Mit Eltern über Hilfsangebote im Alter sprechen

 

 

Wie sag` ich`s meinem Kinde?“ Dieser geflügelte Spruch, den wir benutzen, wenn wir unangenehme Wahrheiten und Fakten an unsere Mitwelt zu verbreiten haben, wird im Verhältnis zu pflegebedürftigen Eltern mitunter zur bitteren Realität.

 

Mit fortschreitendem Alter unserer Eltern nimmt deren Hilfsbedürftigkeit zu und oftmals kommt es auch zur Pflegebedürftigkeit. Das ist für uns, die erwachsenen Kinder, eine große Herausforderung. Schließlich sind meist unsere Eltern diejenigen gewesen, die bislang den Ton angegeben haben.

Ganz nach dem Motto „einmal Kind-immer-Kind“ ist eine der größten Herausforderungen des Lebens, nun einen kompletten Rollentausch vorzunehmen und als Sohn/Tochter selbst das Zepter in die Hand zu nehmen, um aus dem neuen Rollenverständnis heraus Gespräche zu führen.

Mit Senioreneltern über Hilfsangebote sprechen

Die meisten Senioren haben Schwierigkeiten, überhaupt Hilfsmittel und Hilfestellung anzunehmen. Sie haben ein Leben lang für sich und uns, die Kinder, gesorgt. Sie haben bislang alles im Griff gehabt und nun kehren plötzlich kleinere und größere Wehwehchen ein. Das können und wollen sie nicht wahrhaben, weil damit die blanke Angst einhergeht, die Selbstbestimmung über das eigene Leben zu verlieren. Mit jeder Hilfeleistung, die sie erfahren, kann so das Gefühl einhergehen,  ein Stück Unabhängigkeit aufzugeben. Der typische Satz hierfür lautet: „Soweit bin ich noch nicht.“

 

Diese Urangst schwebt über allen Gesprächen, die Sie mit den Eltern in Zukunft über unabänderliche Fakten, wie einen Umzug ins Heim, Krankenhausaufenthalte, medizinische Untersuchungen, Abgabe des Führerscheins und dergleichen mehr führen werden. Diese Urangst muss berücksichtigt werden, weil sie ein Faktum ist, auf deren Basis die Gespräche über die Zukunft der Eltern geführt werden. Es ist besser, diese Angst anzuerkennen und zu thematisieren. Dann hat sie ein Gesicht, und – bildlich gesprochen – können Sie beide dieser Angst face to face in die Augen blicken. Das lindert die negativen Auswirkungen.

Fünf Tipps, wie Sie mit Ihren Eltern über das Thema „Pflege“ sprechen können

 

1. Eigene Rolle für sich klären und akzeptieren

Bevor Sie in ein Gespräch mit den Eltern gehen, sollten Sie sich nochmals Ihre neue Rolle als diejenige vor Augen führen, die ab jetzt die Verantwortung hat. Somit gehen Sie mit einer großen Portion an Klarheit in das Gespräch und lassen sich nicht so leicht aus dem Konzept bringen, wenn die Eltern uneinsichtig sind.

 

2. Eigene Vorabinformation und mehrere Modelle zur Auswahl

Nehmen Sie sich Zeit für die großen Entscheidungen und holen Sie sich vorab alle notwendigen Informationen von verschiedenen Stellen. Es gibt beispielsweise professionelle Pflegeberatung bei allen Krankenkassen. Zunehmend agieren hochprofessionelle unabhängige Pflegeberater auf dem Markt. Für das gemeinsame Elterngespräch ist es sehr wichtig, dass Sie genau wissen, was Sie wollen. Sollten Sie Geschwister haben, sollten Sie sich im Vorfeld abstimmen. Am besten ist es, auf Basis der eingeholten Informationen eine Vorauswahl zu treffen und diese den Eltern zu präsentieren – und ihnen damit eine Wahlmöglichkeit zu bieten. Autoritäres Verhalten, das nur eine Lösung diktiert, wäre hier vollkommen fehl am Platz. Eine Auswahl an Möglichkeiten gibt den Eltern das gute Gefühl der Mitbestimmung und macht die Situation wesentlich leichter.

