Wenn Sie Angehörige mit Demenz pflegen, ist Ihnen vermutlich schon einmal aufgefallen, dass Demenzkranke oft leicht reizbar sind. Ein Phänomen, mit dem viele zu kämpfen haben. Forschungen zufolge zeigen rund 75 % der Patientinnen und Patienten mit Demenz Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression und Agitiertheit.
Fast alle Demenzverläufe werden von solchen Aggressions- und Angstzuständen begleitet, weshalb Pflege- und Betreuungspersonen damit sehr vertraut sind.
Angst und Unruhe bei Demenz können sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für ihre Betreuenden eine große Herausforderung darstellen. Daher benötigen viele Betreuungspersonen Unterstützung im Umgang mit Demenzkranken, die sich in einem solchen Zustand befinden. Glücklicherweise gibt es mehrere Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen. Oft geht es in erster Linie darum, die Auslöser zu ermitteln. Anschließend kann man verschiedene Techniken ausprobieren, um Demenzkranke zu beruhigen. In diesem Artikel finden Sie einige Tipps für den richtigen Umgang mit solchen Episoden.
Wie äußert sich Agitation bei Demenzerkrankten?
Im ersten Schritt ist es oft hilfreich, wenn Sie wissen, mit welchen Symptomen Unruhe bei Demenz einhergeht. Natürlich ist jede betroffene Person anders, aber es gibt durchaus einige häufige Verhaltensweisen:
- Ruhelosigkeit
- Auf- und Abgehen
- Schaukelbewegungen
- Sich wiederholende Handlungen
- Verbale Aggression (Schreien, Brüllen oder der Gebrauch von Schimpfwörtern)
- Körperliche Aggression (Schlagen, Hauen, Treten oder Beißen)
Vor allem sich wiederholende Verhaltensweisen stechen leicht heraus. Manche Patientinnen und Patienten putzen immer wieder dieselbe Stelle, andere laufen im Haus umher und prüfen die Schlösser. Diesem Bewegungsdrang liegt manchmal auch eine motorische Unruhe zugrunde.
Was immer wieder auffällt, ist, dass sich aufgeregte oder ängstliche Demenzerkrankte nicht entsprechend ihrer Alltagsroutine verhalten.
Warum geraten Demenzerkrankte in Aufregung?
Zu Aggression kommt es bei Demenzkranken oft, weil sie ihre Umwelt aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr richtig verstehen und verarbeiten können. Das frustriert sie und löst Wut- oder Angstzustände aus. Verstärkt wird dieses Problem, da Menschen mit Demenz ihre Gefühle und Bedürfnisse häufig nicht mehr verständlich artikulieren können.
Ein weiteres Problem sind emotionale Regulationsstörungen. Die Bereiche des Gehirns, die dafür zuständig sind, dass wir unsere Emotionen kontrollieren können, arbeiten mit Fortschreiten der Demenz immer schlechter. Demenzpatientinnen und Demenzpatienten sind daher oft Gefühlen ausgeliefert, die sie nicht mehr angemessen verarbeiten können. Ebenso möglich ist es, dass die Person sich unwohl fühlt, Schmerzen hat oder nicht mit Änderungen an ihren täglichen Abläufen umgehen kann.
Konkrete Ursachen und Auslöser für Agitation
In der Regel gibt es konkrete Auslöser oder Ursachen für Aufregungszustände bei Demenzerkrankten. Hierzu zählen unter anderem:
- Schmerzen
- Niedergeschlagenheit
- Verstopfung
- Schlafentzug
- Übermäßige Müdigkeit
- Medizinische Nebenwirkungen
- Unbehandelte Infektionen
- Lärm
- Zu viele anwesende Personen
- Unbekannte Besucherinnen und Besucher
- Neues Betreuungspersonal
- Gestörte Abläufe
- Jede Art von Umzug – ob in ein neues Pflegeheim, ein Altenheim oder eine betreute Wohnanlage
Ängstliche oder aggressive Patientinnen und Patienten sind in Langzeitpflegeeinrichtungen keine Seltenheit, vor allem, wenn die Betroffenen ihre Umgebung nicht (er)kennen. Bei vielen Demenzerkrankten kann man auch beobachten, dass bestimmte Tageszeiten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für solche Episoden einhergehen. Die abendliche Verwirrtheit („Sundowning“-Syndrom) ist ein häufiges Phänomen, das bei Demenzerkrankten nach Sonnenuntergang auftritt.
So beruhigen Sie an Demenz erkrankte Menschen
Zum Glück gibt es Hoffnung: Mit bestimmten Maßnahmen können Sie als Betreuungsperson dazu beitragen, Ihre Patientin oder Ihren Patienten oder eine Ihnen nahestehende, an Demenz erkrankte Person zu beruhigen. Wir verraten Ihnen die wichtigsten Regeln im Umgang mit Demenzkranken:
1. Bleiben Sie ruhig und sprechen Sie mit sanfter Stimme
Vermeiden Sie es, Ihre Stimme zu erheben oder in Streitlautstärke zu verfallen. Holen Sie stattdessen einmal tief Luft und hören Sie ruhig zu, was die Person mit Demenz sagt. Stellen Sie sicher, dass ihre unmittelbaren Bedürfnisse erfüllt sind und bieten Sie nach Möglichkeit Unterstützung an.
