Validation

Validation bei Demenz: Ein empathiebasierter Ansatz für den Umgang mit Demenzkranken

Wichtig für Pflegende und Demenzerkrankte

Was ist Validation und wie geht man empathisch mit Demenzkranken um?

Im Umgang mit Demenzkranken gibt es verschiedene Betreuungskonzepte. Eines davon ist die sogenannte Validationsmethode, die auf einem tiefen Verständnis für die Einschränkungen der Erkrankten basiert.

Die Validationsmethodik beschreibt im Grunde eine Kommunikationsstrategie, die den Umgang mit Demenzkranken verbessern und erleichtern soll. Vereinfacht ausgedrückt bietet sie eine Anleitung zu einem menschlicheren Umgang mit den Erkrankten. Im Zentrum des Konzepts steht dabei das Ziel, die Emotionen und Wahrnehmungen von Demenzkranken zu validieren – unabhängig davon, wie real diese tatsächlich sind.

Sehen wir uns also einmal an, wie das konkret funktioniert und welche Vorteile dieser Ansatz Pflegenden, Angehörigen und Erkrankten bietet. 

Was versteht man unter Validation bei Demenz?

Die Validation ist ein Konzept für den Umgang mit Menschen mit fortgeschrittener Demenz, das auf Empathie, Wertschätzung und Akzeptanz basiert. Ziel ist es, durch einen verständnisvollen Umgang die Würde der Betroffenen zu wahren und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Die Theorie der Validation geht auf die US-amerikanische Gerontologin Naomi Feil zurück, die diese Methode in den 1980er Jahren entwickelte. Später wurde die Theorie von der deutschen Pädagogin und Psychogerontologin Nicole Richard weiter ausgearbeitet.

Feil beschreibt Kompetenzen und Hilfsmittel, die Pflegenden helfen können, sich in Betroffene hineinzuversetzen und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Gerade in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung, wenn die verbale Kommunikation immer schwieriger wird, kann dieser Ansatz den Umgang mit Demenzkranken erleichtern. 

Grundlegende Überzeugungen der Validationstheorie

Nach der Validationstheorie sind im Umgang mit Demenzkranken folgende Überzeugungen handlungsleitend:

1. Ältere, verwirrte Menschen, die an Alzheimer-Demenz erkrankt sind und sich ihrem Lebensende nähern, haben oft das Bedürfnis, ungelöste Fragen zu klären.

2. Dieses finale „Mit sich ringen“ ist wichtig und Pflegende können Demenzkranken mit Empathie und Einfühlungsvermögen dabei helfen, sich auszudrücken – sei es verbal oder nonverbal.

3. Wenn Demenzkranke Gefühle äußern können, die sie oft jahrelang unter Verschluss gehalten haben, lässt die Intensität dieser Emotionen anschließend nach. Dies fördert die Kommunikation und wirkt dem Rückzug der Erkrankten entgegen.

Es mag unserer Intuition vielleicht widersprechen, etwas anzuerkennen, von dem wir genau wissen, dass es nicht wahr ist – etwa, wenn Demenzerkrankte Personen sehen, die längst verstorben sind. Wir stimmen dann jedoch gar nicht der Tatsache an sich zu, sondern validieren die Emotionen bzw. die Wahrnehmung unseres Gegenübers. Das ist ein feiner, aber bedeutender Unterschied. Im Mittelpunkt steht nicht die Realität, sondern Akzeptanz.  

Hier ein kleiner Einblick in die Arbeit von Naomi Feil:

Die Grundsätze der Validationsmethodik

Die Validationstheorie basiert auf folgenden drei Grundsätzen:

  • Empathisch zuhören: Hören Sie aktiv zu und konzentrieren Sie sich weniger auf die Worte, sondern vielmehr auf die kommunizierten emotionalen Bedürfnisse.
  • Emotionen spiegeln: Orientieren Sie sich nicht an der Realität, sondern gehen Sie auf die Emotionen Ihres Gegenübers ein und spiegeln Sie diese.
  • Nonverbal kommunizieren: Vermitteln Sie Empathie und Verständnis, indem Sie Augenkontakt halten, mit sanfter Stimme sprechen und (auf angemessene Weise) Körperkontakt herstellen.