 

3. Brücken bauen

Diese wirksame Methode möchte ich Ihnen an einem praktischen Beispiel aus meinem privaten Umfeld beschreiben:

Ich habe die Verantwortung für meine 89 jährige Schwiegermutter übernommen, die eigentlich körperlich noch rüstig und beweglich ist, jedoch vor ein paar Jahren an Blutkrebs erkrankt ist. Da sie oftmals sehr kurzatmig ist,  hilft  ein Rollstuhl ihr und mir, längere Strecken mühelos zu überwinden. Allerdings hat es mich viele Überredungskünste gekostet, bis sie diesen Rollstuhl als „Freund und Helfer“ angenommen hat. Ein sehr wirksames Argument war in diesem Zusammenhang, dass ich ihren Rollstuhl als „Thron“ für ihre 3 Urenkel bezeichne. Wenn wir gemeinsame Ausflüge unternehmen, dann kann meine Schwiegermutter daran teilnehmen, weil sie durch den Rollstuhl beweglich ist. Die Kinder dürfen abwechselnd auf Uromas Thron mitfahren, was ein begehrtes Privileg ist. Oma hat dadurch das Gefühl, dass sie noch gebraucht wird und ihr Rollstuhl nicht nur für sie eine Hilfe ist, sondern vor allem auch den Kindern dient. Diese Betrachtungsweise ist für sie die Brücke zur Annahme und gibt ihr ein gutes Gefühl, so dass sie den Rollstuhl nun gerne benutzt.

 

4. Zeit und Verständnis sind unabdingbar

Beides, die Zeit und vor allem das Verständnis sind wichtige Bedingungen dafür,  dass ein Gespräch mit unseren Eltern zielführend ist und gelingen kann. Es ist ein gewisses Einfühlungsvermögen von unserer Seite nötig. Das wiederum verhilft uns zu einer großen Portion Geduld.

Beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass Senioren häufig kein objektives Gefühl für ihren sich verschlechterten gesundheitlichen Zustand haben. Die meisten von ihnen gehen davon aus, dass die Gebrechlichkeit nur von vorübergehender Dauer sein wird und nach ein paar Wochen wieder verschwindet. Das entspricht ihren Erfahrungswerten eines langen Lebens, in dem sie schon manche Krankheit überwunden haben. Dieses Verhalten ist vollkommen normal und trifft auf 90% aller Senioren zu.

 

5. Im Zweifel klare Entscheidungen treffen

Haben Sie Mut, auch mal unpopuläre Entscheidungen zu treffen und diese zu kommunizieren! Bitte werfen Sie in diesem Zusammenhang alle Sentimentalitäten über Bord und sprechen Sie in einem liebevollen aber bestimmten Ton mit den Eltern, wenn es um unabänderliche Gegebenheiten geht! Durch die selbstbewusste Ansprache  erleichtern Sie den Senioren, dass sie sich in die  neue Rolle einfügen können. Ein Zögern auf Ihrer Seite löst automatisch eine Unsicherheit und ein Zaudern auf der Seniorenseite aus. Das ist nicht förderlich. Sie haben die Verantwortung, deshalb MÜSSEN Sie bestimmen.

Eine wichtige Voraussetzung im Umgang mit unseren Senioren ist, dass beide Parteien den Rollentausch allmählich verinnerlichen. Einen großen Teil unseres Lebens haben die Eltern bestimmt, wo es lang geht. Sie haben uns als Kinder den Weg gezeigt zwischen richtig und nicht richtig. Nun sollen wir, die „Kinder“ plötzlich den Eltern zeigen, wo es lang geht. Zugegeben, das ist kein leichter Schritt, aber er schützt Ihre älteren Angehörigen und auch Sie selbst.

 

Über Eva Maria Popp

Über Eva Maria Popp:
Eva Maria Popp ist Coach und Unternehmensberaterin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, soziale Themen in der Gesellschaft zu etablieren. Mit Ihrer Agentur Basic Erfolgsmanagement begleitet Sie erfolgreich Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen, die sich im Wandel, bzw. auf der Suche nach einer erfolgreichen und glücklichen Lebensführung befinden. In zahlreichen Publikationen, Büchern, Blogs, Vorträgen und Veranstaltungen setzt sie Impulse, um andere Mesnchen zu begeistern und zu motivieren.


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