Junge Wiese Telefon

Kind allein zuhaus: Ferienregeln für Schlüsselkinder

Tipps für berufstätige Eltern

Berufstätige und alleinerziehende Eltern stehen im Sommer vor einer besonderen Herausforderung: Häufig bleiben die Kinder während ihrer Arbeitszeit allein zuhause. Was sollte man dabei beachten? Welche Regeln gibt es?

Die Sommerferien stehen vor der Tür und auch der Familienurlaub ist bereits geplant. Doch eine Woche ist da noch: Die, in der Sie wieder zur Arbeit müssen, während Ihr Kind noch frei hat und allein zuhause ist. Klaus Hurrelmann, Professor für Public Health and Education und Autor des Buches „Kinder stark machen für das Leben: Herzenswärme, Freiräume und klare Regeln“, kennt das Rezept für eine gute Vorbereitung auf die „Solozeit“ von Schlüsselkindern.

Einige Wochen vorher

1. Wecken Sie die richtige Erwartung

Beginnen Sie sehr früh damit, Ihr Kind auf das Ereignis vorzubereiten. Machen Sie es neugierig, damit es die Zeit allein daheim als etwas Besonderes versteht: Ihr Kind sieht sich hier vor einer persönlichen Herausforderung, aber auch einer Chance, sich und Ihnen zu zeigen, was es schon selbstständig kann. „Kinder sind da Realisten. Sie können sich auch Gefahren sehr genau vorstellen. Sie haben ihrerseits ebenfalls Fragen und daraus ergibt sich dann das Arrangement“, erklärt Professor Hurrelmann.

Es hängt dabei stark vom Naturell des Kindes ab, ob ein Risiko des Sich-allein-Fühlens besteht. Hurrelmann meint, das können und sollten Eltern vorher jedoch wissen. „Wenn nämlich ein solches Angstgefühl entsteht, dann kann das Klingeln des Postmannes an der Tür zu einem Schock führen.“ Andere Kinder freuen sich aber auch über die Selbstständigkeit, die diese „Solozeit“ verspricht. Grundsätzlich, rät Hurrelmann, sollten sich Eltern fragen, ob „die Herausforderung der ‚Alleine-Zeit‘ bei ihrem Kind positiv zum Klingen kommt“.

2. Spielen Sie alles durch

Wenn die „Solozeit“ näher rückt, sollten Eltern mit dem Kind alles durchproben, was im Alltag passieren könnte. Gehen Sie beispielsweise folgende Fragen durch. Was passiert, wenn:

  • … der Wasserhahn tropft?
  • … es an der Tür klingelt und du weißt nicht, wer es ist?
  • … das Telefon klingelt?
  • … der Herd/die Mikrowelle nicht funktioniert?
  • … der Strom ausfällt?
  • … etwas überkocht oder anbrennt?
  • … du irgendwo eine Spinne o.ä. entdeckst?
  • … du etwas verschüttest/etwas zu Bruch geht?

 

Wichtig ist natürlich, dass Ihr Kind bereits die Uhr lesen kann, um Ihre Abwesenheit oder Zeiten zum Kochen richtig einzuschätzen. Am besten, Sie nehmen sich gemeinsam einen Tag Zeit, um Ihr Kind einmal selbst schalten und walten zu lassen. Tun Sie so, als ob Sie nicht da wären. Ihr Sprössling sollte dabei alle wichtigen Geräte im Haus bedienen, denn „in besagter Zeit muss das Kind damit schlafwandlerisch umgehen können“, so Hurrelmann.

3. Teilen Sie sich mit

Wenn es soweit ist, sollten Sie erklären, wann genau Sie gehen und wann Sie zurück sein werden. Auch für einzelne Tage außerhalb der Ferienzeit ist es immer wichtig mitzuteilen, wann und wohin die Eltern gehen, wie sie zu erreichen sind und wann sie wiederkommen. Kommen Sie außerdem unbedingt pünktlich nach Hause oder rufen Sie bei Änderungen rechtzeitig an, um das Vertrauen Ihres Kindes zu bewahren.

4. Denken Sie an einen Plan B

Es kann passieren, dass Ihr Kind noch nicht mit den Herausforderungen zurecht kommt, weil es das erste Mal allein ist. Möglicherweise sind auch Sie selbst noch etwas unsicher oder Ihr Kind hat ein Problem während es daheim ist. Für diese Fälle sollten Sie einen Kontakt oder Anlaufpunkt für Ihr Kind haben, z.B. wenn Sie selbst nicht durchgängig erreichbar sind. Das können Nachbarn, Freunde oder die Großeltern sein. Ein Backup-Babysitter ist möglicherweise eine Lösung, falls die restlichen Tage nicht allein verbracht werden sollen.

