas und Horten einbezogen, als auch private Babysitter.

Frankfurt a. M. ist die beste Stadt für selbstständige Eltern
Berlin ist Deutschlands Gründerhauptstadt, heißt es immer wieder. Doch wenn es darum geht, selbstständige Eltern bei der Vereinbarung von Familie und Beruf zu unterstützen, liegt eine andere Stadt vorn: Frankfurt am Main! Das Finanzzentrum Deutschlands zeigt einen ausgeprägten Gründergeist und überzeugt mit der größten Dichte an Co-Working-Spaces. Somit finden Parentpreneure nicht nur ein ausgeprägtes Netzwerk vor, sondern auch ideale Räumlichkeiten als Alternative zum Homeoffice.
Auf Platz zwei schafft es Offenbach am Main. Insidern ist das Potenzial der Stadt schon lange bekannt, doch nun bestätigt sich, dass sie auch Eltern, die den Weg in die Selbstständigkeit wagen, sehr gute Bedingungen bietet. Anders als die Mainmetropole Frankfurt, schneidet Offenbach auch im Bereich Kinderbetreuung gut ab, dafür etwas weniger gut bei den Co-Working-Spaces.
Als drittbeste Stadt platziert sich Düsseldorf auf dem Podium, die gerade für Unternehmen aus der Fashion- und Werbebranche als idealer Standort gilt.
Hier die vollständige Tabelle mit allen Städten und Kategorien:
Stadt | Gesamtranking | Gründergeist | Kinderbetreuung | Co-Working |
Frankfurt am Main | 1 | 6 | 29 | 1 |
Offenbach am Main | 2 | 1 | 9 | 36 |
Düsseldorf | 3 | 3 | 68 | 2 |
München | 4 | 18 | 37 | 3 |
Cottbus | 5 | 63 | 4 | 6 |
Darmstadt | 6 | 23 | 15 | 7 |
Hamburg | 7 | 5 | 44 | 5 |
Wiesbaden | 8 | 2 | 31 | 15 |
Berlin | 9 | 4 | 56 | 8 |
Kiel | 10 | 30 | 13 | 10 |
Dresden | 11 | 26 | 5 | 25 |
Leipzig | 12 | 9 | 9 | 34 |
Würzburg | 13 | 37 | 1 | 36 |
Stuttgart | 14 | 37 | 46 | 4 |
Regensburg | 15 | 26 | 12 | 22 |
Saarbrücken | 16 | 56 | 16 | 9 |
Rostock | 17 | 56 | 6 | 27 |
Potsdam | 18 | 30 | 11 | 25 |
Kassel | 19 | 16 | 17 | 27 |
Halle (Saale) | 20 | 69 | 2 | 36 |
Magdeburg | 20 | 51 | 7 | 32 |
Köln | 22 | 9 | 63 | 11 |
Jena | 23 | 63 | 3 | 36 |
Mainz | 24 | 20 | 28 | 20 |
Heidelberg | 25 | 47 | 19 | 13 |
Nürnberg | 26 | 21 | 30 | 18 |
Mannheim | 27 | 28 | 37 | 12 |
Chemnitz | 28 | 51 | 8 | 36 |
Koblenz | 29 | 9 | 24 | 36 |
Hannover | 29 | 33 | 35 | 15 |
Augsburg | 31 | 16 | 20 | 36 |
Heilbronn | 32 | 13 | 25 | 36 |
Karlsruhe | 32 | 47 | 27 | 18 |
Freiburg im Breisgau | 34 | 56 | 14 | 36 |
Fürth | 35 | 8 | 44 | 36 |
Mönchengladbach | 36 | 7 | 63 | 33 |
Bonn | 37 | 30 | 57 | 14 |
Osnabrück | 38 | 28 | 22 | 36 |
Trier | 39 | 43 | 18 | 36 |
Pforzheim | 40 | 9 | 47 | 36 |
Oldenburg (Oldenburg) | 41 | 37 | 21 | 36 |
Bielefeld | 42 | 33 | 34 | 35 |
Bremerhaven | 43 | 25 | 35 | 36 |
