Es gibt Erziehungsthemen, die haben dieselbe Wirkung auf Menschen wie ein Raum voller Taranteln. Wenn die Kinder klein sind, dann sind das Themen wie „Impfen und Stillen“, wenn sie größer werden unter anderem das Thema „Medienkonsum“. Mein Sohn ist jetzt achteinhalb… wir befinden uns voll in dem Tarantelraum „Medienkonsum“. Wie ich dazu stehe? Das kann man ziemlich kurz zusammenfassen: Völlig überfordert.
Wenn ich auf Facebook Posts von Leuten meines Alters sehe mit Untertiteln wie „Das war mein soziales Netzwerk“ und darunter ein Bild von fünf Kindern, die im Baum hängen, dann denke ich: „Siehste, sag ich doch!!“ Aber dann erinnere ich mich daran, dass wir 1. Das Jahr 2018 schreiben und 2. Mein Sohn ja durchaus in Bäumen hängt und 3. Medien ja nicht per se zu verteufeln sind! Ich hänge ja selbst auch am Smartphone. Und blogge. Und poste. Und liege mit Netflix im Bett. Und dass ich keine Computerspiele spiele, hängt einzig und allein mit dem Fakt zusammen, dass es mich nicht interessiert. Sonst würde ich wahrscheinlich mit dem Kopf auf der Spielkonsole einschlafen. Ich bin also ein grottenschlechtes Vorbild. Und mein Sohn ermahnt mich durchaus manchmal: „Mama, leg doch mal das Handy weg.“
Aber trotzdem muss ich ja einen Umgang damit in Bezug auf meinen Sohn finden. Auch wenn ich einfach gerne das Thema umschiffen würde, bis er dann irgendwann auszieht. Also, lassen wir mal kurz Revue passieren, wie wir bisher mit Medien umgegangen sind:
Mit vier/fünf Jahren hat Sam angefangen, Fernsehen zu gucken. Wobei es sich eher um kleine Clips wie „Die Maus“ auf dem Tablett handelte. Das waren dann so 5 Minuten. Mal 10 Minuten, aber nicht viel mehr. Ich sah keinen Grund, warum er früher vor die Glotze sollte. Natürlich saß er mit Papa am Wochenende auf der Couch, wenn Fußball lief. Aber das interessierte ihn ca. 4 Minuten lang, dann wollte er lieber Lego bauen.
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„Wenn er Tierdokus sieht, darf er länger. Denn da bilde ich mir ein, dass er was lernt. Aber vor der Glotze hängen ist natürlich vor der Glotze hängen.“
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Wenn wir bei Freunden waren, dann gab es Ausnahmen. Mittlerweile schaut er fast jeden Tag ca. 30 Minuten. Oft kürzer, manchmal gar nicht, manchmal länger. Wenn er Kinderserien sehen will, dann einigen wir uns vorher auf die Länge. Meistens eine Folge, also 20 – 25 Minuten. In 50 % der Fälle klappt die Abmachung, in den anderen 50 % setzen harte Verhandlungen ein, ob er noch mehr sehen darf. Je nach Tagesform lasse ich es dann zu oder klappe das Laptop zu.
Das Lieblingsspiel des Sohnes: Er baut gerade ein Baumhaus.
Wenn er Tierdokus sieht, darf er länger. Denn da bilde ich mir ein, dass er was lernt. Aber vor der Glotze hängen ist natürlich vor der Glotze hängen. Allerdings weiß ich Dank seiner Affinität zu Tierdokus, dass es einen 25 cm langen Frosch gibt, der fliegen kann. So! Mama lernt also auch mit. Und am Wochenende genießen wir auch Filme zusammen. Das ist total schön, sich zusammen was auszusuchen, Popcorn zu machen und auf der Couch zu hängen. Oder an einem verschneiten Sonntagmorgen zusammen im Bett was zu sehen. Solche Ausnahmen genießen wir alle.
