Therapie für Pflegende

Warum Therapie? Tipps für Betreuungspersonen und Pflegekräfte

Wann Pflegende eine Therapie erwägen sollten, wie sie die Herausforderungen meistern, die ihre vielfältige Rolle mit sich bringt, und wie sie bei alledem auch noch Zeit für sich finden.

Für alle pflegenden Menschen, ob professionell oder in der Pflege Angehöriger

Eine pflegende oder Betreuungsperson vereint gleich mehrere anspruchsvolle Tätigkeiten in einer Position – von der Krankenpflege über die Finanzverwaltung bis hin zum emotionalen Beistand. Hinzu kommen Aufgaben im Haushalt und ein hoher zeitlicher Aufwand. Zeit für sich selbst bleibt da eher selten.

So kommt es, dass viele Pflegende sich einsam fühlen, frustriert sind und an Depressionen leiden. Vor allem dann, wenn ihr soziales Umfeld nicht sieht oder anerkennt, wie viel Kraft und Energie die Betreuung einer pflegebedürftigen Person kostet. 

In diesen Fällen hilft es eher nicht, im Stillen zu leiden. Die bessere Alternative besteht oft darin, sich professionelle Hilfe zu holen – bei Therapeutinnen und Therapeuten, die speziell dafür ausgebildet sind, Betreuungspersonen bei der Bewältigung ihrer ganz spezifischen Herausforderungen zu unterstützen. Warum und wie diese Ihnen effektiv helfen können und warum ein voller Terminkalender kein Hindernis sein muss, haben wir nachfolgend für Sie erläutert. 

Wie eine Therapie Betreuungspersonen helfen kann

1. Sie lernen, dass Ihre Emotionen gerechtfertigt sind

Die vielleicht größte Hilfe ist die Validation der eigenen (negativen) Gefühle. Viele Pflegende neigen dazu, ihre Emotionen infrage zu stellen und ihren Frust als Teil ihres Alltags zu akzeptieren. Deshalb kann es einen entscheidenden Unterschied machen, wenn ihnen eine ausgebildete Fachkraft versichert, dass auch negative Gefühle – wie Wut oder Ärger – durchaus gerechtfertigt sein können und etwaige Schuldgefühle unbegründet sind. 

Selbst wenn sich Pflegende Hilfe suchen, plagt sie häufig ein schlechtes Gewissen. Das liegt daran, dass sie verlernt haben, auf sich selbst zu achten und dass sich das für sie falsch und egoistisch anfühlt. Für viele sind diese Schuldgefühle schwer auszuhalten und es hilft ihnen, „offiziell“ bestätigt zu bekommen, dass ihnen eine Therapie langfristig guttun wird. 

2. Sie können der Person, die Sie pflegen, positiver begegnen 

Für Personen, die ihre Eltern oder Verwandte pflegen, kommen weitere Faktoren zum Tragen. Altlasten aus jahrzehntelangen, komplexen Beziehungen oder ein angespanntes Verhältnis können die Situation erschweren, emotionale Zwiespalte schaffen und zusätzlichen Frust aufkommen lassen. 

Pflegende, die selbst emotionale Unterstützung erhalten, haben oft mehr Kraft, um geduldig auf ihr pflegebedürftiges Elternteil einzugehen, wenn sich dieses zum x-ten Mal wiederholt oder eine Erklärung einen Moment später schon wieder vergessen hat. Wenn wir dagegen müde und abgespannt sind, fehlen uns oft schlicht die Reserven, um positiv zu reagieren.  

Auch für Pflegende, die sich als Kind von ihren Eltern vernachlässigt gefühlt haben und denen es nun schwerfällt, auf deren Bedürfnisse einzugehen, kann eine Therapie sehr empfehlenswert sein. Sie kann den Betroffenen aufschlussreiche Einblicke liefern und dabei helfen, innere Konflikte zu lösen.

3. Etwaige stressbedingte Symptome werden erkannt und behandelt 

Pflegende, die starken Belastungen ausgesetzt sind, leiden oft an verschiedenen stressbedingten Symptomen. Diese können von ungeklärten Schmerzen über Lethargie bis hin zu ernsthaften Erkrankungen reichen.

Da viele Therapeutinnen und Therapeuten auch über gewisse medizinische Kenntnisse und/oder ein umfassendes Netzwerk an medizinischem Fachpersonal verfügen, können sie Sie an das zuständige Fachpersonal weiterleiten und Ihnen so dabei helfen, sich behandeln zu lassen bzw. einer Erkrankung vorzubeugen. 

Folgende Symptome etwa sind Anzeichen dafür, dass Sie zu viel Stress ausgesetzt sind:

  • Sie fühlen sich allgemein überfordert oder machen sich viele Sorgen.
  • Sie sind ständig müde.
  • Sie schlafen übermäßig viel oder insgesamt zu wenig.
  • Sie nehmen ungewollt Gewicht ab oder zu.
  • Sie sind häufig gereizt und werden schnell wütend.
  • Sie haben kein Interesse mehr an Aktivitäten, die Ihnen früher Spaß gemacht haben.
  • Sie sind oft traurig.
  • Sie haben häufig Kopfschmerzen, Gliederschmerzen oder andere körperliche Symptome.
  • Sie verzehren übermäßig viel Alkohol, Sie nehmen Drogen oder verschreibungspflichtige Medikamente.

