Im Doppelpack: Erziehung von Zwillingen

Im Doppelpack: Erziehung von Zwillingen

Tipps für den Alltag mit Zwillingen

Ob eineiig oder zweieiig: Zwillinge stellen Eltern vor ganz besondere Herausforderungen in Sachen Erziehung. Ein Gleichgewicht zwischen Individualität und Einheit zu finden, ist nur eine davon.

 

„Herzlichen Glückwunsch, Sie bekommen Zwillinge!“ Für viele werdende Eltern ist diese Ankündigung erst einmal ein kleiner Schock, denn schließlich rechnet man in der Regel nicht damit, dass in Mamas Bauch gleich zwei kleine Menschlein heranwachsen. Dabei ist die Zahl der Mehrlingsgeburten in Deutschland in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen – auch wegen der größer werdenden Zahl künstlicher Befruchtungen. Laut dem Statistischen Bundesamt ist jedes 29. Kind ein Mehrlingskind. Vor 20 Jahren kam nur rund jedes 42. Kind in Begleitung eines oder mehrerer Geschwisterchen auf die Welt. Zwillinge machen mit 98 Prozent den Großteil bei Mehrlingsgeburten aus.

Zwillinge bekommen: doppeltes Glück oder doppelter Stress?

Vor der Geburt eines Kindes stellen sich Eltern tausend Fragen, was sich nach der Geburt des Kindes in der Familie ändert – für Zwillingseltern kommen sogar noch ein paar mehr dazu: Braucht jedes Geschwisterkind sein eigenes Zimmer oder reicht eines aus? Sollen beide in denselben oder in unterschiedliche Kindergärten gehen? Erhalten wir mit Zwillingen besondere Unterstützung und Hilfe? Und wie können wir es überhaupt jemals schaffen, beiden gleichermaßen gerecht zu werden?

 

Wir sprachen mit der Mehrlings-Expertin Inga Sarrazin von Maternita. Sie ist selbst Mutter von Zwillingsmädchen und weiß ganz genau, vor welche Herausforderungen Zwillingskinder ihre Eltern stellen – und wie sie sich von Geschwistern unterschiedlichen Alters unterscheiden. „Zwischen Geschwistern und Mehrlingen besteht eine andere Art der Rivalität und damit sind die Herausforderungen an die Eltern anders gelagert. Zwillinge haben meist einen ähnlichen Entwicklungsstand, ähnliche Interessen und motorische Fähigkeiten – vor allem aber ähnliche Bedürfnisse. Im Prinzip ist von Geburt an immer ein Nebenbuhler vorhanden, gegen den man sich mehr oder weniger durchsetzen muss. Selten erhält ein Kind die volle Aufmerksamkeit ganz für sich alleine.“ Das führe natürlich schon früh zu Streitereien um Spielzeuge und die Aufmerksamkeit der Eltern.

Müssen wir nun alles doppelt kaufen?

Nein, keineswegs! Zwillinge müssen in ihrer Entwicklung früher als andere Geschwisterkinder lernen, zu teilen und sich mal einen Moment zu gedulden, bis sie an der Reihe sind, mit einem bestimmten Spielzeug zu spielen. „Neben den gemeinsamen Dingen, die beiden gehören, sollten die Zwillinge auch eigenes Spielzeug, eigene Kuscheltiere und klar zugeordnete Anziehsachen (am besten mit Namensetiketten) besitzen“, rät Inga Sarrazin. Dass diese Dinge nur einem Kind gehören, sollte klar kommuniziert werden.

Individualität von Zwillingen fördern

Da die Zwillinge von Geburt an immer zusammen sind, sind viele Eltern geneigt, beide Kinder als eine Einheit zu betrachten und sie auch dementsprechend zu behandeln, weiß Inga Sarrazin. Daher rät sie Eltern: „Es kann helfen, sich die Individualität der Kinder immer wieder bewusst zu machen und vor allem sich und seine Kinder zu beobachten. Zum einen sollte man die Kinder jedes für sich beobachten: Wie verhalten sie sich? Wie ist die Rollenverteilung? Ist eines dominanter? Das andere stiller?“ In diesem Fall sollte darauf geachtet werden, dem zurückhaltenden Zwilling die Möglichkeit zu geben, auch einmal im Vordergrund stehen zu können, indem man es zum Beispiel als erstes anspreche.

