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Inklusion in Deutschland

Chancen und Probleme bei der Umsetzung in der Schule, im Sport sowie am Arbeitsplatz

Welche Defizite und Probleme stehen in den Bereichen Schule, Sportvereinen sowie auf dem Arbeitsmarkt einer gelungenen Inklusion im Wege? Wo gelingt Inklusion?

Inklusion bedeutet grundsätzlich Zugehörigkeit. Im engeren Sinne sind mit diesem Prozess die Chancen, Möglichkeiten und Rechte von Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen gemeint, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Die weite Auslegung umfasst die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen und deren Zugang zu öffentlichen Gütern wie Bildung, Arbeit und zur öffentlichen Infrastruktur, z.B. barrierefreie Verwaltungsgebäude. Derzeit leben in Deutschland rund 9,6 Millionen Menschen mit einer Behinderung.

 

An dieser Stelle ist eine Abgrenzung zum Integrationsbegriff wichtig, da Inklusion und Integration im allgemeinen Sprachgebrauch häufig synonym verwendet werden. Der Integrationsprozess bezieht sich auf eine einzelne Person, die in ein bestehendes System aufgenommen wird. Inklusion hingegen erfordert in erster Linie nicht die Anpassung der einzelnen Person, sondern sieht Veränderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene als notwendig an. Die zentrale Frage lautet: Wie müssen die verschiedenen gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen sowie ihre Angebote gestaltet sein, damit die Teilhabe aller Menschen in einer Gesellschaft möglich ist?

In diesem Artikel wird erläutert, welche Defizite und Probleme in den Bereichen Schule, Sportvereinen sowie auf dem Arbeitsmarkt einer gelungenen Inklusion im Wege stehen. Beispiele für eine funktionierende Inklusion sind ebenfalls Gegenstand dieses Beitrags.

Rechtliche Grundlagen bei der Umsetzung der Inklusion in Deutschland

UN-Behindertenrechtskonvention

Im Dezember 2006 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) ein Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe verabschiedet. Der Deutsche Bundestag hat das entsprechende Gesetz im Dezember 2008 verabschiedet, in Deutschland ist die UN-Behindertenrechtskonvention seit März 2009 in Kraft. Das vollständige Dokument ist online auf dieser Webseite zugänglich. Grundsätzliches Ziel des Übereinkommens ist es, die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen zu fördern und ihre Partizipation in allen gesellschaftlichen Bereichen zu gewährleisten.
Inklusion in Deutschland - Chancen und Probleme_Abbildung 1

Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gibt es an vielen Stellen in Deutschland Nachholbedarf.

 

 

Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung in Deutschland überprüft die Fortschritte bei der Realisierung dieser Konvention. Die Bundesrepublik muss einen Sachstandsbericht abgeben, wobei der letzte Bericht 2011 herausgegeben wurde. Daraufhin hat der Fachausschuss eine Liste mit weiteren Nachfragen angefertigt, die die Bundesregierung beantworten muss. Parallel zu diesem Prozess haben zivile Vertreter einen eigenen Bericht erstellt. Eine weitere Akteurin ist die Monitoring-Stelle zur Umsetzung der Konvention in Deutschland. Im März 2015 haben sich UN-Mitarbeiter*innen dieser Beobachtungsstelle und Vertreter*innen der Bundesregierung getroffen, um die sogenannte Staatenberichtsprüfung zu besprechen.

Ein Blogeintrag auf ZEIT ONLINE hat einige Punkte des Überprüfungsberichts herausgegriffen, den die Bundesregierung im April 2015 erhalten hat. Der Ausschuss kritisiert Bund, Länder und Kommunen hinsichtlich der Umsetzung der verpflichtenden UN-Behindertenrechtskonvention deutlich, hat auf nahezu allen Handlungsfeldern Verbesserungsbedarf identifiziert und diverse Empfehlungen ausgesprochen:


  • Die statistische Erfassung über die Situation von Menschen mit Behinderungen sei nicht ausreichend.
  • Einfache Unterstützungsleistungen, die Menschen mit Beeinträchtigungen die Teilhabe am öffentlichen Leben im Alltag erleichtern, z.B. Rampen vor Gebäuden, sind in Deutschland gesetzlich noch immer nicht verankert.
  • Nach wie vor dürften in der Bundesrepublik nicht alle Menschen mit Behinderung wählen. Der UN-Ausschuss sieht unter anderem auch an dieser Stelle dringenden Handlungsbedarf.