2. Verwenden Sie einfache Berührungen
Halten Sie die Hand der erkrankten Person oder streicheln Sie sanft ihre Schulter, ihren Arm oder ihren oberen Rücken. Nähern Sie sich Demenzerkrankten in Erregungszuständen nur von der Seite oder diagonal. Wenn Sie direkt auf die betroffene Person zugehen, kann dies als bedrohlich wahrgenommen werden.
3. Schaffen Sie eine Ablenkung
Lenken Sie die Aufmerksamkeit der an Demenz erkrankten Person möglichst auf etwas Beruhigendes, zum Beispiel einen vertrauten Gegenstand oder ein Foto. Sie können sie auch dazu anregen, sich an einen ruhigeren Ort zu begeben.
4. Vermeiden Sie plötzliche Bewegungen und laute Geräusche
Achten Sie auf eine ruhige und vertraute Umgebung mit leicht gedämpftem Licht oder halb geschlossenen Rollläden. Laute Geräusche, helle Lichter und große Menschengruppen lösen oft Stress aus. Sorgen Sie dafür, dass nicht zu viele Personen auf einmal anwesend sind, da dies für Demenzerkrankte schnell überfordernd wird.
5. Bieten Sie Sicherheit
Validieren Sie die Sorgen der betroffenen Person und zeigen Sie ihr, dass Sie ihre Gefühle verstehen. Verwenden Sie keine komplexen Sätze und beschränken Sie sich auf simple Aussagen wie „Sie sind in Sicherheit“ oder „Ich bin bei dir“.
Wie man Unruhe und Wut bei Menschen mit Demenz vorbeugt
Es gibt auch Vorsorgemaßnahmen, die Sie ergreifen können, damit es bei den Betroffenen überhaupt nicht erst zu einer solchen Episode kommt oder diese wenigstens weniger schwerwiegend ausfällt.
Diese Tipps können Ihnen dabei helfen:
- Halten Sie sich an eine tägliche Routine, damit sich die Betroffenen sicherer fühlen.
- Stellen Sie sicher, dass alle ihre Grundbedürfnisse erfüllt sind, darunter ausreichend Nahrung, Wasser, körperliches Wohlbefinden und regelmäßige Toilettengänge.
- Ermöglichen Sie ihnen Aktivitäten, die ihnen gefallen und die sie leicht bewältigen können. Finden Sie Mittel und Wege für eine bessere nonverbale Kommunikation.
- Vermeiden Sie Dinge, die sie verärgern oder verunsichern könnten, zum Beispiel laute Geräusche oder plötzliche Veränderungen.
- Beschränken Sie Überraschungsbesuche aus dem Freundes- oder Familienkreis so weit wie möglich, da diese oft mit viel Stress verbunden sind.
- Bieten Sie kontinuierlich Rückversicherungen und Unterstützung, damit sich die Erkrankten sicherer fühlen.
- Vermeiden Sie es, die betroffene Person zu fragen, ob sie sich an eine bestimmte Sache erinnert – dies führt leicht zu Frustration.
Abends und nachts kommt es zu den meisten Erregtheitszuständen bei Demenzpatientinnen und Demenzpatienten, was nicht zuletzt auf das eingangs beschriebene „Sundowning“-Syndrom zurückzuführen ist. Mit Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung können Sie einen erholsamen Nachtschlaf der Betroffenen fördern und übermäßiger Müdigkeit tagsüber vorbeugen.
Fazit
Bis zu einem gewissen Grad gehören Aufgeregtheitszustände einfach zu Demenzerkrankungen dazu und lassen sich durch Betreuungspersonen oft gut bewältigen. Kommt es jedoch zu ernsteren Episoden, in denen die erkrankte Person womöglich sich selbst, ihre Wohnung, ihre Habseligkeiten oder andere Personen verletzt, sollten Sie medizinischen Rat einholen. Die Ärztin oder der Arzt prüft dann, ob die Medikamente neu eingestellt werden müssen oder ob Begleiterkrankungen vorliegen, und erklärt Ihnen, wie Sie mit diesen Zuständen am besten umgehen.
Sie sollten auch nicht vergessen, dass Unruhe und Aufregung typisch für Demenzerkrankungen sind. Je nach Ursache existiert leider nicht immer eine ideale Lösung.
Dennoch ist es möglich, einen gesunden Umgang mit diesem Aspekt der Erkrankung zu finden und für die betroffene Person eine bestmögliche Versorgung zu gewährleisten. Manchmal geht es auch einfach darum, diese Verwirrtheit gemeinsam mit den Betroffenen auszuhalten und ihnen als sicherer Zufluchtsort beizustehen, bis sie wieder aus dem Zustand herausfinden.