Krefeld | 43 | 15 | 51 | 36 |
Essen | 43 | 18 | 68 | 22 |
Wuppertal | 46 | 13 | 55 | 36 |
Bremen | 47 | 68 | 41 | 17 |
Münster | 48 | 70 | 31 | 20 |
Erlangen | 49 | 51 | 22 | 36 |
Aachen | 50 | 33 | 31 | 36 |
Oberhausen | 51 | 37 | 52 | 27 |
Erfurt | 51 | 51 | 42 | 27 |
Solingen | 53 | 37 | 39 | 36 |
Leverkusen | 54 | 23 | 60 | 36 |
Ingolstadt | 55 | 43 | 42 | 36 |
Braunschweig | 56 | 63 | 25 | 36 |
Duisburg | 57 | 21 | 67 | 36 |
Mülheim an der Ruhr | 57 | 51 | 66 | 24 |
Dortmund | 59 | 59 | 61 | 27 |
Ulm | 59 | 43 | 52 | 36 |
Herne | 61 | 47 | 47 | 36 |
Hagen | 62 | 61 | 40 | 36 |
Salzgitter | 63 | 33 | 61 | 36 |
Lübeck | 63 | 37 | 59 | 36 |
Gelsenkirchen | 65 | 47 | 54 | 36 |
Bochum | 66 | 60 | 47 | 36 |
Remscheid | 67 | 43 | 70 | 36 |
Ludwigshafen am Rhein | 68 | 63 | 57 | 36 |
Hamm | 69 | 62 | 65 | 36 |
Wolfsburg | 70 | 71 | 47 | 36 |
Bottrop | 71 | 63 | 71 | 36 |
Die Werte in der Tabelle geben nicht die absolute Anzahl der Faktoren wieder, sondern das Abschneiden der Städte in den einzelnen Kategorien (1 ist am besten, 71 am schlechtesten). Das Gesamtranking errechnet sich auf Basis der tatsächlichen Werte, die zur Vergleichbarkeit mit einer Skala von 0 bis 100 standardisiert wurden.
Zusätzliche Zeit effizient nutzen
Die Freiheit, sich die Arbeits- und Familienzeit so einteilen zu können, wie sie zur familiären Situation und den individuellen Bedürfnissen passt, ist ein großes Glück, wenn es dadurch gelingt mehr arbeitsfreie Zeit zu schaffen. Dieser Zeitgewinn, der beispielsweise durch die Einsparung von Wegezeiten und die Ermöglichung lückenloser Übergänge zwischen mehreren Terminen ermöglicht wird, kann dann nicht nur für die Sorgearbeit, also für Kinderbetreuung, Haushalt, Einkauf und Kochen eingesetzt werden, sondern auch zur Regeneration, etwa Freizeitaktivitäten, Hobbys oder schlicht zum Schlafen oder Nichtstun.
Eine Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat ergeben, dass flexible Arbeitsmodelle, wie Gleitzeit, Homeoffice und Co. die Vereinbarkeit bei Eltern jedoch nur bedingt verbessern. Väter machen im Homeoffice und mit flexiblen Arbeitszeiten durchschnittlich eher mehr Überstunden als Väter ohne diese Arbeitsformen. Auch Mütter arbeiten etwas länger und investieren gleichzeitig mehr Zeit in die Kinderbetreuung. Ein Mehr an Freizeit und Erholung ergibt sich weder für Mütter noch für Väter. Flexibles Arbeiten führt häufig also eher zu einer Belastung der Eltern und Verstärkung der klassischen Rollenverteilung mit der Konsequenz einer Doppelbelastung für Mütter, die durch Job und Familie noch mehr Stress ausgesetzt sind, als Väter.