Lediglich der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung – auf den im Folgenden kurz eingegangen wird – sowie die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache wurden gewürdigt.

 

Nationaler Aktionsplan der Bundesregierung

 

Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2011 identifiziert die wichtigsten Handlungsfelder, in denen Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen sind, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen sowie kulturellen Leben teilhaben können.

Auf Basis des jüngsten Berichts des UN-Ausschusses überarbeitet die Bundesregierung den Aktionsplan. Großer Handlungsbedarf besteht etwa bei der schulischen Inklusion.

Inklusion in der Schule – Zahlreiche offene Baustellen

Probleme bei der Umsetzung

In Deutschland sind die Bundesländer für die Bildung zuständig, demnach gibt es keine einheitliche Strategie zur Umsetzung von Inklusion in der Schule. Es gibt in den Bundesländern große Unterschiede, beispielweise beim Anteil der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Demensprechend unterschiedlich fallen die bildungspolitischen Konzepte für inklusive Schulen aus. Die politische Konstellation in den jeweiligen Bundesländern spielt dabei auch eine Rolle.

Das oben im Text erwähnte und vom Bundestag verabschiedete „Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ hat zu einer bisweilen emotional aufgeladenen öffentlichen Debatte geführt. Viele Eltern und Lehrer*innen betrachten die Umsetzung eines gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderung nach wie vor skeptisch.

 

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Forderungen und Wünsche für eine bessere schulische Inklusion.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einer im März 2015 ausgestrahlten Sendung des Deutschlandfunks ist über den Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, speziell im Hinblick auf die Verwirklichung an den Schulen, diskutiert worden. Ein grundsätzliches Problem vieler Schulen und Kommunen sei der fehlende Wille zur Umsetzung eines inklusiven Unterrichts. Bei einem Blick ins europäische Ausland wird Italien als das Land aufgeführt, bei dem der gemeinsame Unterricht durch die Abschaffung der speziellen Lehranstalten für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und geistigen Behinderungen seit den 1970er Jahren sowie durch die Anstellung von spezifisch ausgebildeten Lehrkräften generell vorbildlich sei. Es wird jedoch auch auf die regionalen Unterschiede bei der Umsetzung eines inklusiven Unterrichts sowie auf die Unterfinanzierung des staatlichen Bildungssystems in dem südeuropäischen Land verwiesen – ein Problem, das seit vielen Jahren auch in Deutschland bekannt ist.

Ulrich Heimlich, Professor am Lehrstuhl für Lernbehindertenpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, führt historische Gründe für die schleppende Umsetzung der schulischen Inklusion hierzulande an. Als eines der wenigen Länder in Europa habe die Bundesrepublik Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein differenziertes Förderschulsystem mit vielen unterschiedlichen Sonderschulformen aufgebaut. Die Weiterentwicklung dieses bestehenden Systems sei schwieriger zu bewerkstelligen als die Modernisierung der Strukturen in anderen Ländern und ein Grund für den teilweise großen Nachholbedarf in Deutschland. Professor Heimlich sieht die folgenden Aspekte als weitere Baustellen an:


  • Fehlende Unterstützung der Lehrer*innen bei der Ausbildung sowie Fort- und Weiterbildung hinsichtlich der Gestaltung eines inklusiven Unterrichts.
  • Fehlende oder unzureichende Beratung sowie Unterstützung der Schulen von außen durch Ministerien, wissenschaftliche Institute sowie durch Verbände und Vereine. In dieser Hinsicht seien die skandinavischen Länder beispielsweise viel weiter.

Die tiefe Verankerung der weitergehenden Umsetzung der Inklusion sowie die Unterstützung insbesondere der Schulen und der Lehrkräfte fehlen an vielen Orten in Deutschland.

In einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung erläutert der Sonderpädagoge Otto Speck, dass die teilweise harten Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit nicht im Inhalt der UN-Konvention zu suchen, sondern in der Umdeutung der darin erhaltenen Vorsätze durch den Bundestag begründet seien. Die Mehrheit der Abgeordneten sei davon ausgegangen, dass Inklusion mit der Abschaffung der Förderschulen einhergehe. Die Bundesregierung und die Bundesländer wurden kritisiert, weil sie sich für eine integrative Bildung ausgesprochen hatten. In ihren Augen eine Weiterentwicklung des gemeinsamen Unterrichts von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigungen unter Beibehaltung notwendiger sonderpädagogischer Voraussetzungen. Da es jedoch einen Widerspruch zwischen inklusiver Bildung und einem Schulsystem, das für bestimmte Schüler*innen spezielle Lernorte vorsieht, gebe, passe die Vorstellung der integrativen Bildung aus der UN-Konvention nicht zu den Ansichten der Abgeordneten.

Der Sonderpädagoge sieht eine weitere Problematik im falschen Verständnis des in der Konvention enthaltenen Begriffs „general education system“. Übersetzt bedeutet dies allgemeines Schulsystem. Da weltweit nach wie vor Millionen Kinder keine Schulbildung bekommen, laute eine Vorgabe der Vereinten Nationen, dass ein inklusives Bildungssystem alle Kinder mit und ohne Behinderungen einschließen müsse. Der Bundestag hingegen habe den englischen Terminus mit dem Begriff der allgemeinen Schulen in Abgrenzung zu den Förderschulen übersetzt. Korrekt sei es jedoch, den Begriff als allgemeinbildendes Schulsystem im Unterschied zu den berufsbildenden Schulen zu verstehen. Dem deutschen Schulrecht entsprechend, gehören zu diesem System auch die Förderschulen. Zudem ist wichtig zu erwähnen, dass Eltern dem Gesetz zufolge ein Wahlrecht darüber haben, ob sie ihr Kind in einer Regelschule mit gemeinsamem Unterricht oder in einer Förderschule unterrichtet sehen möchten. Letztere sollte trotzdem nur eine Ausnahme darstellen. Das grundsätzliche Ziel sei der gemeinsame Unterricht.

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Vorschläge für die Weiterentwicklung der bestehenden Schulstrukturen.

 

 

 

Professor Ulrich Heimlich stellt fest, dass in Deutschland allmählich Einigkeit darüber herrsche, dass es eine Vielfalt an Strukturen bei der Umsetzung der Inklusion in der Schule brauche. Heimlich verweist erstens auf die Gründung bzw. Weiterentwicklung von inklusiven Schulen einerseits, zweitens spricht er sich für die Etablierung und die weiterführende Integration von Klassen für Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen in Regelschulen aus. Dies sei etwa in Bayern mit den sogenannten Partnerklassen verwirklicht worden. Drittens sollten Förderschulen fortbestehen, damit Eltern weiterhin von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können.

Eva-Maria Thoms, Gründerin von und Vorstandsmitglied der Elterninitiative mittendrin e.V. entgegnet in dem bereits erwähnten Beitrag im Deutschlandfunk, dass die Aufrechterhaltung der Doppelstrukturen mit Förder- und Regelschulen nicht kompatibel mit dem Ziel der vollständigen Verwirklichung der Inklusion sei. Diese sei erst dann erreicht, wenn Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam an einer Regelschule lernen würden. Des Weiteren gebe es ihrer Meinung nach einen Mangel an sonderpädagogischen Fachkräften. Die vorhandenen personellen Ressourcen würden zuerst auf die Sonderschulen verteilt, der Rest bleibe für die allgemein bildenden Schulen, die mit diesem Mangel an spezifisch ausgebildeten pädagogischen Fachkräften nicht in der Lage seien, qualitativ hochwertigen Unterricht für alle Schüler*innen an einer inklusiven Schule gewährleisten zu können.