 

Die Eltern sollten jedoch nicht nur das Verhalten der Kinder beobachten, sondern auch das eigene: „Wichtig ist, das jeweilige Kind direkt anzusprechen und Blickkontakt aufzunehmen. Dies ist ein erster und leichter Schritt, jedem Kind das Gefühl zu geben, persönlich wahrgenommen zu werden.“ Wollen Eltern die Individualität der Kinder fördern, sollten Sätze wie „Na, ihr beiden?“ oder „Zwillinge, kommt doch mal her!“ besser vermieden werden, so Inga Sarrazins Rat.

Vorteile des Zwillingdaseins schätzen

Neben all der Förderung der individuellen Entwicklung der Zwillinge, sollten Eltern dennoch nicht die wundervollen Vorteile aus den Augen verlieren, die sich aus dem Zwillingsdasein ergeben. Die lebenslange Beziehung zwischen Zwillingen ist oft noch enger als die zwischen anderen Geschwistern. In den ersten Lebensjahren verbringen sie so viel Zeit miteinander, dass sie eine innige Bindung zueinander aufbauen. Studien zufolge wird diese Nähe – besonders bei eineiigen Zwillingen – später im Alter nochmal genauso intensiv wie in der Kindheit.

 

„Von Anfang an gibt es neben den Eltern eine weitere Bezugsperson, die einen in verschiedenen Situationen erlebt und meist gut einschätzen kann. Dies ist ein kostbares Gut, was Eltern auch schätzen, fördern und nicht aufgrund ihres Erziehungsstils zerstören sollten.“ Inga Sarrazin empfiehlt Eltern, in ihrer Erziehung ein gesundes Gleichgewicht zwischen Einheit und Individualität zu finden. Den einen richtigen Weg für alle Eltern gibt es dabei wie so oft natürlich nicht. Es müsse vielmehr darauf geachtet werden, was den Kindern in ihrer Zwillingskonstellation gut tue.

Die passende Kinderbetreuung für Zwillinge

Früher oder später stellt sich auch für Eltern von Zwillingen die Frage nach der passenden Unterstützung in der Kinderbetreuung, beispielweise wenn beide Partner nach der Elternzeit wieder zurück in den Beruf wollen. Doch das gestaltet sich oft schwieriger, als die Betreuung für ein Kind zu finden.

 

Insbesondere junge Babysitter, die noch keine eigenen Kinder haben, trauen sich die Betreuung von Zwillingen ohne Hilfe oft nicht zu. Diese Erfahrung hat auch Inga Sarrazin gemacht. „Prinzipiell sind eher erfahrene Mütter oder gar Großmütter bereit, sich dieser Aufgabe anzunehmen“, erinnert sie sich. Eine erfahrene Tagesmutter oder Nanny, die bereits Erfahrung mit der Betreuung von Mehrlingen hat, ist hier möglicherweise die bessere Option.

Elternzeit: Besonderheiten für Eltern von Zwillingen

Eltern von Mehrlingen stehen ebenfalls für jedes Kind, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des jeweiligen Kindes, drei Jahre Elternzeit zu. Die Besonderheit: Mehrlingseltern dürfen zwölf Monate Elternzeit pro Kind auch zu einem späteren Zeitpunkt nehmen, nämlich bis zum achten Lebensjahr der Kinder. Das bedeutet, dass sie für jedes Kind noch ein Jahr zusätzlich Elternzeit nehmen können und somit einen Anspruch auf insgesamt fünf Jahre Elternzeit haben. Allerdings muss Ihr Arbeitgeber dem zustimmen! Suchen Sie daher frühzeitig das Gespräch mit Ihrem Chef.

 

 Zur Person Inga Sarrazin

 

Inga_sarrazinInga Sarrazin ist Mama von Zwillingstöchtern und Mitgründerin des Schwangerschafts-Concierge und Baby-Planner Services Maternita. Bei Maternita betreut sie als neutrale und unabhängige Beraterin Frauen während der Schwangerschaft und der ersten Zeit mit dem Baby und unterstützt sie dabei, organisatorische Aspekte zu strukturieren, damit mehr Zeit für die Vorfreude bleibt. Außerdem moderiert sie das NetMoms Expertenforum zum Thema Mehrlinge und steht dort Müttern bei allen Fragen rund um Mehrlinge mit Rat und Tat zur Seite.



Diesen Artikel kommentieren
*

*