Zusätzlich kann es helfen, Betroffene aus lauten, hektischen Umgebungen herauszunehmen und ihnen ein ruhigeres Umfeld zu bieten. Auch Entspannungsmusik und angenehme Unterhaltungen können helfen.

validation

Können Angehörige und Pflegende die Validationstheorie umsetzen?

Verschiedene Institutionen unterstützen Angehörige mit Seminaren, Zugang zu Selbsthilfegruppen und mehr. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft zum Beispiel veranstaltet regelmäßig Seminare, um Angehörigen von Demenzkranken wichtige Tipps und Informationen an die Hand zu geben. 

Wer sich für die Validationstheorie interessiert und diese gerne anwenden möchte, benötigt dafür keine offizielle Lizenz. Es empfiehlt sich dennoch sowohl für Familienmitglieder als auch für professionelle Pflegekräfte, sich ausreichend zu schulen und so eine gute Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung dieser Methodik zu schaffen. 

So ist es zum Beispiel gerade für Laien sehr wichtig, zu wissen, dass sich die Herangehensweise von Person zu Person unterscheidet und immer von der jeweiligen Geschichte sowie den individuellen Präferenzen und emotionalen Bedürfnissen abhängt.

Beispiele aus der Praxis

Bei der Validation geht es grundsätzlich darum, sich in die Welt der erkrankten Person hineinzuversetzen und zu versuchen, sie mit ihren Augen wahrzunehmen. Ziel ist nicht, diese zu korrigieren oder zu belehren, sondern ihr das Gefühl zu geben, dass sie verstanden wird und sich sicher fühlen kann.

Hier nun zwei Beispiele dazu, wie sich das in der Praxis gestaltet:

Beispiel Nr. 1: Herr Schmidt, 82 Jahre alt, an Demenz erkrankt, glaubt manchmal, immer noch Direktor einer Schule zu sein. Gegen Abend wird er oft unruhig (Sundowning-Syndrom) und denkt, er müsse sich noch auf den nächsten Schultag vorbereiten.

Herangehensweise nach der Validationsmethode:

Empathisch reagieren: Statt Herrn Schmidt zu erklären, dass er bereits in Rente ist, gehen Sie auf das Gesagte ein: „Sie waren sicher sehr gerne Schuldirektor. Was hat Ihnen daran denn am meisten Spaß gemacht?“

Auf Herrn Schmidts Realität eingehen / seine Emotionen spiegeln: Fragen Sie Herrn Schmidt nach seinen Erfahrungen als Schuldirektor, regen Sie ihn dazu an, sich zurückzuerinnern, und geben Sie ihm damit das Gefühl, wertgeschätzt zu werden.

Sanft in eine andere Richtung leiten: Nachdem Sie sich eine Weile über Herrn Schmidts Zeit als Schuldirektor unterhalten haben, leiten Sie zu einer entspannenden abendlichen Beschäftigung über. Dazu böte sich etwa eine Aktivität an, die mit seinem ehemaligen Beruf zusammenhängt, wie das Ordnen von Büchern oder die Planung einer Unterrichtsstunde für den nächsten Tag.

Durch Anwendung der Validationsmethode erreichen Sie, dass sich Herr Schmidt beruhigt und verstanden fühlt. Sie würdigen seine Erfahrungen in seinem Beruf und leiten sanft in eine entspannte abendliche Routine über.

Beispiel Nr. 2: Frau Meier fragt regelmäßig nach ihrem Ehemann, der im vergangenen Jahr verstorben ist.

Herangehensweise nach der Validationsmethode:

Empathisch reagieren: Statt Frau Meier jedes Mal aufs Neue mit dem Tod ihres Ehemannes zu konfrontieren und sie tief zu erschüttern, können Sie auch mit Mitgefühl reagieren und die Wahrheit „einfach“ umschiffen. 

Auf Frau Meiers Realität eingehen / sanft umlenken: Sagen Sie zum Beispiel, ihr Mann sei mit Freunden beim Fischen, und lenken Sie die Unterhaltung anschließend in eine andere Richtung, indem Sie ihr Fragen zu ihren gemeinsamen Angelausflügen mit ihrem Ehemann stellen.

Ein vermeintlicher Kritikpunkt an der Validationsmethode ist die Annahme, dass sie vorsieht, Demenzerkrankte anzulügen. Das ist allerdings ein Irrglaube. Es geht nicht darum, jemanden anzulügen, sondern darum, die Emotionen dieser Person, die durchaus real sind, zu validieren.

