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Kitastreik: Was sagen die Kinder?

Notlösungen und Notfallbetreuung: Auswirkungen auf die Kinder

Wer steht eigentlich wirklich im Zentrum des Kita-Streiks? Richtig: die Kinder. Wie reagieren sie auf diese unbekannte und stressige Situation?

 

Zum vorerst beendeten Kitastreik haben sich in den vergangenen vier Wochen zahlreiche Parteien Gedanken gemacht und geäußert. ErzieherInnen gingen auf die Straße. Eltern, darunter viele Blogger, machten ihrem Ärger Luft. Die Gewerkschaften forderten lautstark bessere Bedingungen für SozialarbeiterInnen und ErzieherInnen. Die Kommunen wiesen die Verantwortung teilweise von sich hin zum Bund.  Von Schlichtung ist die Rede – von Einigung noch nicht. Während die Erwachsenen also noch streiten, stecken die Kinder seit Wochen mittendrin…

 

Wie sehen Kinder den Kitastreik?

Dr. Martin R. Textor, auf die Frühpädagogik spezialisierter Pädagoge und Autor, erklärt: „Wie Kleinkinder reagieren, hängt von ihrem Alter, ihrer Beziehungsgeschichte und der Art der Ersatzbetreuung ab. So dürfte sich ein ein- oder zweijähriges Kind in der neuen Situation eher ängstlich und verunsichert fühlen als ein Fünfjähriges, das bereits verstehen kann, wieso seine Kita geschlossen hat. Ähnliches dürfte für jüngere Kinder mit unsicheren oder ambivalenten Bindungen an ihre Eltern gelten – im Gegensatz zu sicher gebundenen.  Aber auch ein Baby, ein ein- oder zweijähriges Kind, das ganztags betreut wird und eine sehr enge Beziehung zu einer Erzieherin entwickelt hat, wird diese vermissen und traurig sein.“

 

So ein Betreuungsausfall rüttelt auch am Alltagserleben eines Kita-Kindes. Ein Monat ist für ein Kleinkind eine sehr lange Zeit. Eltern berichten in Artikeln zum Thema, dass die Kids täglich fragen, wann es endlich wieder in die Kita geht, weil sie ihre Freunde vermissen. Einige beziehen den Streik auf sich und fragen, ob sie sich zu frech verhalten haben. Manche Kleinkinder werden wütend, weil alles gerade gar nicht so läuft, wie sie es gewohnt sind. Andere sind traurig oder möchten plötzlich nicht mehr in die Kita gehen. Auch auf Twitter geben einige Eltern ihren Kindern eine Stimme:

 

Bine_Tweet

dt. direkthilfe_tweet
Grummelmama Tweet

 

Ruth Frobeen_Tweet

 

Notlösungen und Notfallbetreuung: Auswirkungen auf die Kinder

Egal, ob es sich – so wie aktuell – um einen Kita-Streik handelt oder ein Kind aus anderen Gründen eine Zeit lang nicht in Kindergarten bzw. Kita geht: Es handelt sich dabei auch für die Kleinen um eine große Alltagsumstellung. Gerade beim Streik, aber auch in anderen Situationen, wissen Kinder nicht genau, was die Veränderung bedeutet und wieso die Eltern so hektisch sind.

 

Hinzu kommt, dass eine Notfallbetreuung oder andere kurzfristig gesuchte Betreuungslösungen nicht erfüllen können, was ErzieherInnen sonst in der Kita leisten. Es fehlt gegebenenfalls der gewohnte Tagesablauf, die Bezugsperson – vielleicht auch das gewohnte Essen, genügend Schlaf oder ausreichend Ausflüge auf Spielplätze oder in Parks.

 

Frühpädagoge Textor findet es demnach ganz entscheidend, „von welcher Art die Notfallbetreuung ist: Wird das Kind von einem Elternteil daheim oder an seinem Arbeitsplatz betreut oder wird es zu den Großeltern bzw. anderen, ihm vertrauten Verwandten gebracht, so wird es die Kita kaum vermissen. Selbst wenn sich der (Groß-) Elternteil nicht die ganze Zeit um es kümmert, weil er z.B. Arbeit mit nach Hause genommen hat oder Haushaltstätigkeiten erledigt, ist dies eine für das Kind akzeptable Situation. Dasselbe gilt, wenn das Kind zusammen mit Kindern aus seiner Kita-Gruppe in einer Notgruppe betreut wird, die abwechselnd von Eltern der Kinder geleitet wird. Wenn seine Mutter oder sein Vater an der Reihe ist, wird es diese Situation sogar genießen.

Problematisch ist es hingegen, wenn es sich um mehrfach wechselnde, dem Kind nicht vertraute Erwachsene handelt. Eine solche Situation ist nicht nur für unter Dreijährige schwer erträglich.“

 

Solidarität statt Konflikt

Eltern können laut Wassilios Fthenakis, Leiter des Instituts für Frühpädagogik München, zumindest versuchen, das Stresslevel ihrer Kinder einzudämmen – auch, wenn das nicht immer einfach ist. Ein erster Schritt ist schon getan, wenn Eltern ihren Kindern genau erklären, warum sie gerade nicht in die Kita können. Wichtig dabei ist, wie Eltern ihrem Nachwuchs den Kita-Streik erklären.

 

Kinder entwickeln sich am besten, wenn zwischen Betreuungsperson und Eltern ein gutes Verhältnis herrscht, so Fhtenakis in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Vermitteln Eltern aber, dass zwischen ihnen und der Erzieherin/ dem Erzieher ein Konflikt besteht, kann das kontraproduktiv sein. Sinnvoller wäre es, mit der Erklärung das Kind selbst in den Fokus zu stellen: „Deine ErzieherInnen möchten mehr Zeit für euch haben und dafür braucht es bessere Arbeitsbedingungen.“ oder „Die ErzieherInnen finden die Arbeit mit Kindern so wichtig, dass sie das auch allen anderen Menschen klar machen möchten, die das noch nicht verstanden haben.“

 

Wichtiger als Frust und Stress sind Verständnis und Solidarität. Wenn ein Kind sich als Grund für Streitigkeiten fühlt, ist am Ende niemandem geholfen.

 

Zur Person Martin R. Textor

 

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Martin R. Textor ist promovierter Pädagoge und verantwortlich für das Online-Kindergarten-Handbuch kindergartenpaedagogik.de. Gemeinsam mit seiner Frau gründete er das nicht universitäre Institut für Pädagogik und Zukunftsforschung in Würzburg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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