Katrin Lewandowski, Familienexpertin bei Betreut.de, sieht den Grund für dieses Verhalten hauptsächlich in den Erwartungen, die das Umfeld aber auch die Eltern selber an sich stellen: „Häufig sind in unseren Köpfen noch immer die traditionellen Rollenbilder verankert, in denen die Väter die Haupternährer der Familie und die Mütter für die Kinderbetreuung zuständig sind – auch dann noch, wenn sie selbst beruflich vorankommen möchten.“ Um dieses Muster aufzubrechen, legt sie Müttern und Vätern ans Herz, sich regelmäßig zu reflektieren und sich hin und wieder selber Grenzen setzen. „Die Einsicht, dass Erholung von der Arbeit essenziell ist, um Stress besser abzubauen und somit wiederum effizienter zu arbeiten, ist dabei ein wichtiger erster Schritt“, so Lewandowski.
Da mehr Freiheiten meistens auch mehr Unsicherheiten mit sich bringen, empfiehlt es sich zudem, gerade zu Beginn der Selbstständigkeit eine Gründerberatung in Anspruch zu nehmen, wie sie beispielsweise von der IHK oder der Arbeitsagentur angeboten werden, und den Austausch mit Gleichgesinnten zu suchen. So können selbstständige Eltern beispielsweise Informationen über finanzielle Angelegenheiten, wie Altersvorsorge und Krankenversicherung erhalten, Anstöße bekommen etwas anders zu machen oder einfach Zuspruch in ihre eigenen Fähigkeiten erfahren, sollte es einmal schwieriger werden.
Das Wichtigste ist aber wohl, nicht zu streng mit sich selbst zu sein. Gleichzeitig einen Beruf und eine Familie zu stemmen, ist eine große Leistung – egal ob als Selbstständige oder Angestellte. Sich dies regelmäßig bewusst zu machen und mit sich selbst Geduld zu haben, ist essenziell und hilft dabei, sich auf das Wesentliche zu besinnen und sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Weiterführende Artikel:
- Stress lass nach – Entspannt durch die Arbeitswoche
- Stärken berufstätiger Eltern
- 101 Dinge, die berufstätige Mütter mit einer Stunde Freizeit anfangen können
- Tipps für das Arbeiten im Home-Office
Methode
Für das Ranking wurden alle kreisfreien Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern hinsichtlich ihrer Bedingungen verglichen, die selbstständigen Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern können. Diese beinhalten den Gründergeist in den jeweiligen Städten, das Angebot an Co-Working-Spaces sowie Kinderbetreuung.
- Der Gründergeist basiert auf dem sogenannten NUI-Indikator (Neue Unternehmerische Initiative) des IfM Bonn auf Grundlage der Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Dieser Indikator gibt an, wie viele Gewerbebetriebe pro 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter in einer Region im entsprechenden Jahr neu angemeldet wurden. Für die vorliegende Analyse wurde der Mittelwert der NUIs aus den Jahren 2015-2017 berechnet.
- Als Alternative zum Homeoffice wurde die Anzahl an Co-Working-Spaces (Quelle: Matchoffice.de, Abruf: September 2019) im Verhältnis zur Einwohnerzahl einbezogen.
- Die Kategorie Kinderbetreuung basiert auf der Anzahl genehmigter Plätze in Tageseinrichtungen (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Stand: 31.03.2018) sowie der Anzahl privater Babysitter (unternehmensinterne Daten von Betreut.de, Jahr: 2018). Beide wurden ins Verhältnis mit der Anzahl der Kinder bis 14 Jahre gesetzt.
Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die einzelnen Metriken in den Kategorien mit einer Skala von 0 bis 100 standardisiert. Das finale Ranking ergibt sich aus ihrem Mittelwert. Alle Faktoren wurden gleich gewichtet. Die Auswertung erfolgte rein deskriptiv. Je niedriger die Position im Ranking, desto besser schneidet die Gemeinde ab.