 

Gelungene Beispiele für Inklusion in Schulen

Es wurde gezeigt, wie schwierig die schulische Inklusion in der Wirklichkeit umzusetzen ist. Neben allen offenen Baustellen gibt es jedoch auch einige positive Berichte von Schulen, die den Inklusionsgedanken vorbildlich umgesetzt haben. Die Erich Kästner Schule in Hamburg gilt als Vorzeigeschule für Inklusion. Für ihre jahrelange verdienstvolle Arbeit wurde die Schule 2014 sowohl mit dem Deutschen Schulpreis und zusätzlich mit dem Jakob Muth Preis für inklusive Schule ausgezeichnet. Über den zweiten Platz beim Deutschen Schulpreis 2014 dürfte sich die Römerstadtschule aus dem hessischen Heddernheim freuen. In der Grundschule werden der Frankfurter Rundschau zufolge Kinder mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, Schüler*innen aus sozial schwachen Familien sowie Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam sowie jahrgangsübergreifend unterrichtet.

 

In dem unten stehenden Video werden zwei weitere positiv hervorgehobene Schulkonzepte vorgestellt:

Inklusion im und durch Sport – Fortschritte im Breiten- und Freizeitsport, Nachholbedarf im Leistungssport

Die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Sport bietet allen Beteiligten vielfältige Chancen. Dies ist unbestritten und anhand von Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen sowie durch zahlreiche Studien belegt. Sportliche Betätigung in einem verträglichen Umfang steigert das körperliche sowie das psychische Wohlbefinden. Des Weiterhin werden sowohl die motorischen als auch die kognitiven Fähigkeiten gefördert. Das gesteigerte Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärkt wiederum das Selbstvertrauen, führt zu mehr Eigenständigkeit im Alltag und steigert insbesondere die Lebensqualität der Menschen mit Beeinträchtigungen.

 

Inklusion im Schul- sowie im Breitensport

Wie die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet, gibt es im Zuge der allgemeinen Ausbildung der Sportlehrer*innen in Deutschland kaum verpflichtende Kurse, die auf die Leitung eines inklusiven Unterrichts ausgerichtet sind. Insbesondere im Vergleich zum Lernangebot in angelsächsischen Ländern, wie den USA und Großbritannien mit ihren „Adapted Physical Activities“ (APA), besteht hierzulande Nachholbedarf.

Soll der Inklusionsgedanke im Sport vollständig zuende gedacht und umgesetzt werden, müsste jeder Sportverein sein Angebot auf die jeweiligen Bedürfnisse aller Mitglieder in einer Gesellschaft abstimmen. In der Realität scheitert dieser Ansatz häufig an nicht barrierefreien Sportstätten, an der nicht ausreichenden Qualifikation der Übungsleiter*innen, an den Berührungsängsten sowie an der nach wie vor verbreiteten Skepsis unter den Verantwortlichen und Mitgliedern in Breitensportvereinen.

 

Inklusion im Leistungssport

Insbesondere der Leistungssport will den gestiegenen Ansprüchen der Zuschauer*innen und fördernden Institutionen, zunehmend spannende und zugleich faire Wettkämpfe zu sehen, gerecht werden. Bei den Paralympics ist ein Klassifizierungssystem eingeführt worden, dass die Athleten und Athletinnen entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsklasse einteilt. Die Gewährleistung eines fairen Wettkampfs ist jedoch nicht immer mit Spannung zu vereinbaren. Bei den Paralympics 2008 in Peking wurden im Finale des 100-Meter-Laufs der Männer 16 Sportler*innen als Sieger geehrt – eine nicht zuschauerfreundliche Entscheidung, da die Attraktivität von Wettkampfsport in einem erheblichen Ausmaße auf Sieg und Niederlage und den daraus resultierenden Emotionen basiert.
Eine andere Herausforderung bezüglich der Einteilung der Sportler ist der Nachweis einer intellektuellen Beeinträchtigung. Bei den Paralympics 2000 in Sydney wurde der spanischen Basketballnationalmannschaft der Herren nachträglich die Bronzemedaille aberkannt. Grund: Die überwiegende Mehrheit der Spieler hatte ihre angegebene Behinderung vorgetäuscht. Seit diesem Vorfall ist der Nachweis einer geistigen Beeinträchtigung verpflichtend. Die Sportler*innen müssen sich einem IQ-Test unterziehen, ein psychologisches Gutachten sowie den Nachweis über den Eintritt der intellektuellen Beeinträchtigung vor dem 18. Lebensjahr vorlegen. Problematisch ist in diesem Kontext, dass zur Feststellung einer geistigen Behinderung in verschiedenen Kulturkreisen teilweise unterschiedliche Kriterien anzuwenden sind.

