„Mama, wir hatten doch vereinbart, dass Du das Handy nicht benutzt!“ Es ist Mittwochnachmittag – mein freier Tag und der Tag, an dem ich mit meinen Kindern einen Spielenachmittag vereinbart habe. Allerdings, so der Wunsch meiner Kinder, handyfrei. Natürlich habe ich eingewilligt, denn auch ich möchte zu bestimmten Tageszeiten, dass alle elektronischen Endgeräte beiseitegelegt werden. So z.B. unter der Woche vor der Schule, zwei Stunden vor dem Einschlafen und während der Essenszeiten. Ich seufze also und lege das Smartphone zur Seite. Mir ist so langweilig.
Wir spielen zum gefühlt fünfzigsten Mal das Brettspiel Monopoly. Die Kinder lieben es. Der Spielenachmittag gehört ihnen – also dürfen sie aussuchen, was wir spielen. Meine Kinder sind trotz der Vielzahl an Möglichkeiten altmodisch und wollen in der Regel Brett- oder Kartenspiele spielen. Digitalen Medien gegenüber bin ich sehr aufgeschlossen. Oft bin ich auch nicht gerade ein glänzendes Vorbild, was den Konsum angeht. Mein Handy habe ich ziemlich oft in der Hand. Allerdings – und da möchte ich gerne, dass auch meine Kinder differenzieren – das Handy ist eben nicht EIN Gerät, sondern ganz viele Geräte. Ich mache damit z.B. regelmäßig Fotos. Einen eigenen Fotoapparat habe ich schon lange nicht mehr und schon gar nicht im Alltag, wenn man mal einen Schnappschuss machen möchte. Das Handy ist ansonsten auch mein Lexikon. Während man in meiner Kindheit Fragen noch durch Nachschlagen in Büchern beantwortet hat, beantwortet die mächtige Suchmaschine Google alle Fragen:
- Was essen Feuerwanzen?
- Gibt es einen weiblichen Hulk?
- Was ist ein Baobab?
Fragen, die Kinder eben täglich haben. Schon unser ältestes Kind hat im zarten Alter von drei mal verwundert gefragt: „Wie habt ihr das damals ohne Internet eigentlich gemacht?“. Das frage ich mich allerdings auch, wenn ich meine eigene Nutzung digitaler Medien anschaue. Allein ohne meine Erinnerungsapp könnte ich den Alltag mit Kindern nur schwer regeln.
Zugang zum Internet haben bei uns alle Kinder. Das Jüngste im Grundschulalter hat ein Tablet, auf dem werden hauptsächlich YouTube-Tutorials angeschaut. Das ältere Geschwisterkind hat schon seit es 10 ist ein Handy. Lustigerweise benutzt es das kaum – was auch Nachteile (für mich) hat. Ich habe mich bislang aber zurückgehalten und nicht gefordert, dass es doch bitte regelmäßig aufs Handy schaut, damit es erreichbar ist. So liegt das Handy meist zuhause, wenn das Kind unterwegs ist und wird nur zum Musik streamen oder für den Klassenchat benutzt.
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„Tatsächlich wissen meine Kinder was Metadaten sind. Ich musste ihnen schließlich erklären, warum ich z.B. WhatsApp nicht gut finde.“
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Was Soziale Medien angeht, halten wir uns an die Altersvorgaben. Wenn es laut AGB erst erlaubt ist, mit 13 einen eigenen Account zu haben, dann gibt es den auch erst in dem Alter. Bis dahin sprechen wir viel über eine adäquate Nutzung. Was bedeutet es, ein öffentliches Profil zu haben? Welche Fotos kann man posten, welche nicht? Was passiert mit persönlichen Daten? Auf welche Informationen greifen Apps zu? Tatsächlich wissen meine Kinder was Metadaten sind. Ich musste ihnen schließlich erklären, warum ich z.B. WhatsApp nicht gut finde. Sie wissen auch, wie Unternehmen persönliche Daten nutzen, um damit Geld zu verdienen. Das ist ein wichtiges Thema in Sachen Computerspiele – oder besser in Sachen Apps.
Wir haben deswegen relativ schnell entschieden, dass wir lieber gründlich überlegen, welche Spiele gespielt werden und diese – sofern möglich – kaufen, sodass sie werbefrei sind und nicht die Daten der Nutzerinnen und Nutzer weitergeben. Da mich das Thema Datenweitergabe und nervige sowie völlig altersunangemessene Werbeunterbrechnungen in Spielen so genervt hat, haben wir uns sogar entschlossen eine Spielkonsole zu kaufen und die Tabletspiele auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
Patricias Kinder bauen in Minecraft Pokemon nach. Klar zu erkennen: Pokemon Floink.