Die Vorteile der Validationsmethodik für Demenzkranke

Die Validationsmethode kann sowohl an Demenz erkrankten Personen als auch Pflegenden und Angehörigen auf verschiedene Weise helfen. 

1. Sie fördert das Wohlbefinden der Erkrankten 

Was Sie im Gespräch mit einer an fortgeschrittener Demenz erkrankten Person zu ihr sagen, ist oft schnell wieder vergessen. Das Gefühl, das Sie ihr gegeben haben, aber nicht. Deshalb kann es sein, dass Demenzkranke positiv auf eine Person reagieren, die sie zwar nicht erkennen, die sie aber mit positiven Gefühlen verbinden. Viele der Strategien, die uns die Validationsmethodik an die Hand gibt, zielen darauf ab, eine Verbindung wie diese zur demenzkranken Person aufzubauen und ihr Wohlbefinden auf diese Weise zu fördern.

2. Der durch die ständige Konfrontation mit der Realität entstehende Frust wird vermieden 

Beim Konzept der Realitätsorientierung wird quasi das Gegenteil der Validationsmethodik praktiziert. Hier liegt der Fokus auf Fakten: „Heute ist Mittwoch, der 6. März, Sie befinden sich in einem Pflegeheim, Ihre Eltern sind verstorben, Ihre Kinder sind erwachsen, Sie sind schon lange in Rente etc.“ Auf diese Weise fortlaufend mit der Realität konfrontiert zu werden, kann für Demenzkranke sehr frustrierend sein. Es kann sie entmutigen, verwirren und verstören. Außerdem haben sie die Erklärung ohnehin oft nach nur wenigen Minuten wieder vergessen und bestehen weiterhin darauf, ihre Kinder abzuholen oder an einer Konferenz teilzunehmen.

3. Sie fördert den Aufbau einer Bindung

Da Pflegende, die nach der Validationsmethode handeln, auf die aktuelle Gemütslage der Demenzkranken eingehen, fördert dies den Aufbau einer Bindung. Indem wir die Gefühle und Wahrnehmung einer demenzkranken Person ernst nehmen und auf sie eingehen, statt auf einer Realität zu bestehen, die sie nicht sieht, können wir außerdem negative Gefühle zerstreuen, bevor sie zu Aggressionen werden.

4. Sie hilft, Ängste zu nehmen und zu beruhigen 

Da die Validationsmethode die Kommunikation zwischen Pflegenden und Demenzkranken erleichtert, ermöglicht sie es, Ängsten, Unruhezuständen und Aggressionen vorzubeugen.

Hier ein Beispiel zur Veranschaulichung: Sie und vier weitere Personen werden Zeugen eines Autounfalls. Während Sie den Unfallhergang noch genau vor Augen haben, schildern die weiteren Zeugen die Ereignisse anders als Sie. Dennoch bleiben Sie bei Ihrer Meinung, richtig? So ähnlich verhält es sich mit Halluzinationen und anderen Störungen der Hirnfunktion: Demenzkranke sind fest davon überzeugt, dass ihre Wahrnehmung der Realität entspricht. Wenn wir dem nun widersprechen und sie vom Gegenteil überzeugen möchten, kann ihnen das Angst machen und dazu führen, dass sie sich zurückziehen oder aggressiv reagieren.

5. Sie erleichtert den Umgang für Pflegende 

All dies erleichtert aber nicht nur Demenzkranken den Alltag, sondern auch Pflegenden und Angehörigen. Denn auch für sie wird der Umgang dadurch allgemein einfacher und weniger frustrierend.

Fazit

Die Validationstheorie beschreibt eine sanfte Methode zum Umgang mit Demenzkranken, die auf Empathie und Verständnis für die Erkrankten basiert und die Betreuung deutlich erleichtern kann. 

Indem wir auf die Emotionen und die Realität von Demenzkranken eingehen und diese validieren, geben wir ihnen ein Gefühl von Sicherheit, und davon, verstanden zu werden. Das führt zu mehr positiven Interaktionen und somit zu einer höheren Lebensqualität. Dieser Ansatz mag zwar viel Geduld und Empathie erfordern, er bietet aber auch reichlich Vorteile für alle Seiten – Angehörige, Betreuende und Demenzkranke. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit Demenz, sondern auch darum, für die Erkrankten da zu sein, wenn sie am verletzlichsten sind, und die Welt mit ihren Augen zu sehen.



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