 

Eine weiterführende Umsetzung der Inklusion im Leistungssport im Sinne einer grundsätzlichen Öffnung der Olympischen Spiele für Athleten und Athletinnen mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung in den nächsten Jahren ist unrealistisch. In Deutschland wird eine vertiefte Kooperation zwischen Behinderten- und Nichtbehindertensport vor allem durch die ablehnende Haltung von Verantwortlichen aus dem Nichtbehindertensport nahezu unmöglich gemacht.

Doch gibt es auch im Sport bezüglich Inklusion Erfolge bei gemeinsamen Sportwettkämpfen zu verzeichnen.

 

Aufgaben von Sportvereinen bei der Inklusion

Im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention ist unter Artikel 30, Absatz 5 „Teilhabe am kulturellen Leben sowie Erholung, Freizeit und Sport“ die Forderung nach der gleichberechtigen Partizipation an sportlichen Aktivitäten auf allen Ebenen verankert. Dies bedeutet, dass die Sportvereine als zivilgesellschaftliche Akteure sowohl auf struktureller als auch auf personeller Ebene grundsätzliche Voraussetzungen einzurichten haben, damit Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport treiben können. Eine Übersicht der grundsätzlichen Aufgaben von Sportvereinen sowie Informationen, die bei der Gründung eines (Sport)Vereins essentiell wichtig sind, finden sich an dieser Stelle. Das Leitbild des deutschen Sports sowie dessen Beitrag zur Bewältigung der zukünftigen gesellschaftlichen Aufgaben sind ebenfalls erläutert. Besonders im Hinblick auf die Umsetzung von Inklusion soll der Sport einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leisten, die physische und psychische Gesundheit unterstützen sowie eine aktive Zivilgesellschaft und die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen fördern. Des Weiteren steht Fairness im Sport für Toleranz, ein soziales Miteinander und somit gegen Gewalt.

Sportvereine und Sportverbände, die die Umsetzung der Inklusion vorantreiben, verweisen auf die positiven Erlebnisse aller Beteiligten beim gemeinsamen Sporttreiben: Abbau von Vorurteilen und weniger Berührungsängste durch soziale Interaktionen auf der einen Seite, mehr Akzeptanz und gegenseitiger Respekt auf der anderen Seite.

 

Beispiele für gelungene Inklusion im Sport und durch Sport

Auf der Ebene des Schul- sowie Breitensports sind in Deutschland im Vergleich zum Leistungssport bessere Voraussetzungen für eine weiterführende Inklusion auszumachen. Dies liegt an den jahrelangen Erfahrungen sowie an der Fülle an Projekten, die über die Jahrzehnte realisiert wurden.

 

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) stellt auf seiner Homepage Inklusionsprojekte vor, die als Anregung für Vereine und Schulen dienen können. Es sind Projekte aufgeführt, die durch die Kooperation mehrerer Vereine, Verbände und Schulen realisiert worden sind.

Inklusion am Arbeitsplatz – Chancen und Grenzen

Förderprogramme und Einrichtungen – Wer behält den Überblick?

Inklusion endet nicht mit der Erlangung eines Schulabschlusses. Sie ist auch auf dem Arbeitsmarkt zu forcieren. In der Politik wird häufig davon gesprochen, die Inklusion auf allen Ebenen vorantreiben zu wollen, so auch am Arbeitsplatz. Eine inklusive Arbeitsgesellschaft hat das Ziel, allen Erwerbstätigen die volle gesellschaftliche Partizipation durch folgende Aspekte zu gewährleisten: Fähigkeit zur wirtschaftlichen Existenzsicherung sowie die Chance zur Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit durch Qualifizierung und Berufstätigkeit.

In der Realität arbeiten Menschen mit Beeinträchtigungen vorrangig in Behindertenwerkstätten oder absolvieren reihenweise Praktika. Dies ist einfacher als für sie einen Arbeitsplatz zu schaffen, der sie erfüllt und ihren Fähigkeiten entspricht. Rund ein Drittel der Arbeitgeber*innen in Deutschland zahlt bevorzugt eine Abgleichsausgabe als die gesetzlich vorgeschriebene 5-Prozent-Quote einzuhalten. Ein weiteres Drittel der Firmen beschäftigt gar keine Menschen mit Behinderung. Individuelle Förderung zu forcieren, würde bedeuten, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen als dies heutzutage häufig der Fall ist. Dies würde für sie gleichzeitig auch eine höhere Wertschätzung als Mensch bedeuten, in der modernen Gesellschaft zählt hierzu die Ausübung eines akzeptierten Berufes.