Feste Medienzeiten gibt es bei uns nicht. Wenn die Kinder Freizeit haben, dürfen sie ihre digitalen Endgeräte benutzen. Sie schauen sich dann Videos an, hören Musik oder Hörspiele, spielen Spiele, recherchieren oder suchen sich Malvorlagen. Echte Freizeit ist allerdings erstaunlich rar – denn die Kinder müssen erstmal eine Menge Pflichten erledigen, wenn sie von der Schule nach Hause kommen. Brotdose und Trinkflasche in die Spüle, Informationszettel und anderes zur Unterschrift auf den Tisch, Hausaufgaben erledigen, für Klassenarbeiten lernen, ggf. Pflichten im Haushalt erledigen. Plus unsere „zwei Stunden vor dem Einschlafen werden keine digitalen Medien benutzt“-Regel. Da bleiben maximal 60 min am Tag und das ist schon sehr hoch angesetzt. In den Ferien sieht das dann anders aus. Da dürfen die Kinder schon mal stundenlang fernsehen oder spielen. Auch gibt es andere Ausnahmen wie Krankenzeiten oder Autofahren. Wir entscheiden also eher von Fall zu Fall, als dass wir uns den Alltag schwer und diskussionsreich machen, weil wir uns auf starre Regeln einigen.
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„Das Internet und alles was damit verbunden ist, gehört bei uns zum Lebensalltag.“
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Spezielle Internetfilter setzen wir nicht ein. Ich möchte lediglich informiert werden, wenn die Kinder mit einer Sache anfangen und was das ist. Oft schaue ich mir auch an, was die Kinder machen oder lasse mir episch lang erklären, was sie machen. Die Kinder lassen mich nämlich mit großer Begeisterung an ihren Spielen teilhaben. Für mich sind die beiden Pfeiler des Medienkonsums Aufklärung und Vertrauen.
Die Kinder wissen wirklich viel über alle relevanten Themen (Urheberrechte, Metadaten, Persönlichkeitsrechte etc.). Sie wissen auch, dass ich ihnen Fragen beantworte und ggf. auch für sie recherchiere. Wir vereinbaren also Dinge und ich gehe davon aus, dass sie sich daran halten. Nie im Leben käme ich darauf, einen Browserverlauf oder ähnliches zu kontrollieren (zumal ich davon ausgehe, dass sie wissen, wie man sowas löscht). Weil es bei uns keine unbegründeten Verbote gibt, hoffe ich, dass meine Kinder ihre Mediennutzung auch weiterhin mit mir teilen und im Fall von Problemen wie Mobbing zu mir kommen.
Das Internet und alles was damit verbunden ist, gehört bei uns zum Lebensalltag. Bestimmte Dinge gibt es bei uns nicht (so z.B. Dauerabhörgeräte wie Alexa und Co.), bei anderen haben wir weniger Bedenken als andere Familien (z.B. Computerspiele). Es wird viel über die einzelnen Themen geredet und ich glaube, dass meine Kinder sich ernst genommen fühlen, weil mein Interesse und das meines Partners aufrichtig ist. Deswegen ist das Thema Medienkonsum bei uns – toitoitoi – entspannt – nur ich werde ab und an daran erinnert, dass man auch mal ein zweistündiges Monopolyspiel ohne einen Blick auf Twitter durchhalten kann.

© Marcus Richter
Über Patricia Cammarata:
Patricia Cammarata ist Autorin, Bloggerin und Podcasterin und arbeitet in der Geschäftsentwicklung eines großen Konzernunternehmens und beschäftigt sich u.a. mit Digitalisierungsthemen. Seit 2014 schreibt sie unter dasnuf.de ins Internet und das so erfolgreich, dass sie bereits mehrere Preise gewonnen hat und aus Teilen des Blogs 2015 ein Buch wurde. Das Magazin schreibt: „Mittlerweile ist sie damit bekannt geworden […] Das liegt vor allem an ihrem unvergleichlichen Ton, der süffisant und spitz, oft brüllend komisch, aber dabei im Kern immer warmherzig ist.“ Ihre Themenschwerpunkte sind Kinder und digitale Medien, Privatheit im Netz sowie Gleichberechtigung.
Wie findet man ein gesundes Mittelmaß für den Medienkonsum von Kindern? Wir finden es besteht Redebedarf. Hier geht es zu unserer Interviewreihe.