5. Bereiten Sie die Wohnung vor

Sicherlich ist Ihr Zuhause schon Ihren Ansprüchen entsprechend kindersicher. Medikamente, Feuerzeuge und wichtige Unterlagen sind weit entfernt von Kinderhänden aufbewahrt. Für die Zeit, in der Ihr Kind allein daheim ist, sollten noch ein paar Extravorbereitungen getroffen werden:

  • Speichern Sie die wichtigsten Telefonnummern auf Kurzwahl und laden Sie das Telefon auf.
  • Bereiten Sie Mahlzeiten so weit wie möglich vor.
  • Überlegen Sie sich ein Ersatzschlüsselversteck oder sprechen Sie sich mit den Nachbarn ab.
  • Schalten Sie nicht zu verwendende Geräte ab.
  • Verschließen Sie die Wohnungstür nicht, damit Ihr Kind im Notfall schnell heraus kommt.
  • Programmieren Sie Zeitschaltuhren für Licht in der Wohnung. Gerade im Winter fühlen sich Schlüsselkinder in einer bereits erleuchteten Wohnung wohler.
  • Deponieren Sie einen Notgroschen.
  • Legen Sie Ihrem Kind eine kleine Überraschung hin oder schreiben Sie ihm eine liebevolle Notiz mit den wichtigsten Details.

Während Ihrer Abwesenheit

1. Stellen Sie Regeln auf

Regeln für die „Alleinezeit“ dienen vor allem der Abwendung von Gefahren. „Wenn man diese allerdings aus dem Hut zaubert und sagt, dass diese ab morgen so gelten, dann können sie wohl kaum umgesetzt werden“, stellt Professor Hurrelmann klar.

Wie eben erwähnt, ist das Training im Vorfeld besonders wichtig. Anschließend können die wichtigsten Regeln auch an den Kühlschrank geheftet werden. Nebenbei sollten die alltäglichen Grundsätze, beispielsweise zum Fernseh- oder Internetkonsum natürlich fortbestehen, – immer im elterlichen Bewusstsein darüber, „dass sie von den Kindern sicherlich noch ein bisschen großzügiger ausgelebt werden“, fügt Hurrelmann hinzu.

Weitere Regeln für Schlüsselkinder:

  • Geh nur ans Telefon, wenn du siehst, dass wir oder Oma/Opa anrufen.
  • Du fragst um Erlaubnis, bevor du das Haus verlässt.
  • Keine Messer-, Feuer- oder Stromexperimente.

Professor Hurrelmann betont dabei, dass „Eltern die Gewissheit haben sollten, dass sich das Kind an diese Regeln hält. Die Vertrauensbasis muss da sein.“

2. Lassen Sie los

Wie das Kind die Zeit während Ihrer Abwesenheit verlebt, hängt von dessen Charakter und Vorerfahrungen ab: Kinder alleinerziehender Eltern beispielsweise kennen sich meist gut im Haushalt aus, weil sie gegebenenfalls auch im Alltag ab und an auf sich gestellt sind. Für alle Eltern gilt laut Hurrelmann: „Die Kunst liegt darin, dass sich die Eltern nicht ständig kontrollierend melden. Sie sollten nicht den Eindruck erwecken, dass Sie als Helikoptereltern die ganze Zeit um das Kind herum kreisen.“

Ihre Kinder sollten Ihre Eigenständigkeit auskosten können. Um sich und Ihrem Nachwuchs Sicherheit zu vermitteln, ist es jedoch hilfreich, feste Zeiten für kurze Telefongespräche zu verabreden. Das dient auch einer klaren Struktur und verkürzt die Zeit bis zu Ihrer Rückkehr. Vergessen Sie also auf keinen Fall Ihr Handy!

Wenn Sie zurück nach Hause kommen

Bevor Sie sich geschäftig dem Familien- und Haushaltsmanagement zuwenden, nehmen Sie sich nach Ihrer Rückkehr nach Hause unbedingt Zeit für Ihr Kind. Jüngere Kinder brauchen jetzt vielleicht eine extra Kuscheleinheit. Sie sollten auch den Tag gemeinsam auswerten. Wie geht es dem Kind? Was hat gut geklappt? Wo gab es Probleme? Was hat Spaß gemacht? Was wünscht sich das Kind für das nächste Mal? Zeigen Sie, wie stolz Sie auf Ihren Nachwuchs sind und freuen Sie sich beide über den neuen Schritt, den Sie gegangen sind.

 

Über den Experten Klaus Hurrelmann

Klaus Hurrelmann studierte Soziologie, Psychologie und Pädagogik. 1975 habilitierte er sich mit der Schrift „Erziehungssystem und Gesellschaft“. Hurrelmann war Mitbegründer des Zentrums für Kindheits- und Jugendforschung in Bielefeld. Seit 2009 ist Hurrelmann Senior Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin.  Er hat, teilweise in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen, mehrere Lehrbücher publiziert. Dazu gehört „Kinder stark machen für das Leben: Herzenswärme, Freiräume und klare Regeln“.

Hurrelmann hat sich bei seinen eigenen Kindern im Wesentlichen an die oben genannten Richtlinien gehalten. Zudem hat er immer versucht, seine Kinder nicht allein, sondern mit dem Geschwisterkind daheim zu lassen.



Diesen Artikel kommentieren
*

*