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Die Vorteile von Betriebskitas

Interview mit Uwe Ottenbreit von der Care.com Europe GmbH

Von Betriebskindertagesstätten können sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber profitieren. Wir sprachen im Interview mit Uwe Ottenbreit, Projektmanager vom Firmenservice der Care.com Europe GmbH.

1. Wie viele Unternehmen (ca. in Prozent) bieten in Deutschland derzeit Betriebskitas für Ihre Mitarbeiter an?

Wenn Sie Betriebskitas als reine private Investition des Unternehmens sehen, dann sind das weit unter 1% aller Kitas, die in Deutschland zu finden sind. Je nach Definition erhöht sich dann der Anteil der unternehmensgeförderten Einrichtungen.

2. Inwiefern belasten die fehlenden Angebote an Kindertagesbetreuung die Unternehmen?

Das kommt darauf an, was mit Kindertagesbetreuung gemeint ist? Die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren, die Kita-Betreuung oder die Nachmittagsbetreuung für Schulkinder? In jedem Altersbereich gibt es bundesweit Nachholbedarf. Das spüren und spürten große wie auch kleine Unternehmen schon vor Jahren. In Deutschland leiden die Unternehmen unter der Versorgungslücke, die es in weiten Teilen des Landes nach wie vor gibt. Unternehmen können schon seit längerer Zeit nur schwer ihre Ausbildungsplätze und regulären Stellenausschreibungen besetzen und müssen hohe finanzielle Investitionen tätigen, um neues Personal bei Ausfall einer Arbeitskraft auf Grund von Elternzeit, zu finden.

 

Beispiel: Was macht ein traditionell geführtes Familienunternehmen mit Sitz zwischen Landshut und München, wenn sie Ingenieure suchen, um ihre Aufträge  zu bedienen? Genau, es ist investiert in einen attraktiven Arbeitsplatz, um gegenüber anderen Firmen die besten Talente gewinnen zu können. Die Rechnung geht insofern auf, wenn man Angebote vorweisen kann, die Fachkräfte locken und aufwerten.

 

Wer diese neue Haltung noch nicht verstanden hat,  kann sich entweder die Mitarbeiter/innen nach wie vor auswählen oder sollte sich schnellstmöglich neue Strategien einfallen lassen, denn die Konkurrenz schläft nicht. Und wer heute noch keine Probleme hat Mitarbeiter zu finden, der ist spätestens übermorgen betroffen.

3. Warum sollten sich Unternehmen bemühen, ihren Mitarbeitern eigene Betreuungsangebote zu machen?

Nicht jedes Unternehmen MUSS eine betriebliche Kinderbetreuung vorhalten. Denken Sie an Unternehmen mit 10 oder weniger Mitarbeitern. Diese Betriebe fallen mit den aktuellen Fördermittelbestimmungen zwar nicht durch den Rost, aber die Mehrbelastungen (finanziell und personell) sind deutlich höher.

 

Sofern familienfreundliche Betreuungsangebote angeboten werden, zeigen aktuelle Studien eine dauerhafte Steigerung der Motivation und eine signifikante Reduzierung der Ausfallzeiten. Ob dieser Effekt NUR auf das  eigene Angebotes zurückzuführen ist, lässt sich nicht zu 100% bestätigen. Fakt ist jedoch, dass ein familienfreundliches Unternehmen ein Zeichen nach innen und außen ist. Nach innen, um Beschäftigte besser und länger zu binden. Nach außen, um Talente auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen. Zudem haben frischgebackene Eltern die Möglichkeit, ihr Kind in die eigene Betreuungsmöglichkeit zu geben. Eine klassische Win-win-Situation: das Unternehmen kann die Eltern früher einsetzen und die Familie hat eine verlässliche Planbarkeit, was ihre Betreuung angeht.

4. Welche Herausforderungen gibt es beim Aufbau betrieblicher Kindertageseinrichtungen?

Unternehmen, die mit der Idee spielen, eine eigene betriebliche Kindertageseinrichtung zu bauen, sollten sich im ersten Schritt einen neutralen Experten suchen, der sie bei dem Vorhaben von Anfang an begleitet. Hierbei gibt es sogenannte Machbarkeitsstudien und Betreuungsszenarien, die eruieren, welche Lösung für das Unternehmen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten das Beste ist. Wer eine Kita bauen möchte, muss Geld in die Hand nehmen. Dieser Punkt muss klar sein. Sie bekommen keinen Porsche zum Discountpreis, denn Qualität hat seinen Preis.

Beratungs-, Entwicklung-, Genehmigungs-, Bau-, Betriebs-, Personal- und Betreuungskosten sind die Hauptposten bei einem Vorhaben namens Kita. Davor gibt es jedoch Abstufungen, denn es muss nicht immer gleich eine Kita im eigenen Haus sein. Beratungsfirmen kennen die einzelnen Lösungswege und klären auf. Auf diese Weise kann das Unternehmen Risiken und Kosten reduzieren. Den idealen Musterweg gibt es leider nicht, da zwar der Bund mit Geldzuschüssen fördert, die Betreuung jedoch Ländersache ist. Zudem liegt die Finanz- und Planungsaufsicht bei den Kommunen direkt. Es sind also verschiedene Parteien beteiligt, die am Tisch sitzen und alle möchten „bedient“ werden.

