Jeden Tag und überall in unserem großstädtischen Umfeld sind wir auf Technik angewiesen. Sie ist Teil unserer Lebenswirklichkeit. Ich brauche sie, um Geld abzuheben oder mit der Straßenbahn zufahren. Dank digitaler Anzeige weiß ich dann auch, wann diese an meiner Haltestelle ist. Die Bedeutung von digitalen Medien wächst.
Am Deutlichsten spüre ich das bei Messenger-Diensten, die ich sehr schätze. Treffe ich doch Verabredungen darüber, erhalte Informationen und bleibe in Kontakt mit Menschen. Meine Kinder (6 und 3 Jahre) können ihrem Papa auf diesem Weg Sprachnachrichten oder Bilder von Erlebnissen schicken. Wir leben getrennt und es ist ein wichtiges Medium für die Beziehungspflege geworden. Außerdem erleichtern uns Kalenderapps mit Erinnerungsfunktion die Planung unseres Alltags.
Das ist längst nicht alles. Hat meine Mama mich noch schlicht vor viereckigen Augen bei zu langem passivem Fernsehen gewarnt und für andere Aktivitäten plädiert, geht es mir heutzutage um kreative und kompetente Mediennutzung. Sowohl bei meinen Kindern als auch bei der Arbeit im Kindergarten setze ich dazu auf Bilder bzw. Digitalkameras.
Spiel mit dem Schnappschuss – zum Beispiel
Erfahrungsgemäß machen Kinder, die eine Kamera (wahlweise auch ein Smartphone) in den Händen haben, Schnappschüsse. Mit meinen Kindern denke ich mir dazu Geschichten aus, die manchmal auch zu Fotobüchern werden. Ein anderes Herangehen wäre zum Beispiel, dass Kinder gemeinsam mit einer Digitalkamera Aufgaben bekommen. Besonders im Vorschulalter interessieren sie sich für Buchstaben und Zahlen. Diese sollen sie dann finden und einzeln fotografieren. Ausgedruckt können aus den Buchstabenbildern Wörter, vielleicht Namen, oder Sätze gelegt werden. Zu den Zahlen lassen sich super in der Menge entsprechende Gegenstände legen. Auch andere Suchspiele (Fotografiere etwas Gelbes, eine Ameise oder ein Quadrat) sind denkbar sowie Bildbearbeitung am PC.
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„Unsere digitalisierte Lebenswelt macht es eigentlich unumgänglich Medien als Bildungswerkzeug zu verstehen. Verteufeln bringt eh nichts.“
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Was wir sehen, ist längst nicht alles.
Die Idee dabei ist, dass Technik bzw. Medien als Werkzeug und vor allem als von Menschen Gemachtes/Genutztes verstanden werden, was perspektivisch zu einem kritischen Umgang mit den Inhalten führen kann. Ein Kind, das aktiv als Fotograf unterwegs ist, kann festhalten, was für es Bedeutung hat. Es ist sein Abbild der Wirklichkeit. Und diese vergleicht es mit anderen. Grade im Kindergarten ist bei Gruppenprojekten im Vergleich das Erkennen anderer Sichtweisen und (Bild-)Perspektiven gut möglich.
Digitale & technische Chancen für Lernprozesse
Kinder wollen sich und ihre Fähigkeiten (wie Sprache, Wahrnehmung, Handhabung) entwickeln und selbstwirksam sein. Und so wie wir sie begleiten, dass sie den Umgang mit Scheren, Messern oder Fahrradfahren lernen, so sollten sie mit uns an der Seite den Umgang mit Smartphone, Tablet, Digitalkamera und auch YouTube & Co. lernen (können). Unsere digitalisierte Lebenswelt macht es eigentlich unumgänglich Medien als Bildungswerkzeug, als etwas Nutzbares zu verstehen. Verteufeln bringt eh nichts. Ich denke, dass unsere Kinder keine Zockerdaumen brauchen, aber wir müssen digitale Medien und technische Geräte in unsere Bullerbü-Vorstellung von Kindheit einfügen. Und das kann sogar richtig viel Spaß machen.
Über Anne-Christin Ermisch:
Anne ist Elternbloggerin, Buchautorin und Pädagogin. Auf xmalanderssein.de schreibt sie über ihren Familienalltag mit zwei Kindern (ohne Mann), Kinderbücher und das Thema Inklusion. Annes Tochter ist mit dem Ullrich-Turner-Syndrom geboren. Ihre und weitere Erfahrungen fließen in Blogbeiträge und wurden im Buch „X-MAL ANDERS Ullrich-Turner-Syndrom! Ja, und?!“ gebündelt.
Wie findet man ein gesundes Mittelmaß für den Medienkonsum von Kindern? Wir finden es besteht Redebedarf. Hier geht es zu unserer Interviewreihe.