4. Sie lernen, Ihre Zeit besser einzuteilen

  • Mit dem Begriff der Therapie verbinden die meisten primär die Analyse komplexer Emotionen. Das ist aber längst nicht alles, bei dem uns Therapeutinnen und Therapeuten unterstützen können. Sie können uns auch helfen, unsere Zeit effektiver zu nutzen. 
  • In einer Therapie lernen Pflegende, eine gesündere Work-Life-Balance zu pflegen und wie wichtig es ist, auch einmal abzuschalten und die eigenen Interessen zu verfolgen. 
  • Viele Betreuungspersonen nehmen sich zu wenig Zeit für sich selbst und müssen erst wieder lernen, auch auf die eigenen Bedürfnisse zu hören – ein Prozess, der etwas Zeit in Anspruch nehmen kann, sich aber auf jeden Fall lohnt.

5. Sie verbessern Ihre Kommunikationsfähigkeit 

Eine entscheidende Kompetenz, die Betreuungspersonen im Zuge einer Therapie lernen, ist effektive Kommunikation. In einer Therapie erlernen und üben wir gesunde Verhaltensweisen – sei es, für sich selbst einzustehen, Grenzen zu setzen, um Hilfe zu bitten oder eine emotionale oder instinktive Reaktion zu kontrollieren. Manchen fällt das leicht, andere brauchen ein wenig Übung darin. Und genau dafür ist eine Therapie da.

Wenn auch Sie Schwierigkeiten haben, Ihren Eltern gegenüber Ihre Grenzen zu kommunizieren oder sich für vernünftigere Arbeitszeiten einzusetzen, können Ihnen Therapeutinnen und Therapeuten dabei helfen, Ihre Bedürfnisse auf gesunde und effektive Weise zu äußern. 

Pflegekräfte

So finden Sie therapeutische Unterstützung 

1. Welche psychotherapeutischen Behandlungsarten werden von Ihrer Krankenkasse übernommen?

Bei der Suche nach therapeutischer Unterstützung ist am wichtigsten, dass Sie jemanden finden, dem Sie vertrauen und bei dem Sie sich wohlfühlen. Versuchen Sie, unvoreingenommen an die Suche heranzugehen und sprechen Sie mit verschiedenen Therapeutinnen und Therapeuten, bevor Sie sich entscheiden.

Bei der Online-Suche können Sie unter anderem auf folgende wichtige Kriterien achten:

  • Vergewissern Sie sich, dass die Therapeutinnen und Therapeuten über offizielle Qualifikationen (wie ein abgeschlossenes Studium) und eine staatliche Zulassung verfügen.
  • Klären Sie, ob die ausgewählten Therapeutinnen und Therapeuten dazu berechtigt sind, Leistungen mit Ihrer Krankenkasse abzurechnen.
  • Lesen Sie auf den Websites der Therapeutinnen und Therapeuten nach, welche Schwerpunkte sie behandeln und wählen Sie sie danach aus. 

Qualifikationen sind zweifelsohne wichtig, aber nicht alles. Denn ohne Vertrauen wird eine Therapie keine Früchte tragen. Wenn möglich, sprechen Sie am besten mit verschiedenen Therapeutinnen und Therapeuten, um ein Gefühl dafür zu bekommen, bei wem Sie sich am besten aufgehoben fühlen. Sollten Sie im Zuge der Therapie merken, dass Sie sich nicht wohlfühlen, wechseln Sie besser zu jemand anderem. Denn für eine erfolgreiche Therapie ist wichtig, dass Sie ehrlich sind und sich sicher fühlen. Sofern Sie die Möglichkeit haben, holen Sie sich am besten auch Empfehlungen aus dem Freundeskreis oder von anderen Betreuungspersonen ein. 

2. Falls Sie keinen Therapieplatz finden, gibt es Alternativen 

Aufgrund der starken Überlastung des Gesundheitssystems kann es passieren, dass Sie keinen Therapieplatz finden oder unzumutbar lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten. In diesem Fall haben Sie etwa folgende Alternativen:

  • Psychotherapie per Kostenerstattung: Sollten Sie keine Therapeutinnen und Therapeuten mit Kassenzulassung finden, können Sie es bei Behandelnden ohne Kassensitz versuchen und sich die Kosten im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens zurückerstatten lassen. 
  • Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements: Immer mehr Arbeitgeber bieten sogenannte Employee-Assistance-Programme (EAP) an, um ihren Mitarbeitenden bei Bedarf zeitnah und unbürokratisch Hilfe zukommen zu lassen. 

3. Suchen Sie sich eine Selbsthilfegruppe

Manchmal ist es bereits eine große Erleichterung, sich mit anderen Pflegenden auszutauschen – sei es im Freundeskreis oder im Rahmen einer Selbsthilfegruppe. Personen, die denselben Herausforderungen gegenüberstehen, können die damit einhergehenden Emotionen oft am besten nachvollziehen. 

Auch Facebook ist eine gute Anlaufstelle für die Suche nach Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe. Darüber hinaus finden Sie auf den Websites von Institutionen wie der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. oder Caritas Verzeichnisse örtlicher Selbsthilfegruppen und weiterer Support-Angebote. 

Falls Sie sich unsicher sein sollten, ob eher eine Selbsthilfegruppe oder eher eine Therapie das Richtige für Sie ist, helfen Ihnen vielleicht folgende Fragen weiter: Ertappen Sie sich öfter dabei, dass Sie Ihr Verhalten gegenüber Ihren Angehörigen später bereuen? Sind Sie häufig ungerecht, werden Sie grundlos wütend oder lassen Sie Ihren Ärger an anderen aus? Das könnten alles Anzeichen dafür sein, dass Sie mehr Unterstützung bei der Regulierung Ihrer Emotionen brauchen und eine Therapie eventuell die bessere Wahl wäre. 



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