5. Wer unterstützt Unternehmen dabei?

Es gibt eine Reihe von privaten Beratungsagenturen, die sich auf diesem Feld spezialisiert haben. Zusätzlich haben die meisten Träger von Kindertageseinrichtungen eigene Expertisen aufgebaut, um Unternehmen zu beraten. Letztlich sind auch die Jugendämter in den meisten größeren Städte auf Anfragen von Firmen gut vorbereitet. Meine Erfahrung zeigt jedoch, dass die Jugendämter meist chronisch überlastet sind und die Projekte nur schleppend vorangehen. Da hilft es schon, eigenen Support mitzubringen, um Jugendämter zu entlasten.

6. Welche Vorteile ergeben sich für die Firmenmitarbeiter?

Ganz einfach:

  • Bessere Planbarkeit der Familiensituation
  • Betriebseigene Betreuungszeiten vereinfachen zum Beispiel Schichtarbeit oder eine 6-Tage-Woche
  • Aufwertung der eigenen Arbeitsleistung
  • Erhöhung der Mitarbeiter-Motiviation (wer das Kind von Mitarbeiter/-innen fördert, fördert indirekt auch den Mitarbeiter)
  • Entwicklung eines eigenen Chor-Geistes / Family-Gefühls innerhalb der Belegschaft

7. Für welche Unternehmen eignen sich Betriebskitas? Nur für große? Oder auch für kleine und mittelständische Unternehmen?

Ja, nur große. Die finanziellen Belastungen kann kein KMU alleine tragen. Sicherlich gibt es auch schon Beispiele für Verbundlösungen, indem sich viele kleine Firmen zusammentun, um eine große Lösung zu finanzieren. Dies setzt jedoch langfristige und nachhaltige Planung voraus, die die meisten Unternehmen nicht eingehen wollen. Was weiß ein Unternehmen schon, was in fünf oder zehn Jahren sein wird? Für kleinere oder mittelständische Unternehmen gibt es vielfältige Lösungsmöglichkeiten. Um hier ganz konkret zu werden, muss man sich jedes Unternehmen einzeln anschauen. Eine Tablette gegen Betreuungsschmerzen gibt es leider nicht.

8. Könnten Betriebskitas einem Fachkräftemangel vorbeugen? Welche Bedeutung haben Betriebskitas für Schichtarbeiter?

Nicht vorbeugen – nein, aber zumindest können Sie das Unternehmen davor bewahren, dass sie den Wettbewerb um die besten Talente verlieren wird. Wenn Sie sich die großen DAX-Unternehmen oder auch im weltweiten Vergleich viele Unternehmen anschauen, so sind hier bereits vor vielen Jahren strategische Weichen PRO Familienfreundlichkeit gemacht worden. Hier in Deutschland sind wir im Vergleich zur Weltspitze gefühlte 10 Jahre hinter dem Familientrend. Von daher kann ich nur empfehlen JETZT schon etwas zu tun, denn die anderen schlafen nicht.

 

Eine Betriebskita kann für Schichtarbeiter nur dann sinnvoll sein, wenn sie lange Öffnungszeiten vorweisen kann. Hierbei sollte aber jedoch auch das Kind beachtet werden. Dies ist ja auch vorrangig die Aufgabe eines Trägers. Wenn also ein 2-jähriges Kind nachts um 4 Uhr geweckt wird, damit es um 6 Uhr in die Kita gebracht werden kann, um nach 14 Uhr wieder abgeholt zu werden, dann ist das schon grenzwertig.

 

Für Schichtdienste gibt es andere kinderfreundliche Lösungen, wie zum Beispiel die Betreuung zu Hause in gewohnter Umgebung des Kindes. Solche Lösungen ziehen viele Familien vor, damit das Kind ausschlafen und nicht dem Alltagsstress ausgesetzt ist.

9. Welche Rolle spielt der Firmenservice der Care.com Europe GmbH beim Thema Betriebskita?

Der Firmenservice berät Unternehmen persönlich vor Ort, um Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Dabei nutzen wir zum einen das lokale Förder- und Beratungsnetzwerk (wie zum Beispiel die Jugendämter und Träger), aber auch das eigene Kompetenznetzwerk, um schnell und effizient Machbarkeitsstudien zu erstellen. Care.com Europe unterstützt dann im Anschluss entweder alleine den weiteren Planungs- und Durchführungsprozess oder empfiehlt regionale Partner, die die weitere Organisation übernehmen. Wichtig ist, dass Care.com Europe als neutraler Partner auftritt und zugleich bundesweit aktiv ist. Auf diese Weise sind wir in allen 16 Bundesländern vertreten.

Schon von Anfang an können wir über unser Betreuungsportal verlässliche und langfristige Kinderbetreuung garantieren, um parallel Planungs- und Genehmigungszeiten zu überbrücken. Ein Service, der bereits erfolgreich von vielen deutschen und internationalen Firmen genutzt wird. Wir freuen uns über jede Anfrage, die uns erreicht, um auch kleinen oder mittelständischen Unternehmen zu helfen.

 

Vielen Dank an Uwe Ottenbreit für das Interview.

 

 

 



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