Um Menschen mit Behinderungen eine Alternative zu einer Tätigkeit in einer Werkstatt zu ermöglichen, ist das Projekt „Kompetenzzentrum für passgenaue Assistenzangebote beruflicher Teilhabe“, kurz „Kompass“, von der Lebenshilfe Südschwarzwald in Kooperation mit zwei anderen Institutionen ins Leben gerufen worden. Wie die Badische Zeitung berichtet, begleitet und unterstützt das Projekt Menschen mit Beeinträchtigung, die im ersten Arbeitsmarkt einer Tätigkeit nachgehen möchten. Ausgangspunkt sind die Interessen und Qualifikationen der Bewerber*innen. Darauf aufbauend werden geeignete Stellen in der freien Wirtschaft sondiert. Erklären sich die Arbeitgeber*innen bereit, den Bewerber oder die Bewerberin einzustellen, wird diese*r speziell im Hinblick auf die Tätigkeit trainiert und am Arbeitsplatz von einem sogenannten Joblotsen oder einer -lotsin begleitet. Im besten Fall vermittelt das Projekt den Bewerber*innen in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis. Auch nach der Einstellung geht die Betreuung weiter.

 

Beispiele für gelungene Inklusion am Arbeitsplatz

In einem Beitrag auf der Online-Plattform www.social-startups.de ist die Organisation „discovering hands“ vorgestellt, deren Initiator der deutsche Gynäkologe Dr. Frank Hoffmann ist. Der Arzt setzt bei der Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen auf den besonders ausgeprägten Tastsinn blinder und sehbehinderter Menschen. Da für Frauen zwischen 30 und 50 Jahren lediglich die Abtastuntersuchung durch einen Gynäkologen angeboten wird – ein Mammographie-Screening wird erst ab dem 50. Lebensjahr angeboten – wird aus einer Beeinträchtigung eine Gabe. Blinde können Gewebeveränderungen, wie beispielsweise kleine Knoten, besser und früher feststellen als Menschen ohne Sehbeeinträchtigung.

Das Berliner IT-Unternehmen Auticon wendet sich laut spiegel.de bei der Suche nach neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gezielt an Menschen mit Autismus. Eine Form des Autismus ist das Asperger-Syndrom. Menschen, die dieses Syndrom aufweisen, können Gesprochenes, Mimik und Körpersprache anderer Menschen häufig nicht verstehen und in einen Kontext einordnen. Ein typisches Merkmal von Autisten ist das sogenannte „Inselwissen“, tiefgehende Kompetenzen auf speziellen Fachgebieten. Am Beispiel von Auticon zeigt sich, dass Autismus nicht zwangsläufig als Störung, sondern als Begabung für alle Betroffenen zu sehen ist. Diese Menschen mit Autismus haben eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsplatz, die zu ihren Fähigkeiten passt und die Firma ist mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zufrieden. Sie bringen die Voraussetzungen mit, um die Überprüfung der Computerprogramme der Kunden und Kundinnen – das Kerngeschäft von Auticon – qualitativ gut umzusetzen.

Stand um Inklusion in Deutschland 6 Jahre nach der Behindertenrechtskonvention

Die Inklusion in Deutschland steckt auch sechs Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention weiterhin in den Kinderschuhen, dies gilt sowohl für die schulische als auch berufliche Bildung sowie für die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Aufgrund der zahlreichen Ausprägungen sowie dem Grad der jeweiligen Behinderungen kann es für keinen der thematisierten Bereiche Pauschallösungen für eine bessere Inklusion geben. Es würde jedoch bereits helfen, wenn der Wille zur Umsetzung der Inklusion stärker ausgeprägt wäre. Zudem würde es allen Betroffenen helfen, wenn Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bei der Bewältigung dieser Herausforderungen mehr und effektiver zusammenarbeiten.

 

 


 

 



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