Mein Handy benutzt er, als wäre es seins. Und ich muss ihn des Öfteren daran erinnern, dass das nicht der Fall ist. Er facetimed mit seinem Freund, weil „da kann man sich besser gegenseitig die neuesten Ninjago Karten zeigen, Mama!“ Sprachnachrichten über WhatsApp sind Standard, und er liked immer alle Tierfotos in meinem Instagram Feed. Ein eigenes Handy kriegt er aber erst mit 10 Jahren. Das ist im Moment Status Quo unseres Deals. Aber natürlich will er Computerspiele spielen. Natürlich ist er in dem Alter, in dem ihn das alles brennend interessiert. Und ich habe keinen blassen Dunst davon. Und es interessiert mich auch so unfassbar wenig. Aber es hilft ja nichts!
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„Ein eigenes Handy kriegt er aber erst mit 10 Jahren. Das ist im Moment Status Quo unseres Deals.“
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Angefangen haben wir vor ca. 1 Jahr mit Pokemon go. Sam hat mir die App auf mein Handy geladen („Mama, lass mal… ich mach das schon!“) und mir dann die Regeln erklärt. (Habe ich bis heute nicht kapiert). Aber was echt Spaß gemacht hat, war zusammen durch die Stadt zu laufen und die Orte zu finden, an denen man dann die Viecher erwischt. Wir haben zusammen ganz neue Ecken entdeckt.
Als Nächstes kam Minecraft. Über den Onkel. Ich latent hysterisch, weil keine Ahnung, was das ist. Ja, man darf da auch schießen (ich bin 80er Jahre Kind und wurde von meinen Eltern auf jede Friedensdemo geschleppt, daher muss ich da immer meine innere Hürde überwinden), aber man baut auch Häuser. Als Sam vor kurzem mit Windpocken zuhause lag, hat er stundenlang Gebäude errichtet…. ja, stundenlang. Denn was soll man auch machen, wenn man aussieht wie ein Streuselkuchen und nicht raus darf und alle Die drei Fragezeichen-CDs mitreden kann. Aber er hat in seinem Minecraft -Haus riesige Bibliotheken entworfen: „Guck mal, Mama, da liegt man dann im Bett und kann sich morgens gleich ein Buch nehmen.“ Puhhh, das hat mich beruhigt.
Zu seinem 9. Geburtstag wünscht er sich einen Nintendo. Bekommt er auch. Und ich denke tatsächlich auch über eine Spielkonsole nach. Denn nach einem langen inneren Kampf, merke ich, dass ich mich mal bewegen muss. Aber in die andere Richtung. Es gibt tolle Spiele. Kinder lernen mit einer Selbstverständlichkeit und ja, wir schreiben das Jahr 2018. Und ich glaube, wie bei allem, geht es um die Mischung. Ich werde es mit dem Nintendo Konsum also so halten, wie ich es auch mit dem Essen halte: Wenn man sein Gemüse isst, dann gibt es auch Gummibärchen. Sprich, solange er Frösche fängt und in Bäumen hängt, darf er auch Nintendo spielen.
Über Lucie Marshall:
Tanya Neufeldt steckt hinter „Lucie Marshall“ und ist eine deutsche Autorin, Schauspielerin und Produzentin. Neben ihren Auftritten in zahlreichen deutschen Fernsehserien, schreibt sie seit 2012 den Blog Lucie Marshall, in dem sie episodenhaft und mit Humor über das Muttersein, aber auch Lifestyle und Reise schreibt. Sie arbeitete als Kolumnistin für die taz und die Frauenzeitschrift Freundin. Ihre Bücher „Lucie Marshall – Auf High Heels in den Kreißsaal“ und „Mama, I need to kotz“ erschienen im Goldmann Verlag. Ihr drittes Buch „3 Zettel von Lilo“ in Kooperation mit Stokke. Zudem hat sie eine eigene Webserie. Tanya Neufeldt ist seit 2009 Mutter eines Sohnes und lebt in Berlin. Sie finden sie auch auf Facebook und Instagram.
Wie findet man ein gesundes Mittelmaß für den Medienkonsum von Kindern? Wir finden es besteht Redebedarf. Hier geht es zu unserer Interviewreihe.